Überraschendes vom Asteroiden Vesta
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) astronews.com
16. September 2011
Unterschiedliche Einschlagkrater, Täler, Canyons und Berge, die zu den
höchsten im Sonnensystem gehören - die dreidimensionalen Aufnahmen, die
Wissenschaftler des DLR mit Hilfe des Kamerasystems an Bord der
NASA-Sonde Dawn vom Asteroiden Vesta erstellt haben, zeigen
einen Himmelskörper, der für das Team so manche Überraschung bereithält.
Blick auf die Südpolarregion von Vesta. Die
Aufnahme entstand aus einer Entfernung von etwa
2.700 Kilometern, die Auflösung beträgt 260 Meter
pro Pixel.
Bild: NASA / JPL-Caltech / UCLA / MPS /
DLR / IDA [Großansicht] |
Mit den aktuellen dreidimensionalen Bildern, die den gesamten
Asteroiden zeigen, wird vor allem eines sehr deutlich: Vesta bietet für
die Wissenschaftler des Dawn-Teams so manche Herausforderung.
"Vesta hat uns völlig überrascht", sagt Prof. Ralf Jaumann vom
DLR-Institut für Planetenforschung. "Wir erkennen zum Beispiel in der
Südpolregion einen enorm großen Einschlagkrater, wie wir ihn bisher so
noch nie gesehen haben". Form und Struktur des Kraters würden sich von
allen anderen Einschlägen, die Wissenschaftler im Sonnensystem bereits
untersucht haben, unterscheiden. "Wir können diesen Krater mit nichts
vergleichen und können noch nicht erklären, was genau passiert ist."
Eine weitere entscheidende Frage der Planetenforscher: Gab es auf dem
Asteroiden Vesta Vulkanismus? Die unzähligen Einschläge machen es den
Wissenschaftler dabei nicht einfach. "Der Vulkanismus versteckt sich
unter aufgeworfenem Material, und die Herausforderung ist nun, die
vulkanischen Ablagerungen aufzuspüren", erklärt Jaumann. So könnte das
dunkle Material, das einige der dreidimensionalen Aufnahmen in der Nähe
der Krater zeigt, den Wissenschaftlern Auskunft über möglichen
Vulkanismus geben. Es könnte aber auch von den einschlagenden Körpern
selbst stammen - dann muss die Suche nach dem Vulkanismus weitergehen.
Sollte für diese Details eine Erklärung gefunden werden, wären die
Wissenschaftler dem Ziel der Dawn-Mission um einiges näher. Der
Asteroid soll nämlich Aufschluss über die Geburt unseres Sonnensystems
geben. Als sich vor 4,56 Milliarden Jahren die Planeten formten, sorgte
Jupiter mit seiner Schwerkraft dafür, dass in einem 200 Millionen
Kilometer breiten Korridor keine großen Körper entstanden. Das Ergebnis
war der Asteroidengürtel mit seinen unvollendeten Planeten - und dazu
gehört auch Vesta, der nach seiner Entstehung vermutlich kurzzeitig
geschmolzen war, sich nach seiner frühen Abkühlung aber chemisch nicht
mehr verändert hat.
Die Raumsonde Dawn besucht somit einen Himmelskörper, der
erstmals einen Blick in die früheste Zeit des Sonnensystems erlaubt. "Auf
der dynamischen Erde sind alle Spuren aus der Frühzeit des Sonnensystems
verschwunden, die Entstehung des Mondes reicht nicht so weit zurück, und
der Mars ist schon zu verwittert, um Rückschlüsse zu ziehen", so Jaumann.
"Vesta aber bietet uns den Schlüssel zum diesem Wissen."
