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BEPICOLOMBO
Merkursonde entdeckt aus Venusatmosphäre entweichende Kohlenstoff-Ionen
Redaktion / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung
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12. April 2024

Im Vorbeiflug an der Venus hat die europäisch-japanische Doppelraumsonde BepiColombo erstmals Kohlenstoff-Ionen gefunden, die aus der Atmosphäre des Planeten ins All entweichen. Untersuchungen der Ionenverteilung helfen zu verstehen, welche Prozesse die Atmosphäre unseres Nachbarplaneten geformt haben und warum sie sich stark von der Gashülle der Erde unterscheidet.

Venus

Während eines Vorüberflug der Raumsonde BepiColombo an der Venus am 10. August 2021 wurden in einem Abstand von 36.000 Kilometern Kohlenstoff-Ionen detektiert. Bild: Nature Astronomy, Hadid et al.; LPP, CNRS; Venus: ESA / MPS [Großansicht]

Eigentlich sollte das Messinstrument MPPE (Mercury Plasma Particle Experiment) den Venus-Vorbeiflug von BepiColombo am 10. August 2021 "verschlafen". Um auf dem Weg zum Zielplaneten Merkur Flugrichtung und -geschwindigkeit anzupassen, führte die Flugroute der Raumsonde zum zweiten Mal nah an der Venus vorbei. Den wissenschaftlich-technischen Teams der einzelnen Messinstrumente an Bord bieten Stippvisiten dieser Art nicht nur die Gelegenheit, ihr Instrument unter echten Weltraumbedingungen zu testen. Oft enthalten die Messdaten auch wertvolle wissenschaftliche Erkenntnisse. Für MPPE war jedoch nicht mit optimalen Messbedingungen zu rechnen. Während der Anreise zum Merkur fliegen beide Teilsonden von BepiColombo "aufeinandergestapelt" durchs All; in dieser Konfiguration schränken einige Hardwarekomponenten die Sicht von MPPE ein. Das Instrument sollte daher ausgeschaltet bleiben.

Forscher des MPPE-Teams drangen dennoch darauf, während des Vorbeiflugs die Verteilung geladener und ungeladener Teilchen in der Umgebung des Planeten so gut es geht zu bestimmen. "Seit mehr als zwei Jahrzehnten treiben uns Messungen der Raumsonde SOHO um", begründet dies Dr. Markus Fränz, Wissenschaftler am Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen. 1996 entdeckte SOHO in der Nähe der Erde Kohlenstoff-Ionen von der Venus. Damals lag die Erde genau im Sonnenwindschatten der Venus. Unter diesen seltenen Bedingungen konnten Ionen aus der sonnenabgewandten Umgebung der Venus weit ins All vordringen und sogar die Erde erreichen. Vor Ort an der Venus war der Nachweis von Kohlenstoff-Ionen in größerer Entfernung vom Planeten bisher nicht geglückt. "Dem wollten wir unbedingt nachgehen", so Fränz weiter.

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Die Forschenden interessiert besonders, warum Venus und Erde seit ihrer Entstehung so unterschiedliche Entwicklungswege eingeschlagen haben und heute völlig verschiedene Bedingungen bieten. Während unser Heimatplanet eine lebensfreundliche Welt mit viel Wasser und sauerstoffreicher Atmosphäre wurde, hat die Venus ihr einstiges Wasser weitestgehend verloren. Der hohe Anteil an Kohlenstoffdioxid in ihrer Lufthülle begünstigt zudem einen extremen Treibhauseffekt und erzeugt so hohe Oberflächentemperaturen von im Schnitt mehr als 450 Grad Celsius. "Die Prozesse, die sich noch heute in der Ionosphäre der Venus abspielen, liefern wichtige Hinweise darauf, wie sich der Planet entwickelt hat", so MPS-Wissenschaftler Dr. Norbert Krupp.

