Rätsel um blaue Flecken scheint gelöst
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
14. Januar 2021
Die NASA-Sonde Dawn untersuchte den Zwergplaneten
Ceres mehrere Jahre lang aus dem Orbit. Bei den zahlreichen Messungen fielen
bestimmte Bereiche auf der Oberfläche auf, die ungewöhnlich blau erschienen,
ohne dass man dafür eine Erklärung finden konnte. Laborexperimente könnten nun
das Rätsel um die blauen Flecken von Ceres gelöst haben.

Falschfarbendarstellung der gesamten
Ceres-Oberfläche (Ausschnitt), auf der die blauen
Bereiche deutlich überbetont sind.
Bild: NASA / JPL-Caltech / UCLA / MPS / DLR /
IDA / PSI; S. Schröder et al. [Gesamtansicht] |
In diesen Tagen jährt sich die erste Entdeckung eines Asteroiden zum 220.
Mal. In der Nacht vom 1. auf den 2. Januar 1801 fiel Giuseppe Piazzi, dem Leiter
der Sternwarte von Palermo, an der Schulter des "Stiers" im gleichnamigen
Sternbild ein 'Stern' auf, dessen Position sich von Nacht zu Nacht änderte: Er
hatte Ceres entdeckt, den größten Körper im weiten Raum zwischen den Planeten
Mars und Jupiter.
Ceres, inzwischen zu einem Zwergplaneten "befördert", war nach dem Asteroiden
Vesta zwischen 2015 und 2018 das zweite Ziel der NASA-Mission Dawn. Auf
den Ceres-Bildern der deutschen Kamera an Bord des Orbiters und in den
Spektralmessungen fielen einige Stellen durch eine ungewöhnliche Blaufärbung
auf, deren Ursprung bis heute rätselhaft blieb. Laborexperimente eines Teams um
den DLR-Planetenforscher Dr. Stefan Schröder dürften das Rätsel nun gelöst
haben: Einschläge in der jüngeren Vergangenheit haben mit Eis gemischtes
Material an die Oberfläche befördert. Anschließend sublimierte das in der
Kristallstruktur von darin enthaltenen Tonmineralen eingelagerte Wassereis.
Zurück blieb ein feinporöser Staub, der aufgrund seiner 'schaumigen' Struktur
das Sonnenlicht bläulich reflektiert.
"Ceres hat keine Atmosphäre, deshalb ist Wassereis an der Oberfläche nicht
stabil und sublimiert rasch, geht also direkt von der festen Phase in die
gasförmige über", erläutert Schröder vom DLR-Institut für Planetenforschung. "Im
Labor konnten wir jetzt simulieren, was passiert, wenn Wassereis, das
beispielsweise durch Einschläge auf Ceres zunächst in die Kristallstruktur von
ganz bestimmten Mineralen eingebaut und an die Oberfläche verfrachtet wurde, von
dort ins All entweicht. Zurück bleibt auf Ceres eine feinporöse, fast schaumige
Staubschicht, die für die bläulich schimmernden Flächen an einigen jungen
Einschlagskratern verantwortlich ist."
Zu diesem Ergebnis kamen Schröder und seine Kollegen von der Universität
Grenoble und dem Institut für Astrophysik und Planetologie in Rom mit einem
Experiment. Dafür beobachteten sie im Labor unter Vakuumbedingungen und
Temperaturen wie im äußeren Asteroidengürtel über den Zeitraum von knapp einer
Woche wassereishaltiges Material, das jenem an den auffallend 'blauen' Stellen
von Ceres entspricht.
Der knapp tausend Kilometer große, fast kugelförmige Zwergplanet Ceres
umrundet die Sonne in Entfernungen zwischen 382 und 445 Millionen Kilometer auf
einer elliptischen Umlaufbahn nahe dem äußeren Rand des Asteroidengürtels. Im
Gegensatz zu den weiter innen kreisenden, fast ausschließlich 'felsigen'
Asteroiden enthalten die Kleinkörper am äußeren Rand des Asteroidengürtels einen
signifikanten Anteil an Wassereis. In der Kruste von Ceres könnten beträchtliche
Anteile davon gespeichert sein, die Schätzungen reichen von einem Zehntel bis
zur Hälfte des Volumens. Eis könnte also bereits wenige Meter unter der
Oberfläche anzutreffen sein.
Äußerlich unterscheidet sich Ceres nicht wesentlich von anderen
kraterübersäten Körpern. Sein Antlitz ähnelt der Rückseite des Mondes oder dem
zahlreicher eisiger Trabanten von Jupiter oder Saturn. Schon aus diesem Grund
waren zum einen außergewöhnlich helle, das Sonnenlicht stark reflektierende
Flächen in jungen Impaktkratern sowie blaue Flächen in deren Umgebung seit
Ankunft der Dawn-Raumsonde eines der am meisten diskutierten Phänomene
auf Ceres.
