Hangrutschungen und instabile Kraterwände
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
26. August 2015
Das Team der NASA-Sonde Dawn hat gestern erste
Aufnahmen aus dem nur 1.470 Kilometer von der Oberfläche entfernten Orbit um den
Zwergplaneten Ceres veröffentlicht. Die Bilder zeigen zahlreiche neue Details
der eigentümlichen Landschaft, darunter einen pyramidenförmigen Berg mit
ungewöhnlichen Hangrutschungen und Krater mit instabilen Wänden.

Pyramidenförmigen Berg auf Ceres zwischen
den Kratern Kirnis, Rongo und Yalode.
[Großansicht]

Der Gaue-Krater aus Ceres.
[Großansicht]

Das Innere des Urvara-Kraters auf Ceres. [Großansicht]
Bilder: NASA / JPL-Caltech / UCLA / MPS /
DLR / IDA |
Je dichter die NASA-Sonde Dawn mit ihrer Kamera an Bord über dem
Zwergplaneten Ceres fliegt, desto rätselhafter - und somit spannender - scheint
der Himmelskörper. "Einiges, was wir sehen, haben wir so noch nirgendwo sonst im
Sonnensystem entdeckt", sagt Prof. Ralf Jaumann vom Deutschen Zentrum für Luft-
und Raumfahrt (DLR). "Außer auf der Erde - da gibt es ja fast alles."
Mittlerweile blickt Dawn aus nur noch 1.470 Kilometern Entfernung
auf die Oberfläche von Ceres hinunter. Die ersten, gestern veröffentlichten
Bilder aus dem so genannten HAMO-Orbit (High Altitude Mapping Orbit) zeigen eine
"Pyramide" mit ungewöhnlichen Hangrutschungen, instabile Kraterwände und
Gebirgsketten. "Über vieles können wir derzeit nur spekulieren." Woher die
hellen Streifen entlang des pyramidenförmigen Bergs stammen oder auch ob der
Boden des Zwergplaneten aus unterschiedlichem Material besteht, sind Fragen, auf
die die Planetenforscher noch Antworten suchen.
Drei Mal näher als im vorherigen Orbit und mit einer Auflösung von 140 Metern
pro Bildpunkt nimmt die Kamera bereits interessante Details auf. "Wir blicken
unter anderem von oben auf einen pyramidenförmigen, sechs Kilometer hohen Berg,
der auf einer Seite helle Streifen zeigt." Etwa zehn bis zwölf Kilometer beträgt
der Durchmesser der "Pyramide", die auf der südlichen Hemisphäre zwischen den
Kratern Kirnis, Rongo und Yalode steht: "Der Berg muss bei seiner beträchtlichen
Höhe also immens steile Hänge haben."
Dennoch liegt am Berg-Fuß kaum Geröll. In direkter Nachbarschaft liegt ein
Einschlagskrater, der bis an die Flanken des Berges reicht. "Vermutlich ist der
Berg jünger als der Krater, aber um das genau festzustellen, müssen wir auf die
Aufnahmen aus dem nächstniedrigeren Orbit warten und auf Daten des
Spektrometers, das das Material der Oberfläche bestimmen soll."
Aufnahmen des Gaue-Kraters, benannt nach einer deutschen Göttin, zeigen, dass
dieser zum Teil über einem kleineren und älteren Krater liegt. "Der Gaue-Krater
hat an einer seiner Seiten viele Materialrutschungen zum Kraterinneren hin - die
Wände sind also eher instabil", deutet Jaumann die ersten Aufnahmen aus 1.470
Kilometern Entfernung von der Oberfläche des Zwergplaneten. "Und in der Mitte
selbst gab es wahrscheinlich auch Veränderungen, denn diese scheint sehr eben zu
sein."
Vergleicht man die Krater auf dem Zwergplaneten beispielsweise mit Kratern
auf einem Gesteinskörper wie dem Mond, wird deutlich, dass die Kruste von Ceres
nicht so stabil sein kann. Eine mögliche Erklärung für die ebene Fläche im
Kraterinneren: Ehemals geschmolzenes Material könnte den Krater gefüllt haben.
"Auf jeden Fall muss dort nach der Bildung des Kraters noch einiges passiert
sein."
Auch die Detailaufnahme aus dem Inneren des Uvara-Kraters zeigen Strukturen,
die Fragen aufwerfen. Neben einer Bergkette sind feine Risse zu sehen, aber auch
erneut Rutschungen am Kraterrand. "Dort scheint das Material in großen Blöcken
abgebrochen und in Richtung Kraterinneres gerutscht zu sein." Die ungewöhnlich
glatte Ebene hat sich wohlmöglich durch die Ablagerung von feinem Material, das
vermutlich einmal geschmolzen war, gebildet. "Dies sind natürlich nur erste
Vermutungen, über die wir im Missionsteam diskutieren werden", so Jaumann.
Jeweils elf Tage benötigt die Raumsonde Dawn, um die gesamte
Oberfläche des Zwergplaneten zu erfassen und die Aufnahmen zur Erde zu senden -
insgesamt sechs Mal soll dies geschehen, bevor sie dann in zwei Monaten diesen
Orbit verlässt. Ende Oktober fliegt Dawn dann bis Ende Januar 2016 in
ihren letzten und niedrigsten Orbit, in dem sie dann in 375 Kilometern Höhe um
den Himmelskörper kreist. Während des Absinkens setzt die Raumsonde ihre
Ionentriebwerke ein, für die Kamera bedeutet dies eine zweimonatige
Arbeitspause. Nach dem Ende der Mission wird Dawn dann stabil in diesem Orbit
weiterhin um Ceres kreisen - in sicherem Abstand, so dass der Zwergplanet nicht
durch irdische Mikroben verunreinigt werden kann.
Zurzeit arbeiten die Forscher des DLR-Instituts für Planetenforschung an
einem dreidimensionalen Geländemodell des Zwergplaneten, das mit den Bilddaten
aus dem vorhergehenden Beobachtungsorbit aus 4.400 Kilometern Entfernung
erstellt wird. "Mit den Bildern aus dem aktuellen Orbit verfeinern wir dann
dieses 3D-Modell - das heißt, wir vermessen unter anderem wie hoch und wie groß
die unterschiedlichen Strukturen auf dem Zwergplaneten Ceres sind." Dann steht
die Lösung etlicher Rätsel an, hofft Jaumann: "Wir wollen unter anderem gerne
herausfinden, warum die Ebenen so flach sind oder auch wie sich die Pyramide
gebildet hat."
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