Anders als die Erde erzeugt die Venus in ihrem Innern nicht selbst ein Magnetfeld, das Teilchen aus der Atmosphäre an den Planeten bindet. Die geladenen Teilchen des Sonnenwindes, des stetigen Teilchenstroms von der Sonne, induzieren lediglich ein schwaches Magnetfeld. Leichte oder schnelle Teilchen können deshalb den Einflussbereich des Planeten mühelos verlassen. Schwere Ionen und Moleküle hingegen wie etwa Kohlenstoff-Ionen müssten – wie auch auf der Erde oder dem Mars - eigentlich gebunden bleiben. Oder nicht?

Beim Vorbeiflug ist es nun erstmals gelungen, die SOHO-Messungen von 1996 in unmittelbarer Nähe zur Venus zu bestätigen. "Offenbar erhalten Kohlenstoff-Ionen in der Venus-Magnetosphäre genug Energie, um ins All zu entweichen", fasst MPS-Wissenschaftler Dr. Harald Krüger zusammen. Das zeigen Messungen der MPPE-Sensoren Mass Spectrum Analyzer (MSA) und Mercury Ion Analyzer (MIA), die Mitglieder des MPPE-Teams unter Leitung des Pariser Observatoriums jetzt vorgestellt haben. Vergleichbare Untersuchungen älterer Venus-Sonden - wie etwa Venus Express - waren nicht in der Lage gewesen, Kohlenstoff-Ionen von anderen Ionen und Molekülen mit ähnlichen Massen verlässlich zu unterscheiden. Erst die Instrumente von BepiColombo boten dafür jetzt die notwendige Massenauflösung.

"In der Atmosphäre der Venus ist offenbar eine komplexe Atmosphären-Chemie am Werk, die sich von der von Erde und Mars grundlegend unterscheidet", so Fränz. Neben den Kohlenstoff-Ionen fanden die Forscherinnen und Forscher zudem etwa dreimal so viele entweichende Sauerstoff-Ionen. Der Überschuss an Sauerstoff-Ionen deutet auf Wasser-Moleküle oder -Ionen als mögliche Quelle hin. Beim Vorbeiflug näherte sich BepiColombo der Venus von der Nachtseite. Dort ist die Venus-Magnetosphäre typischerweise schweifförmig langgezogen und ragt weit ins All hinaus. Die aktuellen Messungen gelangen in einem Abstand von etwa 36.000 Kilometern vom Planeten.

Diese Region hatte zuvor noch keine andere Weltraummission durchquert: Die Flugbahnen der ESA-Raumsonde Venus Express, die den Planeten ab 2006 etwa acht Jahre lang umrundete, führten auf der Nachtseite des Planeten näher an der Oberfläche vorbei; der in den späten 1970er Jahren gestartete Pioneer Venus Orbiter der NASA hielt hingegen einen größeren Abstand. Weitere Erkenntnisse zu den chemischen Reaktionen, die sich in der Atmosphäre der Venus abspielen, erhoffen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von künftigen Venus-Besuchern. Auf ihrem sehr langgestreckten Orbit um die Sonne wird die ESA-Raumsonde Solar Orbiter den Planeten in den nächsten Jahren mehrfach passieren; voraussichtlich in den 2030er Jahren startet zudem die ESA-Venus-Mission EnVision ins All.

Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Nature Astronomy veröffentlicht.

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siehe auch
SOFIA: Der atomare Sauerstoff in der Atmosphäre der Venus - 9. November 2023
Venus: Monophosphan als Hinweis auf Leben? - 14. September 2020
Venus Express: Auch Venus hat eine Ozonschicht - 10. Oktober 2011
Venus: Seltenes Molekül in Atmosphäre entdeckt - 12. Oktober 2007
Links im WWW

Hadid, L.Z. et al. (2024): BepiColombo observations of cold oxygen and carbon ions in the flank of the induced magnetosphere of Venus, Nat Astron, https://doi.org/10.1038/s41550-024-02247-2
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung
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