Magnetfeld des Zentralsterns wichtig für die Interpretation von Beobachtungen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
22. April 2024
Um Beobachtungen extrasolarer Planeten mit modernen Teleskopen korrekt auswerten
zu können, muss das Magnetfeld des jeweiligen Zentralsterns berücksichtigt
werden. Dies zeigten jetzt neue Modellrechnungen, die sich mit dem Einfluss von
stellaren Magnetfeldern auf die beobachtete Randverdunkelung eines Sterns
befassen.
Die Randverdunkelung von Sternen ist ein
bekanntes Phänomen. Auch die Sonne erscheint an ihrem Rand
deutlich dunkler als in der Mitte.
Foto: NASA [Großansicht] |
700 Lichtjahre entfernt von der Erde im Sternbild Jungfrau zieht der Planet
WASP-39b seine Bahnen um den Stern WASP-39. Der Gasriese, der kaum mehr als vier
Tage für einen Umlauf benötigt, zählt zu den am besten untersuchten Exoplaneten:
Kurz nach der Inbetriebnahme im Juli 2022 richtete das
James-Webb-Weltraumteleskop der NASA seinen hochpräzisen Blick auf den fernen
Planeten. In den Messdaten fanden sich Hinweise auf große Mengen Wasserdampf,
auf Methan und sogar erstmals auf Kohlendioxid in der Atmosphäre von WASP-39b.
Eine kleine Sensation. Doch es bleibt ein Wermutstropfen: Forschenden gelingt es
bisher nicht, alle entscheidenden Details der Messkurven in Modellrechnungen zu
reproduzieren. Dies steht einer noch exakteren Auswertung der Daten im Wege. In
ihrer aktuellen Studie zeigt das vom Max-Planck-Institut für
Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen geleitete Team, zu dem auch Forschende
des Massachusetts Institute of Technology, des Space Telescope
Science Institute, der Universität Keele und der Universität Heidelberg
gehören, einen Weg auf, dieses Hindernis zu überwinden.
"Die Probleme, die sich bei der Interpretation der Messdaten von WASP-39b
ergeben, kennen wir von vielen Exoplaneten – ganz gleich, ob sie mit den
Weltraumteleskopen Kepler, TESS, James-Webb oder der
zukünftigem Raumsonde PLATO beobachtet werden", erklärt MPS-Wissenschaftlerin
Dr. Nadiia Kostogryz. "Auch bei WASP-39 fällt die beobachtete Lichtkurve flacher
ab, als bisherige Modelle erklären können", fügt sie hinzu. Als Lichtkurve
bezeichnen Forschende Helligkeitsmessung eines Sterns über einen längeren
Zeitraum. Die Helligkeit eines Sterns fluktuiert ständig, etwa weil seine
Leuchtkraft natürlichen Schwankungen unterliegt.
Auch Exoplaneten können Spuren in der Lichtkurve hinterlassen. Zieht ein
Exoplanet vom Beobachter aus betrachtet vor seinem Stern vorbei, verdunkelt er
ihn. In der Lichtkurve zeigt sich dies als regelmäßig wiederkehrender
Helligkeitsabfall. Genaue Auswertungen solcher Kurven liefern Informationen über
Größe und Umlaufdauer des Planeten. Zudem können Forschende ihnen Informationen
über die Zusammensetzung der Atmosphäre des Planeten entnehmen, wenn sie das
Sternenlicht in seine verschiedenen Wellenlängen aufgespalten.
Eine entscheidende Rolle bei der Interpretation einer Lichtkurve spielt der
Randbereich eines Sterns. Wie im Fall der Sonne erscheint dieser dem Beobachter
dunkler als der innere Bereich des Sterns. Dabei leuchtet der Stern weiter außen
nicht wirklich weniger hell. "Da der Stern eine Kugel ist und seine Oberfläche
gekrümmt, schauen wir am Rand in höhere und deshalb kühlere Schichten als in der
Mitte", erklärt MPS-Direktor Prof. Dr. Laurent Gizon. "Dieser Bereich erscheint
uns deshalb dunkler", fügt er hinzu. Dass sich die Randverdunklung auf die
genaue Form des Exoplaneten-Signals in der Lichtkurve auswirkt, ist bekannt: Die
Verdunklung bestimmt, wie steil die Helligkeit eines Sterns beim Planetentransit
abfällt und danach wieder ansteigt. Doch mit herkömmlichen Modellen der
Sternatmosphäre war es bisher nicht möglich, Messdaten genau zu reproduzieren.
