Rosetta-Komet im Perihel
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
13. August 2015
Der Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko hat am Morgen, begleitet
von der Sonde Rosetta und mit dem Lander Philae auf seiner
Oberfläche, den sonnennächsten Punkt seiner Bahn passiert. Die Wissenschaftler
rechnen in den nächsten Wochen noch mit einer zunehmenden Aktivität des Kometen
und hoffen, bald wieder Kontakt zu Philae aufnehmen zu können.

Diese drei Bilder von Komet
67P/Churuymov-Gerasimenko nahm die OSIRIS-Kamera
an Bord der Rosetta-Sonde am 29. Juli 2015 auf.
Im ersten Bild - aufgenommen um 15.06 Uhr MESZ -
ist noch kein Gasausbruch zu sehen. 18 Minuten
später erfasst die Kamera eine gewaltige
Gasausströmung. Um 15.42 Uhr sieht man nur noch
schwache Überreste des Jets. Die Bilder wurden
aus 186 Kilometern Entfernung vom Kometen
aufgenommen.
Bild: ESA / Rosetta / MPS for OSIRIS Team
/ MPS / UPD / LAM / IAA / SSO / INTA / UPM / DASP
/ IDA [Großansicht] |
Schon seit Wochen wurde der Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko aktiver und
schleuderte immer mehr Gas und Staub ins All - doch den tatsächlich
sonnennächsten Punkt auf seiner Bahn, das Perihel, erreichte er heute Morgen
exakt um 4.03 Uhr MESZ. Anschließend wird er 6,5 Jahre benötigen, bis er auf
seiner nächsten Runde um die Sonne erneut dort ankommt.
"Aber selbst wenn der Komet der Sonne am nächsten ist, hat er noch einen
Abstand von über 185 Millionen Kilometer zu ihr, befindet sich also zwischen den
Bahnen von Erde und Mars", erläutert Kometenforscher Dr. Ekkehard Kührt vom
Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Erde ist beispielsweise nur
rund 150 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt.
Trotzdem wird es auf dem Kometen wegen der fehlenden Atmosphäre heißer werden
als auf der Erde: "Die maximale Temperatur von Churyumov-Gerasimenko, die
jahreszeitlich bedingt zurzeit in den südlichen Breiten auftritt, wird bei rund
80 Grad Celsius liegen." Da bringt es die Erde im amerikanischen Death Valley
auf einen Hitzerekord von gerade einmal 56,7 Grad Celsius. Und auch wenn
Churyumov-Gerasimenko kräftig an Masse verliert - die Gezeitenkräfte der Sonne
sind in dieser Entfernung viel zu schwach, als dass es den Kometen zerreißen
würde, wie es schon oft bei anderen Kometen in unmittelbarer Nähe zur Sonne oder
zu Jupiter passiert ist.
Immerhin: Einige hundert Kilogramm Kometenmasse verschwinden jetzt pro
Sekunde im All. Mit der Annäherung an die Sonne in den vergangenen Monaten
verdampfen die gefrorenen Bestandteile und reißen einigen Kometenstaub mit sich.
Am 29. Juli 2015 gelang es, mit den Instrumenten auf dem Orbiter Rosetta den
bisher gewaltigsten Gasausstrom aus 186 Kilometern Entfernung zu fotografieren
und zu analysieren.
Bei Bildern der OSIRIS-Kamera, aufgenommen in einem zeitlichen Abstand von
jeweils 18 Minuten, zeigt sich ein sogenannter "Jet", ein Gasausbruch, der
Kometenmaterial mit hoher Geschwindigkeit in den Weltraum schleudert. Das
Instrument ROSINA verzeichnete dabei eine Änderung in der Zusammensetzung der
Koma, der Hülle aus Staub und Gas rund um den Kometen: Im Vergleich zu Messungen
zwei Tage zuvor stellten die Wissenschaftler kurz nach der Gasausströmung die
zweifache Menge Kohlendioxid, die vierfache Menge Methan und die siebenfache
Menge Schwefelwasserstoff fest, während die Wasserdampfproduktion annähernd
konstant blieb.
