James Webb, Captain Kirk und ein Hubschrauber auf dem Mars
von Stefan Deiters astronews.com
31. Dezember 2021
Traditionell blickt astronews.com am Ende eines
Jahres zurück auf einige herausragende Ereignisse aus Astronomie, Astrophysik
und Raumfahrt aus den vergangenen zwölf Monaten - in diesem Jahr bereits zum
23. Mal. Auch dieses Jahr war von der Corona-Pandemie geprägt, bot aber auch
astronomische Highlights, wie den Start von James Webb und die Ankunft
zahlreicher Marsmissionen.

Machten 2021 Schlagzeilen: der Mars-Hubschrauber
Ingenuity, das James Webb Space Telescope, die
ISS und eine New-Shepard-Mission.
Foto:
NASA-JPL/Caltech (Ingenuity), Arianespace, ESA,
NASA, CSA, CNES (JWST), NASA (ISS) Blue Origin (New Shepard) |
Der astronomische Höhepunkt des Jahres 2021 für viele Astronominnen und
Astronomen liegt noch nicht einmal eine Woche zurück: Nach jahrelangen
Verzögerungen und ständigen Startverschiebungen startete
am ersten Weihnachtstag das
James Webb Space Telescope an Bord einer Ariane-5-Rakete ins All. Zur
Erleichterung der europäischen Weltraumagentur ESA, die für den Start als Teil
ihrer James-Webb-Beteiligung verantwortlich war, verlief dabei nicht nur alles
nach Plan, sondern sogar so perfekt, dass James Webb vermutlich deutlich
weniger Treibstoff verbrauchen wird als geplant, um den Einsatzort am
Lagrange-Punkt L2 zu erreichen. Nun liegt es am Team in den USA James Webb
einsatzfähig zu machen - aktuell wird Schritt für Schritt der große
Sonnenschutz entfaltet und bislang
klappte alles wie vorgesehen. Wenn das so bleibt, dürften die ersten Bilder
von James Webb, die im Sommer erwartet werden, zu den Highlights des
Jahres 2022 zählen.
Ein Schwerpunkt des Jahres 2021 war die Berichterstattung über den Roten Planeten Mars: Im Februar gelang
der Mission Mars 2020 die
erfolgreiche Landung des Rovers Perseverance auf dem Planeten und auch die
chinesische Sonde Tianwen 1
erreichte den Marsorbit und setzte später erfolgreich einen Rover auf der
Oberfläche ab. Dritter im Bunde war schließlich die
Emirates Mars Mission, die
ihre Sonde
Hope erfolgreich in eine Marsumlaufbahn brachte. Perseverance hatte
zudem den experimentellen Hubschrauber Ingenuity dabei, der im April den
ersten kontrollierten Flug auf
einem anderen Planeten absolvierte. Die ersten Flüge klappten sogar so
gut, dass man sich bei der NASA entschied, die Flugversuche nicht nach einem
Monat zu beenden, sondern den Hubschrauber bis auf Weiteres weiter zu betreiben.
Curiosity, der ältere "Bruder" von Perseverance, konnte
schon im Januar ein besonderes Jubiläum feiern: Er war seit
3000
Tagen auf dem Mars. Und während die Mission des Marslanders
InSight verlängert wurde,
wurde der deutsche "Mars-Maulwurf" von
InSight endgültig aufgegeben.
Trotz langer Bemühungen war es nicht gelungen, den "Maulwurf" dazu zu bewegen,
sich weiter in den Marsuntergrund einzugraben.
Auch aus anderen Regionen des Sonnensystems gab es 2021 interessante
Neuigkeiten: So ist es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gelungen,
die Sonnenaktivität der
letzten tausend Jahre zu rekonstruieren und das
Rätsel um blaue Flecken
auf dem Zwergplaneten Ceres zu lösen. Das Weltraumteleskop Hubble
entdeckte Hinweise auf
Wasserdampf in der Atmosphäre der Jupitermonde Ganymed und
Europa. Das
Methan in den Fontänen des
Saturnmondes Enceladus gibt weiterhin Rätsel auf, scheint es sich doch durch
bekannte geochemische Prozesse nicht so einfach erklären zu lassen.
Mit dem Very Large Telescope gelang es
42 Objekte im
Asteroidengürtel mit der bislang besten Qualität abzubilden und man
stellte zudem fest, dass der interstellare Komet 2I/Borisov, der im August 2019
als erst zweites Objekt aus einem anderen Sonnensystem entdeckt worden war,
ursprünglicher ist als jeder andere Komet.
Beim interstellaren Objekt `Oumuamua
könnte es sich wiederum um den Splitter eines Exo-Pluto handeln.
