Bislang alles nach Plan auf der Reise zu L2
von
Stefan Deiters astronews.com
30. Dezember 2021
Nach dem Bilderbuchstart des James Webb Space Telescope
am ersten Weihnachtstag läuft auch auf der Reise zum Lagrange-Punkt L2 bislang
alles nach Plan: Inzwischen sind die ersten Schritte zum Aufspannen des
gewaltigen Sonnenschutzes abgeschlossen. Durch den präzisen Start wurde zudem
Treibstoff eingespart, was einen längeren Betrieb erlauben könnte.
Künstlerische Darstellung des einsatzbereiten James Webb Space Telescope.
Bild: NASA GSFC / CIL / Adriana Manrique
Gutierrez [Großansicht] |
Für viele Weltraummissionen ist mit dem Start der riskanteste Teil der
Mission geschafft und die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
können sich auf die ersten Daten der Instrumente an Bord freuen. Beim James
Webb Space Telescope, das am ersten Weihnachtstag an Bord einer
Ariane-5-Rakete ins All gestartet war, ist das anders: Hier stellt der Start nur
ein vergleichsweise geringes Risiko dar - viel entscheidender ist es, dass sich
James Webb in den ersten Wochen nach dem Start auch wie vorgesehen
entfaltet. Gelingt dies nicht, ist die Mission gescheitert, da das Teleskop dann
nicht einsetzbar wäre.
Bislang aber verläuft auch dabei alles nach Plan: Inzwischen wurden die
ersten Verstrebungen des gewaltigen Sonnenschutzes ausgeklappt und auch der
Teleskopaufbau ausgefahren. In den kommenden Tagen kann nun der tennisplatzgroße
Sonnenschutz gespannt werden. Er ist für die Instrumente an Bord von
entscheidender Bedeutung, sorgt er doch dafür, dass auf der sonnenabgewandten
Seite des Teleskops so tiefe Temperaturen herrschen, dass empfindliche
Infrarotbeobachtungen möglich werden.
Bei James Webb handelt es sich nämlich nicht um ein verbessertes
Hubble-Teleskop. Webb soll vielmehr die Arbeit von Hubble fortsetzen und vertiefen,
die Instrumente sind daher auf die Beobachtung im Infraroten ausgelegt. So kann
die Strahlung ferner Galaxien analysiert werden oder Webb kann durch Wolken kosmischen Staubs
blicken und so junge Sterne sichtbar machen, die sich hier verbergen. Da es sich
bei Infrarotstrahlung aber um Wärmestrahlung handelt, muss das Teleskop
entsprechend kalt sein, damit es sich nicht selbst "beobachtet".
James Webb ist aktuell auf der Reise zu seinem Einsatzort in 1,5 Millionen Kilometer von der
Umlaufbahn der Erde um die Sonne, dem sogenannten
Lagrange-Punkt L2. Hier halten sich die Anziehungskräfte von Sonne und Erde die Waage.
Das Teleskop wird um diesen Punkt langsam kreisen. Da der Start mit der
Ariane 5 so präzise gelungen ist, dürften auf dem Weg dorthin weniger
Kurskorrekturen nötig sein als eigentlich eingeplant waren. Aus diesem Grund
steht mehr Treibstoff für den Betrieb des Teleskop am Einsatzort zur Verfügung,
so dass man aktuell davon ausgeht, dass die Missionsdauer deutlich über den zehn
Jahren liegen könnte, auf die man beim Start gehofft hat.
Ist das Spannen des Sonnenschutzes abgeschlossen, was am Wochenende der Fall
sein sollte, beginnt das Ausklappen des eigentlichen Teleskops mit seinem 6,5
Meter durchmessenden Spiegel. Dies sollte etwa 13 Tage nach dem Start, also am
Ende der kommenden Woche, abgeschlossen sein. Anschließend müssen dann die
einzelnen Spiegelsegmente noch eingestellt werden. 29,5 Tage nach dem Start soll
James Webb dann in einem sogenannten Halo-Orbit um den Lagrange-Punkt
L2 kreisen.
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