14 Stunden nach dem Ausbruch prasselten auf das Messgerät GIADA rund 30
Staubteilchen am Tag ein - die zehnfache Menge an Teilchen im Vergleich zu
Messungen Anfang Juli 2015. Die Menge steigerte sich noch auf 70 Staubteilchen
innerhalb von vier Stunden am 1. August 2015. Sogar das Magnetfeld des
Sonnenwindes wurde durch diesen gewaltigen "Jet" für einige Minuten
zurückgedrängt.
"Vermutlich wird die Aktivität des Kometen in den Tagen nach dem Perihel noch
etwas zunehmen", sagt DLR-Kometenforscher Ekkehard Kührt. Zumindest wurde dies
bei früheren Periheldurchgängen von Churyumov-Gerasimenko und auch oft bei
anderen Kometen so beobachtet. "Es ist jetzt spannend zu sehen, wie sie sich in
den nächsten Tagen und Wochen entwickeln wird. Das hängt vor allem von der
Verteilung der Aktivitätsgebiete auf der Oberfläche im Zusammenhang mit den
Jahreszeiten ab." Als Rosetta vor einem Jahr im August 2014 am Kometen
Churyumov-Gerasimenko anlangte, war der noch über 500 Millionen Kilometer von
der Sonne entfernt und kaum aktiv. "Mit der Mission begleiten wir erstmals einen
Kometen und seine Entwicklung über so einen langen Zeitraum."
Der aktive Komet macht es als Staubschleuder derzeit aber auch der Raumsonde
Rosetta schwer, dicht an ihn heranzufliegen. Die Staubpartikel
irritieren die Sternsensoren des Orbiters und verursachen Probleme bei der
Navigation. Zum Perihel fliegt Rosetta daher in einer sicheren
Entfernung von rund 300 Kilometern von Churyumov-Gerasimenko. "Für manche
Instrumente auf dem Orbiter ist das ganz gut - zum Beispiel für das
Plasma-Messinstrument, bei manchen wie der Kamera OSIRIS wäre es schön, wenn man
dichter heranfliegen könnte." Doch in diesem Fall geben der ausgasende Komet und
das damit verbundene Risiko für Rosetta den Abstand vor.
Lander Philae reist auf der Kometenoberfläche natürlich mit zum
sonnennächsten Punkt, doch war die bisherige Flugbahn des Orbiters nicht günstig
für eine mögliche Kommunikation. "Der Orbiter, der für uns eine Art
Relaisstation zu Philae ist, ist über der südlichen Hemisphäre
geflogen, die besonders aktiv ist", erläutert DLR-Ingenieur Dr. Koen Geurts,
Technischer Manager für Lander Philae. "Ab dem 11. August befindet sich
Rosetta dann zumindest wieder in den Breiten, in denen eine Kommunikation mit
Philae möglich wäre."
Allerdings könnte die große Entfernung des Orbiters vom Kometen die
Kommunikation mit dem Lander erschweren. Philae hatte zuletzt am 9.
Juli 2015 Kontakt mit dem Team im DLR-Kontrollzentrum in Köln. Damit Philae
gegebenenfalls auch ohne Kontakt zu seinem Bodenteam mit der Arbeit beginnt,
haben die DLR-Ingenieure an ihrem Lander-Bodenmodell in Köln Kommandos getestet
und "blind" - ohne eine Empfangsbestätigung - an Philae geschickt.
Hat der Lander diese Kommandos empfangen und führt sie aus, misst er mit
verschiedenen Instrumenten und soll diese Daten dann bis zum nächsten Kontakt
speichern. Während des Perihels wird ihm dabei zumindest nicht zu warm: An
seinem Standort Abydos steht Philae schattig und kühl. "Lander und
Instrumente können mindestens 50 Grad Celsius aushalten", betont Koen Geurts vom
DLR. "Und diese Temperatur wird an Abydos nicht überschritten werden."
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