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Daten von Zwerggalaxien passen nicht zur MOND-Theorie
Redaktion
/ Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam astronews.com
29. Oktober 2025
Die deutliche Mehrheit der Forschenden in der Astronomie
hält die Existenz von Dunkler Materie für nötig, um bestimmte Beobachtungen
erklären zu können. Manche allerdings suchen nach alternativen Modellen und
bringen beispielsweise ein modifiziertes Gravitationsgesetz ins Spiel. Nun
zeigen Daten von Zwerggalaxien, dass dieses die Beobachtungen nicht erklären
kann.

In Spiralgalaxien wie M 33 (links) ist der
Zusammenhang zwischen sichtbarer Materie und
Gravitationsbeschleunigung bekannt. Schwache Zwerggalaxien wie
Eridanus II (rechts) weisen geringere Beschleunigungen auf.
Bild: ESO / DSS2 (D. De
Martin); DES (S.E. Koposov), Montage AIP ( M. P. Júlio) [Großansicht] |
Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Leibniz-Instituts
für Astrophysik Potsdam (AIP) hat Licht in eine seit Jahrzehnten andauernde
Debatte darüber gebracht, warum Galaxien sich schneller drehen als erwartet –
und ob dieses Verhalten durch unsichtbare Dunkle Materie oder durch einen
Zusammenbruch der Gravitation auf kosmischen Skalen verursacht wird. Zusammen
mit Forschenden der University of Surrey und der University of Bath
in Großbritannien, der Nanjing University in China, der
University of Porto in Portugal, der Leiden University in den
Niederlanden und der Lund University in Schweden wurden die Daten zur
Sterngeschwindigkeit von zwölf der kleinsten und lichtschwächsten Galaxien im
Universum analysiert, um konkurrierende Theorien zu überprüfen. Darunter
befindet sich auch die Modifizierte Newtonsche Dynamik (MOND) – eine alternative
Theorie, die erstmals in den 1980er Jahren vorgeschlagen wurde und davon
ausgeht, dass sich die Gesetze der Schwerkraft bei sehr geringen
Beschleunigungen, und daher auf sehr großen Skalen, ändern, wodurch die
Notwendigkeit von Dunkler Materie vollständig entfällt.
In der jetzt vorgestellten Studie kommt das Team zum Ergebnis, dass die
Gravitationsfelder im Inneren der Galaxien nicht allein durch sichtbare Materie
erklärt werden können und dass die Vorhersagen des MOND-Modells das beobachtete
Verhalten nicht reproduzieren. Anschließend verglichen die Forschenden ihre
Ergebnisse mit theoretischen Modellen, die stattdessen davon ausgehen, dass
diese Galaxien von einem massereichen Halo aus Dunkler Materie umgeben sind.
Diese Modelle zur Dunklen Materie wurden mit dem britischen DiRAC National
Supercomputer berechnet und lieferten eine viel höhere Übereinstimmung mit den
Daten.
"Die kleinsten Zwerggalaxien standen lange Zeit im Widerspruch zu den
allgemeinen Vorhersagen der MOND-Theorie, aber die Diskrepanz ließ sich
plausibel durch Messunsicherheiten oder durch eine Anpassung der MOND-Theorie
erklären", erklärt Mariana Júlio, Doktorandin am Leibniz-Institut für
Astrophysik Potsdam (AIP) und Hauptautorin der Studie. "Zum ersten Mal konnten
wir die Gravitationsbeschleunigung von Sternen in den lichtschwächsten Galaxien
bei unterschiedlichen Radien nun auflösen und so ihre innere Dynamik detailliert
aufzeigen. Sowohl die Beobachtungen, als auch unsere EDGE-Simulationen zeigen,
dass das Gravitationsfeld dieser Galaxien nicht allein durch ihre sichtbare
Materie bestimmt werden kann, was den Vorhersagen der modifizierten Gravitation
widerspricht. Diese Erkenntnis untermauert die Notwendigkeit der Existenz von
Dunkler Materie und bringt uns ihrem Verständnis einen Schritt näher."
Die Studie stellt auch eine seit langem bestehende Annahme über das
Verhalten von Galaxien infrage: Astronominnen und Astronomen gingen lange Zeit
davon aus, dass es einen einfachen Zusammenhang zwischen der Menge der
sichtbaren Materie in einer Galaxie und der Stärke ihrer Anziehungskraft gibt –
bekannt als "radiale Beschleunigungsbeziehung". Während diese Beziehung für
größere Systeme nach wie vor gilt, zeigt die neue Studie, dass sie in den
kleinsten Galaxien nicht mehr zutrifft. "Unsere neue Studie verändert das Bild
völlig: Dank besserer Daten und einer tiefergehenden Analyse konnten wir die
radial aufgelösten Profile der Zwerggalaxien ermitteln", erklärt Dr. Marcel
Pawlowski vom AIP. "Unsere Ergebnisse bestätigen frühere Vermutungen, dass
Zwerggalaxien sich anders verhalten als erwartet – basierend auf den
Beobachtungen massereicherer Galaxien. Sie folgen nicht der extrapolierten
radialen Beschleunigungsrelation, sondern zeigen höhere Beschleunigungen oder –
im Modell der Dunklen Materie – eine größere Menge an fehlender Masse."
In einigen Fällen kann dieselbe Menge sichtbarer Materie sehr
unterschiedliche Gravitationsbeschleunigungen erzeugen, was darauf hindeutet,
dass ein unsichtbarer Faktor – sehr wahrscheinlich die Dunkle Materie – ihr
Verhalten beeinflusst. "Neue Daten und Modellierungstechniken ermöglichen es
uns, das Gravitationsfeld in kleinerem Maßstab als je zuvor abzubilden, und dies
gibt uns neue Einblicke in die seltsame, scheinbar unsichtbare Substanz, aus der
der größte Teil der Masse des Universums besteht", erläutert Professor Justin
Read von der University of Surrey. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass die
Informationen, die wir allein aus dem, was wir sehen können, gewinnen, nicht
ausreichen, um die Stärke des Gravitationsfeldes in den kleinsten Galaxien zu
bestimmen. Dieses Ergebnis lässt sich erklären, wenn diese Galaxien von einem
unsichtbaren Halo aus Dunkler Materie umgeben sind, da die Dunkle Materie die
'fehlenden Informationen' enthält. Aber die MOND-Theorien – zumindest die bisher
vorgeschlagenen – verlangen, dass das Gravitationsfeld nur durch das bestimmt
wird, was wir sehen. Das scheint einfach nicht zu funktionieren."
Die Ergebnisse geben zwar keinen Aufschluss darüber, woraus Dunkle Materie
besteht, schränken jedoch den Spielraum für alternative Erklärungen ein.
Zukünftige Beobachtungen noch schwächerer und weiter entfernter Galaxien werden
dazu beitragen, genauer zu bestimmen, was die Dunkle Materie letztendlich ist.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erscheinen wird.
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