Die gemessenen Lichtkurven fielen stets weniger abrupt ab, als die
Modellrechnungen erwarten ließen. "Es war klar, dass uns ein entscheidendes
Puzzleteil fehlt, um das Signal der Exoplaneten genau zu verstehen", so
MPS-Direktor Prof. Dr. Sami Solanki.
Wie die jetzt veröffentlichten Rechnungen zeigen, handelt es sich bei dem
gesuchten Puzzleteil um das Magnetfeld des Sterns. Wie auch die Sonne erzeugen
viele Sterne tief in ihrem Innern durch gewaltige Plasmaumwälzungen ein
Magnetfeld. Dieses konnten die Forscherinnen und Forscher nun erstmals in ihre
Modellrechnungen der Randverdunklung einbeziehen. Dabei zeigte sich, dass sich
die Stärke des Magnetfeldes empfindlich auswirkt: Bei Sternen mit schwachem
Magnetfeld ist die Randverdunklung ausgeprägt; bei solchen mit starkem
Magnetfeld fällt sie schwächer aus. Zudem konnten die Forschenden belegen, dass
die Diskrepanz zwischen Beobachtungsdaten und Modellrechnungen verschwindet,
wenn das Magnetfeld des Sterns mitberücksichtigt wird.
Dafür wandte sich das Team ausgewählten Messdaten des NASA-Weltraumteleskops
Kepler zu, das von 2009 bis 2018 das Licht abertausender Sterne
einfing. In einem ersten Schritt modellierten die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler die Atmosphäre typischer Kepler-Sterne unter Beisein eines
Magnetfeldes. In einem zweiten Schritt erzeugten sie dann aus diesen Rechnungen
"künstliche" Beobachtungsdaten. Wie ein Vergleich mit den echten Messdaten
zeigte, gelingt es, die Kepler-Daten zu reproduzieren, wenn das Magnetfeld
berücksichtigt wird. Ebenso weitete das Team seine Überlegungen auf Messdaten
des James-Webb-Teleskops aus. Dies ist in der Lage, das Licht ferner Sterne in
seine verschiedenen Wellenlängen zu zerlegen und so nach den charakteristischen
Anzeichen bestimmter Moleküle in der Atmosphäre der entdeckten Planeten zu
suchen. Wie sich zeigt, beeinflusst das Magnetfeld des Muttersterns seine
Randverdunklung in verschiedenen Wellenlängen unterschiedlich – und sollte
deshalb bei künftigen Auswertungen mitberücksichtigt werden, um noch präzisere
Ergebnisse zu erzielen.
"In den vergangenen Jahrzehnten und Jahren bestand der Weg, in der
Exoplanetenforschung voranzukommen, darin, die Hardware zu verbessern, also die
Weltraumteleskope, die für die Suche nach neuen Welten und deren
Charakterisierung entwickelt wurden. Das James-Webb-Weltraumteleskop ist die
aktuelle Spitze dieser Entwicklung", so Dr. Alexander Shapiro, Leiter einer
MPS-Forschungsgruppe, die von der Europäischen Forschungskommission (ERC)
gefördert wird. "Der nächste Schritt ist es nun, die Modelle zur Interpretation
dieser hervorragenden Daten zu verbessern und zu verfeinern", fügt er hinzu. Um
diese Entwicklung weiter voranzutreiben, wollen die Forscherinnen und Forscher
ihre Analysen nun auf Sterne ausweiten, die sich deutlich von der Sonne
unterscheiden. Zudem bieten ihre Erkenntnisse die Möglichkeit, in Zukunft aus
den Lichtkurven von Sternen mit Exoplaneten auf die Stärke des Sternmagnetfeldes
zu schließen.
Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Nature Astronomy
veröffentlicht.
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