Erste Ergebnisse von Lander Philae
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
17. November 2014
Dass der Lander Philae gegenwärtig im Ruhezustand
auf dem Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko steht, bedeutet nicht, dass das Lander-Team
arbeitslos ist: Die Wissenschaftler machten sich sofort an die Auswertung der
zahlreichen Daten, die Philae zur Erde übermittelt hat. Ein erster
Blick zeigt, dass der Komet etwas anders aussieht als angenommen.

Die Reise von Philae zur Oberfläche von 67P/Churyumov-Gerasimenko
durch die Augen von Rosettas Kamera OSIRIS bis
kurz nach der ersten Landung.
Bild: ESA / Rosetta / MPS für OSIRIS Team
(MPS / UPD / LAM / IAA / SSO / INTA / UPM / DASP
/ IDA) [Großansicht] |
Als Lander Philae am 15. November 2014 um 1.36 Uhr MEZ in den
Ruhezustand ging, hatte er mit Hilfe seiner Primärbatterie etliches geleistet:
Über 500 Millionen Kilometer entfernt von der Erde hatte das Mini-Labor mit zehn
Instrumenten an Bord nach der Atmosphäre geschnüffelt, gebohrt, gehämmert und
den Kometen durchleuchtet.
Dabei hatte er nach einer dreifachen Landung und einem neuen, ungeplanten
Standort nicht die günstigsten Voraussetzungen. Mehr als 60 Stunden arbeitete
Philae dennoch kontinuierlich und schickte bei jeder Funkverbindung Daten.
Gesteuert und kommandiert wurde er dabei aus dem Lander Control Center
(LCC) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Nun beginnt die
aufwendige Datenauswertung.
Mit den bisherigen Ergebnissen ist der wissenschaftliche Leiter des
DLR-Projekts, Dr. Ekkehard Kührt, sehr zufrieden. "Wir haben viele wertvolle
Daten gesammelt, die man nur in direkter Berührung mit dem Kometen erhalten
kann. Zusammen mit den Messungen der Rosetta-Sonde sind wir auf einem
guten Weg, Kometen besser zu verstehen. Ihre Oberflächeneigenschaften scheinen
ganz anders zu sein als bisher gedacht!"
Fest wie Eis ist 67P/Churyumov-Gerasimenko, schätzt das Team der Thermalsonde
MUPUS (Multi-Purpose Sensors for Surface and Sub-Surface Science), deren Sonde
sich in den Kometen hämmern sollte: "Obwohl die Leistung des Hammers stufenweise
erhöht wurde, konnten wir sie nicht tief in den Boden fahren", erläutert Prof.
Tilman Spohn vom DLR-Institut für Planetenforschung, der das Forscherteam der
Thermalsonde leitet.
Kurz nach der dreifachen Landung konnten die Wissenschaftler nur hoffen, dass
Lander Philae in einer Position aufsetzen würde, die das Hämmern erlauben würde.
Zum ersten Mal konnte mit MUPUS jedoch direkt auf einer Kometenoberfläche deren
Festigkeit untersucht werden - und 67P/Churyumov-Gerasimenko erwies sich
überraschenderweise als harter "Gegner". "Wir haben reiche Ernte eingefahren und
müssen diese Daten jetzt noch alle analysieren", betont Kometenforscher Spohn.
Lediglich die Thermalsensoren und Beschleunigungsmesser in den Ankern kamen
nicht zum Einsatz, da diese bei der Landung nicht ausgelöst wurden, um Philae
auf der Kometenoberfläche zu fixieren.
Auch das Team des SESAME-Experiments (Surface Electrical, Seismic and
Acoustic Monitoring Experiments) kann bereits jetzt bestätigen, dass 67P/Churyumov-Gerasimenko
bei weitem nicht so weich und fluffig ist, wie man es angenommen hatte. "Die
Festigkeit der Eisschicht unter einer Staubschicht am ersten Landeplatz ist
überraschend hoch", sagt Dr. Klaus Seidensticker vom DLR-Institut für
Planetenforschung.
Das Instrument CASSE, das in den Füßen des Landers sitzt, wurde bereits beim
ersten Abstieg eingeschaltet und registrierte deutlich die Landung beim ersten
Kontakt mit dem Kometen. Aus den weiteren Daten sollen die mechanischen
Eigenschaften von 67P/Churyumov-Gerasimenko abgeleitet werden. Zwei weitere
Instrumente von SESAME lassen auf eine derzeit noch geringe Aktivität des
Kometen an dieser Landestelle sowie auf eine größere Menge Wassereis unter dem
Lander schließen.