Ein erster Schritt hin zu diesem Wissen sind die 3D-Modelle, die die
DLR-Planetengeologen aus den Aufnahmen der Kamera berechnen. Die dritte
Dimension, das heißt die Berücksichtigung von Höhen, ermöglicht es, den
Asteroiden genauer zu erforschen - und sorgt auch für Überraschung bei
den Wissenschaftlern: "Wir hatten nicht mit einer derart komplexen
Geologie gerechnet. Allein die Topografie mit Höhenunterschieden von bis
zu 20 Kilometern spricht für eine gewaltige Dynamik der
Oberflächengestaltung, ebenso wie die Unterschiedlichkeit und Vielfalt
der Einschlagkrater, die Täler und Canyons, die Vesta umspannen, und die
großen Helligkeitsunterschiede des Oberflächenmaterials", erläutert Jaumann. "Es wird noch Anstrengung und Zeit erfordern, um die
Geheimnisse von Vesta zu entschlüsseln.
Dank der hervorragenden Daten der Dawn-Mission ist es jedoch
bereits gelungen, die kartographische Voraussetzung für diese
weiterführenden Untersuchung von Vesta zu schaffen."
So haben die
Wissenschaftler nicht nur bereits die Rotationsachse des Asteroiden
bestimmt, sondern auch einen Nullmeridian festgelegt. Damit konnte ein
einheitliches Koordinatensystem erstellt werden, in dem Vesta - wie die
Erde - in ein Netz von Längen- und Breitengraden eingeteilt wird.
Kontinuierlich werden neu gewonnene Daten, die die Dawn-Sonde
bei ihren Überflügen aufzeichnet, in das bestehende Kartenwerk
hineingerechnet.
"Voraussetzung für die Kartierung von Vesta ist ein hervorragendes
Kamerasystem, das in Deutschland unter der Leitung des
Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung entwickelt wurde. Damit
ist es nicht nur gelungen, die Dawn-Raumsonde sicher zur Vesta
und in dessen Umlaufbahn zu navigieren, sondern auch Bilder der
Oberfläche mit außergewöhnlicher Präzision aufzunehmen", erklärt Dr.
Andreas Nathues vom Max-Planck-Institut für Sonnensysteme und Leiter des
Kamera-Teams. "Zum Verständnis der Entstehungs- und
Entwicklungsgeschichte der Vesta ist es auch notwendig, die stark
ausgeprägten Farbvariationen der Oberfläche zu untersuchen, welche
Rückschlüsse auf deren Zusammensetzung erlauben. Mit diesen komplexen
Untersuchungen haben wir nun begonnen."
Im Juli 2012 wird die Reise für die Raumsonde Dawn und das
deutsche Kamerasystem an Bord weitergehen. Während Vesta ein so
genannter "trockener" Asteroid ist, dessen leichte Bestandsteile durch
die Nähe zur Sonne verdampft sind, ist das zweite Ziel das genaue
Gegenteil: Der Asteroid Ceres, den Dawn im Februar 2015 ansteuert, soll
einen Wasseranteil von 15 bis 25 Prozent aufweisen - und gilt somit als
"nasser" Asteroid. Auch dort soll mit der Kamera die Oberfläche des
Asteroiden aufgezeichnet und ein Atlas des Ceres erstellt werden.
"Asteroiden sind Zeugen der Entstehung unseres Sonnensystems und daher
für die Forschung von besonders großem Interesse. Vesta und der zu den
Kleinplaneten zählende Asteroid Ceres sind die größten Körper im
Asteroidengürtel und Bindeglieder zwischen den kleinen Bausteinen des
Sonnensystems zu den erdähnlichen Planeten. Mit Dawn werden wir zum
ersten Mal zwei Asteroiden aus der nächsten Umgebung so intensiv
erforschen können", freut sich Prof. Dr. Tilman Spohn, Direktor des
DLR-Instituts für Planetenforschung. "Für das DLR ist Dawn
einer der wichtigsten Teile unseres Programms zur Erforschung der
Asteroiden und eine der bedeutendsten Kooperationen mit der NASA und
amerikanischen Forscherkollegen. Die ersten Ergebnisse bestätigen eine
immer wieder gemachte Beobachtung: Es ist nie so, wie wir uns das
gedacht haben, bevor wir wirklich vor Ort waren."
Für die Wissenschaftler der internationalen Dawn-Mission
bedeuten die bisher gewonnenen Daten zurzeit vor allem eines: "Es geht
jetzt darum zu verstehen, was wir auf dem Asteroiden Vesta sehen", so
Jaumann.
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