Start am ersten Weihnachtstag
von
Stefan Deiters astronews.com
24. Dezember 2021 (aktualisiert am 25. Dezember 2021)
Nach jahrelangen Verzögerungen könnte es am ersten
Weihnachtstag nun endlich soweit sein: Das James Webb Space Telescope, der
wissenschaftliche Nachfolger des Weltraumteleskops Hubble, soll mit einer
Ariane-5-Rakete ins All gebracht werden. Ein gelungener Start wäre für die
Astronomie das perfekte Weihnachtsgeschenk. Doch gleich danach beginnen
spannende vier Wochen.
Die Ariane-5-Rakete mit dem James Webb Space Telescope an Bord
auf der Startrampe des europäischen Weltraumbahnhofs in
Kourou.
Foto: NASA / Bill Ingalls [Großansicht] |
Weihnachten 2021 könnte für die Astronomie ein ganz besonderes Datum werden:
Genau wie der Start des Weltraumteleskops Hubble im April 1990 der
Beginn einer ganz neuen Ära der beobachtenden Astronomie war, könnte auch der
wissenschaftliche Nachfolger von Hubble, das James Webb Space Telescope,
die Wissenschaft revolutionieren. Nach vielen Verzögerungen ist der Start an
Bord einer Ariane-5-Rakete nun für den ersten Weihnachtstag geplant. Das
Startfenster, also der Zeitraum, in dem der Start durchgeführt werden kann, ist
von 13.20 bis 13.52 Uhr MEZ geöffnet.
Bei James Webb handelt es sich allerdings nicht um ein verbessertes
Hubble-Teleskop. Webb wird andere Beobachtungsschwerpunkte
haben, um die Arbeit von Hubble fortsetzen und vertiefen zu können: Das
Teleskop und seine Instrumente sind auf die Beobachtung im Infraroten ausgelegt,
um die Strahlung ferner Galaxien analysieren oder Wolken kosmischen Staubs
durchdringen zu können, die beispielsweise junge Sterne umgeben.
Anders als Hubble wird James Webb zudem nicht von einer
Erdumlaufbahn aus beobachten, sondern von einem 1,5 Millionen Kilometer von der
Umlaufbahn der Erde um die Sonne entfernten Orbit aus, dem sogenannten
Lagrange-Punkt L2, wo sich die Schwerkraft der Sonne und der Erde die Waage
halten. Das Teleskop und seine Instrumente werden dort, geschützt durch einen
riesigen Sonnenschild von der Größe eines Tennisplatzes, bei Temperaturen von
unter -233 Grad Celsius betrieben - dies ist nötig, um Infrarotstrahlung, also
"Wärmestrahlung", zuverlässig beobachten zu können und die Beobachtungen nicht durch
die Wärme des Teleskops zu beeinflussen. Im Gegensatz zu Hubble sind
Wartungsmissionen zum James-Webb-Weltraumteleskop nicht vorgesehen.
Das James-Webb-Weltraumteleskop verfügt über einen segmentierten Hauptspiegel
mit einem Durchmesser von insgesamt 6,5 Metern, womit ein neuer
Größenrekord für Weltraumteleskope aufgestellt werden wird. Dieser Spiegel
leitet die Lichtstrahlen an vier komplexe wissenschaftliche Instrumente weiter.
Doch diese Komplexität, insbesondere von Spiegel und Sonnenschutz, erforderte
Technologien, die nie zuvor unter Weltraumbedingungen getestet worden waren und
sorgte in den vergangenen Jahren nicht nur für Verzögerungen, sondern auch für
dramatisch höheren Kosten: Sie stiegen seit Beginn des Projekts von unter einer
Milliarde auf inzwischen rund zehn Milliarden US-Dollar.
Das Observatorium sollte eigentlich schon längst im All sein und den größten
Teil seiner Mission bereits hinter sich haben: Ursprünglich planten NASA und
Juniorpartner ESA nämlich einen Start im Jahr 2010. Das Teleskop soll
mindestens 5,5 Jahre im Einsatz sein, wobei alle auf eine deutlich längere Nutzungsdauer von zehn Jahren
hoffen. Begrenzender Faktor ist hier der Treibstoff, der nötig ist, um das
Teleskop in einem Orbit um den Lagrange-Punkt zu halten.
Gelingt der Start zu Weihnachten, beginnen für die Teams spannende Wochen:
James Webb wurde nämlich zusammengefaltet in der Ariane-5-Rakete verstaut:
Der gewaltige Spiegel und auch der Sonnenschutz müssen sich im All
entfalten. Dies soll im Laufe des ersten Monats nach dem Start auf dem Weg zum Einsatzort
passieren. Ist das Teleskop dort angekommen, sollte es also voll entfaltet sein,
so dass in der Zeit zwei bis drei Monate nach dem Start die Instrumente
eingeschaltet und anschließend getestet werden können. Im Sommer könnten dann die wissenschaftlichen Beobachtungen beginnen. Niemand
sollte also in den Wochen nach dem Start bereits die ersten Bilder erwarten.
ESA und NASA übertragen den Start von James Webb auf ihren Websites.
Natürlich werden wir auch diesen Artikel über die Weihnachtstage aktualisieren.
Update (25.12.2021, 14 Uhr): Das James Webb Space
Telescope ist heute um 13.20 Uhr erfolgreich gestartet. Alles verlief wie
geplant. Das Foto zeigt das Teleskop nach Abtrennung der Oberstufe. Es wurde von
einer Kamera gemacht, die sich auf der Oberstufe befindet. Kurze Zeit später
wurde das Solarzellenpaneel entfaltet und liefert bereits Strom. (Foto: NASA TV)
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