Lander Philae verzweifelt gesucht
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
11. Juni 2015
Noch immer fehlt jede Spur vom Lander Philae auf
der Oberfläche des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko. Den Landebereich
glaubt das Team auf eine 16 mal 160 Meter große Region eingrenzen zu können. Auf
den Bildern von Rosetta hat man Philae aber noch nicht
entdeckt. Seit knapp zwei Wochen lauschen die Wissenschaftler nun wieder auf ein
Signal des Landers.

Lander Philae wäre auf Aufnahmen der
OSIRIS-Kamera nur wenige Pixel groß. Bei mehreren
Bildern scheint der Lander abgebildet zu sein -
doch genauere Untersuchungen ließen die meisten
Kandidaten unter den Bildern durchfallen.
Bild: ESA /Rosetta / NAVCAM, ESA /
Rosetta / MPS für OSIRIS Team (MPS / UPD / LAM /
IAA / SSO / INTA / UPM / DASP / IDA) [Großansicht] |
Als am 15. November 2014 um 1.15 Uhr die Batterie leer war und Lander
Philae nach fast 60 Stunden Betrieb auf dem Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko
in Winterschlaf ging, tat er dies an einem Ort, mit dem niemand gerechnet hatte:
Philae war nach der ersten Landung abgeprallt und landete nach einigen
Hüpfern schließlich an seinem jetzigen Standort. Doch wo exakt der Lander nun
steht, konnte bis heute noch nicht herausgefunden werden.
"Wir konnten seinen aktuellen Standort bisher auf einen Bereich von 16 mal
160 Meter eingrenzen", erläutert Philae-Projektleiter Dr. Stephan Ulamec vom
Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Suche nach dem dreibeinigen
Landegerät auf den Aufnahmen der OSIRIS-Kamera erweist sich als schwierig, denn
Philae wäre selbst bei voller Beleuchtung durch die Sonne nur wenige
Pixel groß. Gleich auf mehreren Bildern könnte Philae zu sehen sein – oder auch
nicht.
Seit dem 30. Mai 2015 horchen die Ingenieure und Wissenschaftler des Lander-Kontrollzentrums
des DLR auch wieder auf Lebenszeichen ihres Landers. "Mit jedem Tag, den der
Komet näher in Richtung Sonne fliegt, steigen für Philae die Chancen,
dass er genug Energie und Wärme erhält."
Zwei Stunden dauerten am 12. November 2014 die Hüpfer, mit denen Philae
von seinem ursprünglichen Landeplatz Agilkia zu seinem etwa einen Kilometer
entfernten heutigen Landeplatz Abydos flog. Die Harpunen, mit denen Philae
sich hätte verankern sollen, feuerten nicht – und die Eisschrauben in seinen
Füßen konnten das Landegerät nicht ausreichend befestigen. Für das Team im
DLR-Kontrollraum fing nach der spektakulären Landung die Arbeit erst richtig an:
Fast 60 Stunden betrieben sie den Lander, kommandierten seine zehn Instrumente
an Bord und drehten ihn am Ende auch noch in Richtung Sonnenstrahlen.
Schon damals wusste man: Dort, wo er nun steht, ist es sehr schattig und
kalt. Die Sonne erreicht den Lander an jedem 12,4-Stunden-Kometentag nur für
knapp anderthalb Stunden. Die Thermalsonde MUPUS versuchte, sich in den Kometen
zu hämmern, stieß auf eine harte Eisschicht und konnte Temperaturen bis unter
minus 180 Grad Celsius messen.
"Die Aufnahmen der ROLIS- sowie der CIVA-Kamera zeigen uns außerdem eine eher
zerklüftete, schattige Umgebung, sehr wahrscheinlich steht der Lander auch ein
wenig schräg – aber die genaue Position von Philae konnten wir noch
nicht herausfinden", erläutert DLR-Wissenschaftler Ulamec.
Zumindest nach dem ersten Touchdown konnten Navigations- und OSIRIS-Kamera
der Sonde Rosetta noch Bilder von Philae über der
Kometenoberfläche aufnehmen. Kurz vor der letzten Landung blickte die
OSIRIS-Kamera auf die Hatmehit-Region auf dem Kopf des Kometen - und entdeckte
im sehr dunklen Schatten einen etwas weniger dunklen Punkt. Dieser zeigt den
Lander Philae oberhalb eines Kraterrandes direkt auf dem Kopf des
entenförmigen Kometen.