Natürlich richtete sich 2021 der Blick auch wieder auf andere Planetensysteme. So
entdeckte der Satellit CHEOPS
ein ungewöhnlich
harmonisches Planetensystem und das Very Large Telescope
könnte einen gerade entstehenden Planeten
beobachtet und zudem einen
Gasriesen
um einen jungen Stern direkt abgebildet haben. Immer spannender wird die
Untersuchung der Atmosphären von fernen Welten: So wurden
sechs
Moleküle in der Atmosphäre von HD 209458b und
Isotope in
der Atmosphäre von TYC 8998-760-1 entdeckt.
Auch ungewöhnliche Funde machten Schlagzeilen: So wurde ein
System aus Gesteinsplaneten
um einen nahen Stern, zahlreiche
Planeten ohne Sonnen, ein Riesenplanet um
einen massereichen Doppelstern und vielleicht sogar
ein Planet in der
Whirlpool-Galaxie aufgespürt. Superflares,
die man immer wieder bei Roten Zwergen beobachtet, könnten für umlaufende
Planeten ungefährlicher sein als bislang angenommen. Das ist vor allem deswegen
spannend, weil Rote Zwerge die häufigsten Sterne in der Milchstraße darstellen.
In Sachen erdnaher Raumfahrt stand 2021 aus deutscher Sicht im Zeichen des
ESA-Astronauten Matthias Mauerer,
der im November zur
Internationalen Raumstation ISS startete. Ansonsten machten kommerzielle
Anbieter mit mehr oder weniger kurzen Ausflügen ins All Schlagzeilen, teils mit
prominenter Besatzung: So unternahm
William Shatner, der den meisten als "Captain Kirk" aus der Serie "Raumschiff
Enterprise" bekannt sein dürfte, mit einer New-Shepard-Rakete des
Unternehmens Blue Origin von Amazon-Gründer Jeff Bezos einen Kurztrip ins All.
SpaceX-Gründer Elon Musk ließ eine komplett aus Laien bestehende Besatzung
drei Tage lang in einer
Crew Dragon um die Erde kreisen.
Wer nicht über das nötige Kleingeld verfügt, um sich einen touristischen Flug
ins All leisten zu können, aber trotzdem gerne dorthin will, muss Astronautin oder Astronaut werden. Die ESA begann im April mit der Suche nach neuen
Astronautinnen und Astronauten und erhielt über
mehr als 22.000 Bewerbungen.
China setzte auch 2021 ein ambitioniertes Weltraumprogramm fort, etwa mit dem
Start des erstes Moduls für
eine chinesische Raumstation. Ein neues russisches Modul für die
Internationale Raumstation ISS, an der China nicht beteiligt ist,
sorgte im Juli für Aufregung,
hatten sich doch nach dem Andocken die Triebwerke erneut überraschend aktiviert
und die Raumstation dadurch in Schieflage gebracht.
Auch Raumfahrtpläne wurden geschmiedet: Erst kündigte die NASA an, zwei neue
Discovery-Missionen zur
Erforschung der Venus bauen zu wollen, kurze Zeit später gab auch die ESA
bekannt, eine Mission zur Venus
zu planen. Die Vereinigten Arabischen Emirate hingegen nehmen, nach ihrer
erfolgreichen Marsmission,
eine
Mission in den Asteroidengürtel ins Visier.
Was machte noch 2021 Schlagzeilen? Zum Beispiel ein
Schwarzes-Loch-Paar, das im
Zentrum von NGC 7727 entdeckt wurde, ein
detaillierter Blick auf den Jet von
Centaurus A
mit dem Event-Horizon-Teleskop und eine bislang übersehene
Struktur
im Sagittarius-Arm der Milchstraße. Außerdem scheint sich in diesem Jahr
abschließend geklärt zu haben,
warum der Stern Betelgeuse
kurzzeitig dunkler wurde.
Sicherlich wird auch das Jahr 2022 viele interessante und auch überraschende
Nachrichten für diesen Onlinedienst bereithalten. Wir werden in gewohnter Weise
darüber berichten und bedanken uns an dieser Stelle ausdrücklich bei
allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern für ihre faszinierende Arbeit,
durch die eine Nachrichtenseite wie stronews.com erst möglich wird.
Ein besonderer Dank gilt auch unseren Leserinnen und Lesern, insbesondere denen, die unsere Arbeit
auch in diesem Jahr
im Rahmen von "astronews.com
ist mir was wert" mit einem einmaligen oder regelmäßigen Beitrag unterstützt
haben. Wir wissen dies sehr zu schätzen.
Bei allen Leserinnen und Lesern bedanken wir uns für die Treue und
wünschen für das Jahr 2022 alles Gute.
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