Endgültiger Abschied vom Rosetta-Lander
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
12. Februar 2016
Die Mission des kleinen Landers Philae, der im
November 2014 auf der Oberfläche
des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko landete, ist endgültig zu Ende. Das Team
am Landerkontrollzentrum in Köln rechnet nicht mehr mit einem Kontakt. Die
Mission wird trotzdem größtenteils als Erfolg gewertet. Im Sommer könnte
Rosetta vielleicht noch einmal Aufnahmen des Landers auf der Oberfläche
machen.

Künstlerische
Darstellung des Landers Philae auf der Oberfläche
des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko. Das Bild
entstand vor der Landung im November 2014. Sicher
ist, dass Philae in einer ganz anderen Umgebung
und Position landete.
Bild: ESA / ATG Medialab [Großansicht] |
Die zuletzt andauernde Funkstille hatte es bereits angedeutet: Ein Kontakt
mit Lander Philae wird immer unwahrscheinlicher, und die Bedingungen
für den Lander auf dem Kometen schlechter. "Die Chancen, dass Philae
noch einmal Kontakt zu unserem Team im Lander-Kontrollzentrum des DLR aufnimmt,
gehen leider gegen Null, und wir senden auch keine Kommandos mehr - es wäre sehr
überraschend, wenn wir jetzt noch ein Signal empfangen würden", sagt Philae-Projektleiter
Dr. Stephan Ulamec vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Für Philae bedeutet das, dass er zwar sehr wahrscheinlich eisfrei,
aber voraussichtlich mit Staub bedeckt an seinem schattigen Platz auf Komet 67P/Churuymov-Gerasimenko
in den ewigen Winterschlaf übergeht und sich in der Kälte nicht mehr
einschaltet. Die Sonde Rosetta der europäischen Weltraumorganisation
ESA wird hingegen noch bis September 2016 um den Kometen kreisen und weiterhin
mit ihren wissenschaftlichen Instrumenten Messungen durchführen.
Auch die Kommunikationseinheit auf Rosetta wird noch nicht
abgeschaltet - sie wird in den nächsten Monaten solange weiterhin auf Signale
des Landers horchen, bis die dafür notwendige Energie nicht mehr zur Verfügung
steht. "Es war eine einzigartige Mission mit Philae - es war nicht nur
das erste Mal, dass man jemals mit einem Lander auf einer Kometenoberfläche
aufgesetzt hat, wir haben auch faszinierende Daten erhalten, mit denen wir noch
viele Jahre arbeiten können", sagt Prof. Pascale Ehrenfreund,
Vorstandsvorsitzende des DLR und beteiligte Wissenschaftlerin an der Mission. "Rosetta
und Philae haben gezeigt, auf welch faszinierende Art und Weise die
Raumfahrt den menschlichen Horizont erweitern und die Öffentlichkeit Anteil an
unserer Forschung nehmen kann."
Am 12. November 2014 hatte Philae seine spektakuläre Landung
vollbracht - trotz eines Harpunensystems, das nach der zehnjährigen Reise durch
das Weltall nicht mehr funktionierte, mehrerer Hüpfer über den Kometen und eines
Standorts, mit dem niemand im Team gerechnet hatte. Weltweit verfolgten die
Menschen, ob die zuvor noch nie versuchte Landung auf einem Kometen glücken
würde. Schließlich konnten die Ingenieure und Wissenschaftler des DLR um 18.31
Uhr MEZ verkünden: Philae steht auf dem Kometen Churyumov-Gerasimenko,
510 Millionen Kilometer von der Erde entfernt - und kommuniziert mit der Erde.
Die Suchmaschine Google widmete sein Startbild dem Lander und ließ Philae
in ihrem Schriftzug anstelle des zweiten O seine drei filigranen Beine
ausstrecken. Zeitungen von Afrika bis Südamerika, von den USA bis nach Asien und
Australien vermeldeten die Nachricht der ersten Kometenlandung, in allen
Sprachen bestätigten Sprecher in den Nachrichtensendungen, dass Philae
tatsächlich sein Ziel erreicht hätte.
Währenddessen arbeitete das Team im Kontrollraum des DLR in Köln rund um die
Uhr, um die sorgfältig vorbereiteten Pläne an die neue Situation anzupassen und
an dem ungeplanten Standort mit Philae zu arbeiten. "Ich hatte schon
mit Interesse gerechnet", erinnert sich Ulamec. "Aber diese weltweite, riesige
und auch andauernde Begeisterung hat mich sehr positiv überrascht."
Mehr als 60 Stunden forschten die Wissenschaftler mit Philaes
Instrumenten, nahmen Fotos auf, schnüffelten nach Molekülen oder versuchten,
sich in den unerwartet harten Untergrund zu hämmern. Mit seinen aufgeladenen
Batterien konnte der Lander auch an seinem nur wenig von der Sonne beschienenen
Standort arbeiten. Alle gemessenen Daten konnte Philae sicher zur Erde
senden.
Nach dem Erreichen des sonnennächsten Punkt am 13. August 2015 verabschieden
sich Komet, Rosetta und Philae nun wieder aus dem Inneren des
Planetensystems: "Churyumov-Gerasimenko ist inzwischen wieder über 350 Millionen
Kilometer von der Sonne entfernt", erläutert Dr. Ekkehard Kührt,
Planetenforscher am DLR und zuständig für den wissenschaftlichen Anteil des DLR
an der Mission mit Rosetta und Philae. "In der Kometennacht
kann es jetzt bis unter minus 180 Grad Celsius kalt werden. Selbst am Tag bleibt
der gesamte Komet nun tiefgefroren."