Als letzte der zehn Instrumente an Bord von Lander Philae wurde der
Bohrer SD2 aktiviert, der Bodenproben für die Instrumente COSAC und PTOLEMY zur
Verfügung stellen sollte. Sicher ist, dass der Bohrer ausgefahren wurde und alle
Arbeitsschritte abarbeitete, um eine Probe in den dafür vorgesehenen Ofen zu
transportieren. Auch COSAC funktionierte wie geplant. Nun müssen die
Wissenschaftler die gewonnen Daten analysieren, um herauszufinden, ob eine
Bodenprobe tatsächlich in ihrem Gas-Chromatographen untersucht wurde.
Geschehen soll dies in Zusammenarbeit mit mehreren Instrument-Teams: Hat
CASSE das Bohren gehört? Auf welche Bodenfestigkeit ist MUPUS beim Hämmern
gestoßen? Mit welcher Kraft kam Bohrer SD2 zum Einsatz? "Wir haben zurzeit noch
keine Informationen über Menge und Gewicht der Bodenprobe", sagt Dr. Fred
Goesmann vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Allerdings konnte
COSAC bereits nach der Landung die Atmosphäre "erschnüffeln" und die ersten
organischen Moleküle aufspüren. Die Analyse der Spektren und die Identifikation
der Moleküle laufen zurzeit.
Einer der großen "Gewinner" der Philae-Landung ist Dr. Stefano Mottoloa, der
für die Kamera ROLIS verantwortlich ist. Das Instrument an der Unterseite der
Kamera nahm bereits während des ersten Abstiegs Fotos auf, die den geplanten
Landeplatz Agilkia zeigen. Aber auch nach der dritten Landung konnte ROLIS
erneut aktiviert werden und Aufnahmen der Kometenoberfläche aus nächster Nähe
anfertigen. Somit liegen dem Team nun Daten für gleich zwei verschiedene
Standorte auf dem Kometen vor.
Auch für das Experiment CONSERT konnten reichlich Daten gewonnen werden:
Dabei befanden sich Lander und Orbiter auf unterschiedlichen Seiten des Kometen
und durchleuchteten gemeinsam den Kometenkern, um ein dreidimensionales Profil
des Kerns zu erstellen. Mit CONSERT-Messungen verabschiedete sich Philae
auch in den Winterschlaf, nachdem die Energie seiner Primärbatterie wie
berechnet erschöpft war. Diese Batterie war bereits in aufgeladenem Zustand mit
durchs All geflogen, um die erste wissenschaftliche Arbeitsphase
sicherzustellen.
"Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass Philae wieder Kontakt mit
uns aufnimmt und wir erneut die Instrumente betreiben können", sagt Lander-Projektleiter
Dr. Stephan Ulamec vom DLR. Hat sich die wieder aufladbare Sekundärbatterie des
Landers durch die Sonneneinstrahlung ausreichend aufgeladen, meldet sich
Philae selbstständig und das Team des Lander-Kontrollzentrums am DLR nimmt
seine Arbeit an den Steuerkonsolen erneut auf.
"Auf dem ersten Landeplatz hätten wir dazu natürlich bessere
Beleuchtungsbedingungen vorgefunden", sagt Ulamec. "Jetzt stehen wir etwas
schattiger und werden für das Aufladen länger benötigen." Ein Vorteil des
schattigeren Landeplatzes an einem Kraterrand: Lander Philae wird bei
der Annäherung an die Sonne nicht so schnell überhitzen, sondern von der
stärkeren Sonneneinstrahlung profitieren. Dafür drehte das Lander-Kontrollteam
Philae in der Nacht vom 14. auf den 15. November 2014, so dass dass größte
Solarpaneel nun in Richtung Sonne ausgerichtet ist.
Wahrscheinlich im Frühjahr 2015, so schätzt DLR-Wissenschaftler Ulamec, kann
das Lander-Kontrollzentrum des DLR wieder mit Philae kommunizieren und
eine kurze Rückmeldung erhalten, wie es dem Lander auf Churyumov-Gerasimenko
geht. Im Sommer 2015 könnte es dann auf dem Kometen Bedingungen geben, die es
Philae erlauben, seine Batterie aufzuladen. "Der Orbiter wird bei seinen
Überflügen auf Empfang sein und hören, sobald Philae wieder aus dem
Winterschlaf aufwacht."
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