Das Landegerät hat allerdings einen Durchmesser von gerade einmal einem Meter
- auf den Aufnahmen der Kameras sind dies nur wenige helle Pixel. "Es ist extrem
schwierig, den Lander in dem unebenen Gelände zu orten und mit Sicherheit zu
sagen: Dort steht Philae", erläutert Dr. Ekkehard Kührt,
Planetenforscher am DLR und Mitglied des OSIRIS-Teams. "Hinzu kommt, dass sich
Rosetta aus Sicherheitsgründen wegen der zunehmenden Aktivität des
Kometen immer weiter von diesem entfernen muss."
Nur im peniblen Vergleich von Aufnahmen vor und nach der Landung könnte
Philae auf den Bildern entdeckt werden. Doch dazu müssten im Idealfall
Entfernung und Sonneneinstrahlung der zeitlich verschiedenen Aufnahmen identisch
sein. Und ist ein heller Punkt entdeckt, könnte dies beispielsweise auch die
Reflektion eines Geröllbrockens auf der Kometenoberfläche sein, die je nach
Sonnenstand im Bild erkennbar ist.
Zudem muss der Standort auch noch weitere Bedingungen erfüllen: Er muss mit
den rekonstruierten Flugbahnen des Landers übereinstimmen und zumindest nahe an
der mit dem CONSERT-Instrument bisher definierten Lande-Ellipse von 16 mal 160
Meter liegen. Für einige mögliche Philae-Entdeckungen auf OSIRIS-Bildern
waren diese Einschränkungen bereits das Ende - die genauere Analyse zeigte, dass
die hellen Pixel nicht Philae an seinem finalen Landeplatz zeigen
konnten.
Ein vielversprechender Kandidat unter den OSIRIS-Aufnahmen beispielsweise
könnte Philae etwas außerhalb der berechneten Lande-Ellipse zeigen.
Dabei verglichen Wissenschaftler des OSIRIS-Teams Bilder vom 22. Oktober 2014 –
also vor der Landung von Philae aufgenommen – mit Bildern vom 12. und
13. Dezember – also exakt einen Monat nach der Landung aufgenommen. Am 22.
Oktober 2015 betrug der Abstand etwa zehn Kilometer vom Kometenkern, im Dezember
etwa 20 Kilometer.
Das Ergebnis: Gleich auf zwei Aufnahmen im Dezember ist ein heller Fleck zu
sehen – und somit eventuell Philae. Simulationen des Deutschen Zentrums
für Luft- und Raumfahrt zeigen aber, dass Philae zum Zeitpunkt der Aufnahme am
13. Dezember 2014 nur wenig von der Sonne angeleuchtet wurde: "Die Sonne hat in
diesem Moment nicht die unteren Bereiche des Landers angestrahlt", erläutert
Valentina Lommatsch vom Lander-Kontrollraumteam des DLR. Somit wäre seine
Reflektion auch nur auf wenigen Pixeln der Aufnahme aus 20 Kilometern Entfernung
zu sehen.
Philaes exakter Standort könnte ermittelt werden, wenn der Lander
wieder aus seinem Winterschlaf aufwacht und weitere wissenschaftliche Daten
liefert. Dafür benötigt er mindestens fünf Watt sowie eine Betriebstemperatur
von über minus 45 Grad Celsius. Erst dann schaltet er sich selbständig in den
Betriebsmodus. Etwas mehr Energie, nämlich insgesamt 19 Watt, benötigt er, um
wieder mit dem DLR-Team am Boden kommunizieren zu können.
Damit die Kommunikationseinheit an Bord der Rosetta-Sonde aber auch
den Ruf von Philae hören und weiterleiten kann, muss die Konstellation der
beiden zueinander günstig sein. Zurzeit fliegt Rosetta in Abständen von
etwa 200 Kilometern um den Kometen.
Seitdem 67P/Churyumov-Gerasimenko immer aktiver wird und Gas- sowie
Staubfontänen ins All verströmt, ist der Flug für Rosetta noch
anspruchsvoller geworden. "Das Team am DLR-Lander-Kontrollzentrum hat sich in
den vergangenen Wochen auf den Betrieb von Philae und seiner
Instrumente vorbreitet – jetzt hoffen wir, dass er sich bei uns meldet", so
Ulamec.
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