Helle Flächen wie beispielsweise im Krater Occator rühren von Mineralsalzen
her. Diese Erklärung greift jedoch nicht bei den blauen Flächen. Auffallend
'blaue' Spektren zeigte zum Beispiel ein mehrere tausend Quadratkilometer großes
Gebiet am vermutlich nur zwei Millionen Jahre jungen Krater Haulani. Ganz
offensichtlich führt jeder Impakt eines Körpers auf die Oberfläche von Ceres zu
einem Aufschmelzen von Eis in der Kruste und einem Durchmischen mit den
Mineralen im Regolith, der Staubschicht an der Oberfläche des Körpers.
Dawn-Spektralmessungen aus der Umlaufbahn haben gezeigt, dass an
diesen Stellen sogenannte Schicht- oder Phyllosilikate (von phyllos, griechisch
für Blatt) als wesentliche gesteinsbildende Minerale vorhanden sein müssten.
Auch Salze dürften in wässrigen Lösungen aus geschmolzenem Eis nach oben
gedrungen sein. Schichtsilikate sind auf der Erde als Glimmer weit verbreitet,
schwarzer Biotit oder hell schimmernder Muskovit in Granitgestein zum Beispiel.
Bei der Verwitterung von Basalt, dem häufigsten vulkanischen Gestein, entstehen
im Kontakt mit Wasser Tonminerale, wie etwa die Phyllosilikatgruppe der Smektite
(das Mineral Montmorillonit ist ein etwas bekannterer Vertreter). Solche
Schichtsilikate haben die Eigenschaft, dass sie durch die in ihnen enthaltene
Wassermoleküle quellen können, also ihr Volumen größer wird – das war der Ansatz
für das Laborexperiment der Planetenforscher.
In einen Probenbehälter füllten sie ein Smektit-Präparat, das
chemisch-mineralogisch und hinsichtlich seiner spektralen Eigenschaften (Farbe,
Helligkeit) dem Material auf der Oberfläche von Ceres sehr ähnlich ist. Beim
Experiment wurde die Probe im Labor des Instituts für Planetologie und
Astrophysik der Universität Grenoble für 133 Stunden einem Hochvakuum und tiefen
Temperaturen von minus 100 Grad Celsius wie bei Ceres ausgesetzt. Wie erwartet
sublimierte das Wassereis und entwich aus der Probe. Die Feinstruktur der
Schichtsilikate aber blieb erhalten und dabei blieb ein skelettartiges,
porenreiches Restsubstrat zurück. Wegen der mikroskopisch kleinen Hohlräume
vergrößerte sich das Volumen der blasigen, fast schaumartigen Struktur der
Mineralprobe sogar ganz erheblich.
Dabei veränderten sich auch dessen spektrale Eigenschaften: Das zuvor mehr
oder weniger kontinuierliche Spektrum, das dem 'weißen' Sonnenlicht mit seinen
Blau-, Grün- und Rotanteilen bis ins nahe Infrarot (Wärmestrahlung) entsprach,
zeigte nun deutliche Reflexionen der blauen Lichtanteile. "Das ist vergleichbar
mit dem Phänomen, dass uns der Himmel auf der Erde blau erscheint", erklärt
Stefan Schröder. "Das vergleichsweiße langwellige Sonnenlicht wird an den
winzigen Molekülen der Erdatmosphäre in Abhängigkeit von der Wellenlänge mehr
oder weniger stark gestreut. Die höherfrequenten Anteile des Lichts, die blauen
Wellenlängen, werden stärker gestreut, als die niederfrequenteren Anteile des
Lichts, die grünen und roten Wellenlängen. Als Folge davon erscheint uns der
Himmel blau. Ganz ähnlich findet dieser Effekt, auch 'Rayleigh-Streuung'
genannt, an den Hohlräumen der Schichtsilikate auf Ceres statt, aus denen das
Wasser entwichen ist."
Die Substanz reflektierte etwa 40 Prozent mehr Licht, was die auffallende
Helligkeit dieser Flächen auf Ceres erklärt, außerdem ist der Anteil von blauem
Licht deutlich höher. "Vermutlich sind es vor allem die winzigen Hohlräume und
die weniger als einen Mikrometer großen Filamente, durch die sie miteinander
verbunden sind, die eine Rayleigh-Streuung ermöglichen und wir deshalb mehr
Anteile des energiereicheren blauen Lichts reflektiert sehen", so Schröder. Die
Gebiete mit einem erhöhtem Anteil an reflektierten blauen Anteilen des Lichts
auf Ceres sind nicht so hell wie die weißen Flächen, deren Ursprung auf das
Empordringen von Mineralsalzen in Wasser-Eis-Gemischen, sogenannten 'Solen'
zurückgeht.
Das Experiment der Wissenschaftler mit der Simulation von
Sublimationsvorgängen im Oberflächenmaterial an jungen Kratern auf Ceres hat
gezeigt, dass das Verdampfen von Wasser aus Tonmineralen mikroskopisch der
Mechanismus ist, der die winzige Strukturen im Regolith erzeugt, die ursächlich
für die Blaufärbung sind: An den im Vergleich zur Wellenlänge des sichtbaren
Lichts und dem nahen Infrarot sehr viel kleineren Hohlräumen und ihrer
Verbindungen führt der Rayleigh-Effekt zur Blaufärbung des Mineralstaubs.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in der neuen Ausgabe von Nature
Communications.
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