Neues russisches ISS-Modul sorgte für Aufregung
von
Stefan Deiters astronews.com
30. Juli 2021
Das russische Modul Nauka hat gestern Nachmittag an die
Internationale Raumstation ISS angedockt. Kurze Zeit später gab es allerdings
einen Zwischenfall, der der Station durchaus hätte gefährlich werden
können: Die Triebwerke von Nauka aktivierten sich unplanmäßig, die ISS geriet
kurze Zeit in Schieflage. Die Situation war aber bald wieder unter Kontrolle.
Das russische Modul Nauka bei der Annäherung an die
Internationale Raumstation ISS.
Bild: NASA TV
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Das russische Weltraumlabor Nauka hat gestern Nachmittag planmäßig an die
Internationale Raumstation ISS angedockt. Es war am Mittwoch der vergangenen
Woche mit einer Proton-Rakete von Baikonur aus gestartet worden. Allerdings gab
es offenbar kurz nach Erreichen des Erdorbits Probleme mit den Triebwerken und
der Navigation des Moduls, was zu Spekulationen darüber führte, ob Nauka die ISS
überhaupt wie geplant erreichen kann. Offizielle Stellungsnahmen zu den
Problemen gab es lange nicht und Nauka erreichte die ISS schließlich planmäßig am
gestrigen Nachmittag.
Rund drei Stunden nach dem Andocken kam es dann aber zu einem
Zwischenfall: Als die Besatzung gerade Routineüberprüfungen des Moduls
durchführte, aktivierten sich plötzlich die Triebwerke von Nauka wieder, wodurch die
gesamte Station in Schieflage geriet, da die Kreiselinstrumente, die
normalerweise zur Lageregelung der Station dienen, mit dieser überraschenden
Störung überfordert waren. Erst die zusätzlichen Triebwerke des Moduls Swesda,
an das Nauka angedockt hatte und eines Progress-Raumfrachters konnten die
Raumstation wieder in ihre ursprüngliche Lage bringen. Zeitweise hatte sich die
Orientierung der ISS um 45 Grad verändert.
Unmittelbar nach dem Zwischenfall waren keine Schäden an der Struktur der
ISS bekannt, obwohl natürlich alle entsprechenden Parameterdaten nun gründlich
ausgewertet werden sollen. Die Besatzung sei während des Vorfalls nie in Gefahr
gewesen, betonte man bei der NASA. Die Ursache für die plötzliche Aktivierung der
Nauka-Triebwerke ist
bislang nicht bekannt. Die NASA entschied, den eigentlich heute geplanten Start
eines zweiten Testflugs des Starliner von Boeing zu verschieben, um sich ganz
auf die Aufarbeitung des Vorfalls kümmern zu können.
An Bord von Nauka ist auch ein neuer europäischer Roboterarm (ERA) zur ISS
gekommen. Während des Transports war der elf Meter lange Roboterarm
eingeklappt. Fünf Außenbordeinsätze sind vorgesehen, um den Roboterarm
einsatzbereit zu machen. Die Raumstation verfügt bereits über zwei Roboterarme,
die beim Andocken von Raumfahrzeugen und beim Transfer von Nutzlasten und bei
der Unterstützung von Außenbordeinsätzen eine entscheidende Rolle spielen.
Doch
weder der kanadische noch der japanische Roboterarm kann das russische Segment erreichen. ERA wird der erste
Arm sein, der in der Lage ist, in den russischen Bereichen zu "fahren".
Er kann Teile von bis zu 8000 Kilogramm mit einer Genauigkeit von fünf
Millimetern bewegen und so die Einsätze von Astronautinnen und Astronauten auch
in diesem Bereich der Station unterstützen.
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