Für einen Lander, der auf Temperaturen bis minus 50 Grad Celsius ausgelegt
ist, ist dies eine Umgebung, in der er nicht mehr arbeiten kann. Wäre er an
seinem ursprünglichen Landeplatz zur Ruhe gekommen und hätte sich dort im Boden
verankert, hätte er deutlich mehr Sonne zur Energieversorgung zur Verfügung
gehabt, wäre aber voraussichtlich im März 2015 bei der Annäherung an die Sonne
überhitzt.
"Dass Philae sich jetzt sehr wahrscheinlich nicht mehr melden wird,
liegt auch daran, dass seine Energie nicht mehr ausreicht und die Elektronik zu
kalt ist", so Ulamec. Auch in den letzten Monaten gab es keine Funksignale von
Philae. Sein Schweigen im August 2015 hatte jedoch einen anderen Grund:
Während des sonnennächsten Punktes befand sich die Rosetta-Sonde in
einer zu großen Entfernung, um Signale des Landers empfangen zu können und zur
Erde weiterzuleiten. "Es gab im vergangenen Jahr aber auch Zeiten, in den wir
nicht verstanden haben, warum Philae keinen Kontakt zu uns aufnimmt."
Philae meldete sich zwar am 13. Juni 2015 und sendete Daten über seinen
Gesundheitszustand. Insgesamt nahm er auch sieben weitere Male Kontakt zum
Bodenteam auf - doch blieb dies unregelmäßig und relativ unvorhersagbar. Am 9.
Juli 2015 sendete er zum letzten Mal Informationen. "Wir haben immer wieder
verschiedene Kommandos gesendet, um den Kontakt mit ihm zu stabilisieren und mit
den Instrumenten messen zu können, aber dies ist leider nicht gelungen." Die
Ingenieure des Projekts halten es für möglich, dass Kurzschlüsse an den Sendern
der Grund für die unregelmäßigen Kontakte und das anschließende Schweigen sein
könnte.
Ingenieure und Wissenschaftler ziehen dennoch eine größtenteils positive
Bilanz für die Mission mit dem Lander. "Einige Messungen konnten zwar leider
nicht wie geplant durchgeführt werden, aber insgesamt war Philae ein
Erfolg", betont DLR-Planetenforscher Kührt. "Wir sind in einer völlig
unbekannten Umgebung gelandet, haben erstmals wissenschaftliche Daten auf einer
Kometenoberfläche gesammelt und konnten mit diesen die Messungen des Orbiters
ergänzen."
Die Mission mit Rosetta und Philae habe gezeigt, dass die
Aktivität eines Kometen deutlich komplexer abläuft als gedacht. "Wir haben viele
neue Hinweise gewonnen, aber von einem endgültigen Verständnis sind wir noch
weit entfernt." Auch wenn die Arbeit mit Philae Wünsche offen gelassen
hat - beispielsweise die chemische Untersuchung einer Bodenprobe oder mehr Zeit
für wissenschaftliche Messungen: "Solche hochaufgelösten und spektakulären
Bilder wie von der ROLIS-Kamera, die unterhalb des Landers sitzt, sowie von der
Panoramakamera CIVA werden wir lange Zeit nicht mehr bekommen."
Außerdem wurden mit einem Massenspektrometer organische Moleküle auf der
Oberfläche gefunden und mit der Thermalsonde MUPUS sowie dem Seismometer SESAME
physikalische Eigenschaften der Kometenoberfläche bestimmt. Der Kometenkern
wurde von Sonde zu Lander mittels Radarstrahlen durchleuchtet, woraus
Erkenntnisse über seine Struktur gewonnen werden konnten. Ein messbares
Magnetfeld wies der Komet nicht auf. Viele Ergebnisse der Mission wurden
inzwischen in wissenschaftlichen Journalen publiziert. "Die Auswertung der Daten
wird jedoch noch über mehrere Jahre weitergehen", betont Kührt.
Mit der Rosetta-Mission wurden gleich mehrere Premieren im All
gefeiert: Noch nie begleitete eine Raumsonde einen Kometen auf seinem Weg um die
Sonne, noch nie landete ein Gerät auf einer Kometenoberfläche, um dort Messungen
durchzuführen. "Wenn man einen Vergleich mit anderen historischen Missionen
sucht, wären dies vielleicht die Viking-Mission, die zum ersten Mal
detaillierte Bilder vom Mars sendete, oder auch die Voyager-Sonden, die
einen Blick auf die großen Planeten unseres Sonnensystems ermöglichten", so
Ulamec. Die Landung mit Philae war zudem auch eine gute Lehrstunde:
"Wir können zukünftige Missionen besser an die Bedingungen auf einem Kometen
anpassen."
Die letzten Fotos von Philae wird es sehr wahrscheinlich im Sommer
2016 geben, wenn die Rosetta-Sonde in nahen Vorbeiflügen auf den Lander
blickt. "Wenn wir dann sehen, wie Philae positioniert ist, können wir
manche Daten wie die Messungen des Radar-Experiments CONSERT noch besser
interpretieren." In etwa sechs Jahren werden Philae und die
Rosetta-Sonde, die im September 2016 zum Abschluss der Mission auf dem Kometen
landen soll, zumindest wieder der Erde nahe sein - dann hat Komet
67P/Churyumov-Gerasimenko die Sonne ein weiteres Mal umrundet.
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