Turbulente Geburt des Sonnensystems
von
Hans Zekl
für
astronews.com
15. Dezember 2006
Die Analyse des Staubs des Kometen Wild 2, dén die Sonde
Stardust zur Erde zurückbrachte, überrascht die Wissenschaftler weiter: Die
Forscher entdeckten in der Kometenprobe sowohl Materie aus den heißesten
Regionen des jungen Sonnensystems als auch aus den kältesten Bereichen. Bei der
Entstehung unseres Sonnensystems muss es also deutlich turbulenter zugegangen
sein als bislang angenommen.
Bild des Kometen Wild 2 (es entstand durch die Kombination einer
lang und einer kurz belichteten Aufnahme der Stardust-Sonde). Foto:
JPL / NASA |
Allgemein gelten Kometen als Zeugen aus der Entstehungszeit des Sonnensystems,
weil sie sich fast nur in großem Abstand von der Sonne aufhalten und sich
deshalb in den viereinhalb Milliarden Jahren seit ihrer Entstehung kaum verändert haben. Astronomen erhoffen sich darum von Beobachtungen an
ihnen wichtige Erkenntnisse über die Anfangsbedingungen, aus denen auch die Erde
hervorging. Von besonderer Bedeutung kommt dabei der Untersuchung der
Kometenmaterie zu.
Zu diesem Zweck flog am 2. Januar 2004 die amerikanische Sonde Stardust in einem
Abstand von 234 Kilometern am Kometen Wild 2 vorbei und sammelte dabei
Staubteilchen aus dem Kometenschweif ein (astronews.com berichtete), die
sie am 15. Januar diesen Jahres zur Erde zurückbrachte. Ermöglicht wurde das
durch die Entwicklung eines schwammartigen Glases, eines Aerogels, das die mit
rund sechs Kilometern pro Sekunde aufprallenden Staubpartikel so sanft abbremste,
dass sie in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung untersucht werden können.
Schon die ersten Analysen zeigten etwas Überraschendes. "Als das Sonnensystem
sich vor 4,6 Milliarden Jahren bildete, wanderte Material aus den innersten
Regionen in die Außenbereiche. Für mich erscheint dies so, als hätte es
teilweise sein Innerstes nach außen gekehrt," so Donald Brownlee,
Chefwissenschaftler der Mission.
Er schätzt, dass zirka zehn Prozent des Materials eines Kometen aus dem inneren
Sonnensystem stammt. Das überraschte die Forscher, nahmen sie doch bislang an,
dass der Kometenstaub ursprünglich aus der interstellarer Materie kommt. Dort
liegen die Mineralien allerdings nicht in kristalliner Form vor. Doch genau dies
ergaben die Analysen der Stardust-Proben durch 183 Wissenschaftlern, deren
Ergebnis heute in der
Wissenschaftszeitschrift Science veröffentlicht wird: Der
Kometenstaub enthält zum großen Teil kristalline Staubkörner, zum Teil Silikate.
Art und Zusammensetzung der Teilchen zeigen eindeutig, dass die Materie in der Nähe der noch jungen Sonne auf über 500 Grad Celsius erhitzt
wurde. Viele Mineralien erfordern sogar Temperaturen von mehr als 1.100 Grad
Celsius. Auch bestehen die Staubkörner nicht nur aus einer einzigen
Mineralienart, sondern setzen sich alle aus verschiedenen Sorten zusammen.
Offenbar lieferten unterschiedliche Regionen der Staub- und Gaswolke des solaren
Urnebels Material zur Herstellung der Kometen.
Zwar wurde in theoretischen Arbeiten schon einige Male vermutet, dass während
der Bildung der Planeten Mischungsprozesse ein Rolle spielten, doch galten sie
nicht als besonders effektiv. Der Anteil der Hochtemperaturkristalle im Kometen
Wild 2 zeigt jedoch ein ganz anderes Bild mit gewaltigen Materieflüssen aus dem
Zentrumsbereich an den Rand der protoplanetaren Wolke. Somit wartet auf die
Theoretiker viel Arbeit, ihre Modelle an die neuen Funde anzupassen.
Offenbar sind Kometen auch nicht alle gleich. Jedenfalls weichen die an Wild 2
gemessenen Zusammensetzungen deutlich von anderen, von Sonden besuchten
Schweifsternen ab. Allerdings sind die Wissenschaftler mit ihren
Schlussfolgerungen vorsichtig, weil bei den anderen Missionen das Material nur
während des Vorbeiflugs untersucht werden konnte und dabei zerstört wurde. Unter
Umständen konnten dabei leicht flüchtige Bestandteile nicht bestimmt werden und
die Ergebnisse sind nicht so einfach miteinander zu vergleichen.
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Stardust,
Seite am NASA Jet Propulsion Laboratory |
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