Erste Beobachtungen mit Teleskop-Array
von Stefan Deiters astronews.com
4. Oktober 2011
Das wohl komplexeste erdgebundene Observatorium der Welt,
das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA), hat gestern
offiziell seinen Betrieb aufgenommen. Zwar sind bislang nur rund ein Drittel der
geplanten 66 Radioantennen des Systems in der Atacama-Wüste aufgestellt, doch
liefert ALMA schon jetzt eindrucksvolle Ansichten aus dem All.
Die Antennen-Galaxien in einer kombinierten
Aufnahme von Hubble (blau) und ALMA (rot, pink,
gelb). Während Hubble im sichtbaren Bereich des
Lichts die neugeborenen Sterne sichtbar macht,
zeigt ALMA die dichten Wolken aus Gas und Staub,
in denen neue Sterne entstehen. Bild:
ALMA (ESO/NAOJ/NRAO) / Hubble, NASA/ESA [Großansicht] |
Das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA)
ist sicherlich eines der eindrucksvollsten Teleskopeinrichtungen der Erde: Auf
der chilenischen Chajnantor-Hochebene, rund 5.000 Meter über dem Meeresspiegel,
entsteht derzeit ein Array aus insgesamt 66 Radioantennen, die mit einem Abstand
von bis zu 16 Kilometern aufgestellt werden können, um gemeinsam äußerst
detaillierte Beobachtungen im Radio- und Submillimeterbereich zu machen (astronews.com
berichtete). Gegenwärtig sind rund ein Drittel der Antennen montiert. Obwohl der
Maximalabstand der Antennen zurzeit nur 125 Meter betragen kann, haben
Astronomen dem jetzt erfolgten Beginn der wissenschaftlichen Beobachtungen mit
ALMA entgegengefiebert.
Das hat einen einfachen Grund: "Sogar in dieser frühen Phase liefert ALMA
bessere Resultate als alle anderen Submillimeter-Arrays", erläutert Tim de Zeeuw,
der Generaldirektor der europäischen Südsternwarte ESO, die der europäische
Partner bei ALMA ist. "Dass dieser Meilenstein nun erreicht ist, ist nur den
Bemühungen vielen Wissenschaftler und Ingenieure in den ALMA-Partnerregionen auf
der ganzen Welt zu verdanken." ALMA ist eine internationale Kooperation mit
Partnern aus Europa, Nordamerika, Asien und Chile.
ALMA beobachtet das Universum im Millimeter- und Submillimeter-Bereich. Dabei
handelt es sich um Wellenlängen, die grob 1.000-mal länger sind, als die des
sichtbaren Lichts. ALMA lässt uns damit Phänomene erkennen, die wir mit bloßem
Auge gar nicht sehen können, die aber wichtige Informationen über die
Geschehnisse in einem Objekt liefern. So lassen sich mit ALMA beispielsweise
sehr kalte Objekte untersuchen, wie etwa dichte Wolken aus Gas und Staub, in
denen Sterne und Planeten entstehen, aber auch entfernte Objekte im frühen
Universum. ALMA beobachtet dabei nicht mit einer einzelnen Antenne, sondern mit
mehreren Empfängern, die zu einem riesigen Teleskop zusammengeschaltet werden.
Das gestern von der ESO veröffentlichte erste Bild von ALMA zeigt die
bekannten Antennen-Galaxien. Es basiert auf Beobachtungen mit nur zwölf
Antennen, die zudem noch deutlich näher beieinander standen als im
wissenschaftlichen Beobachtungsbetrieb. Das Bild gibt also, so die ESO,
lediglich einen Vorgeschmack auf das, was einmal von ALMA zu erwarten sein wird,
wenn mehr und auf einer größeren Fläche verteilte Antennen zur Verfügung stehen
werden.
Bei den Antennen-Galaxien handelt es sich um zwei kollidierende Galaxien, die
durch diesen kosmischen Verkehrsunfall eine sehr eigentümliche Form bekommen
haben. Im sichtbaren Bereich des Lichts sind die Sterne der Galaxien zu
erkennen. ALMA hingegen macht die dichten kalten Gaswolken sichtbar, aus denen
neue Sterne entstehen können. Die Aufnahme ist die bislang beste Beobachtung der
Antennen-Galaxien im Submillimeter-Bereich.
In den ersten neun Monaten wissenschaftlicher Beobachtung mit ALMA können nur
etwa 100 Projekte durchgeführt werden. Wie begehrt das neue Teleskop ist, zeigt
sich schon daran, dass für diesen Zeitraum über 900 Anträge auf Beobachtungszeit
eingingen. Zu den beim Auswahlverfahren erfolgreichen Projekten zählt die
Beobachtung des Sterns AU Microscopii, bei dem nach Hinweisen auf die beginnende
Entstehung von Planeten gesucht werden soll. Um den jungen Stern waren schon
früher Indizien auf eine Staubscheibe entdeckt worden (astronews.com
berichtete).
Andere Astronomen wollen ALMA in den kommenden Monaten nutzen, um mehr über
die unmittelbare Umgebung des supermassereichen Schwarzen Lochs im Zentrum
unserer Milchstraße zu erfahren oder über entfernte Galaxien, in denen gerade
mit einer hohen Rate neue Sterne entstehen, wie etwa das mysteriöse Objekt
Himiko, über das astronews.com auch schon berichtet hat.
Parallel zum Wissenschaftsbetrieb geht der Bau von ALMA weiter: 2013 sollen
schließlich alle 66 Antennen aufgestellt sein, die dann ein bis zu 16 Kilometer
durchmessendes Array bilden können. Unser
heutiges Bild des Tages zeigt eine Ansicht von ALMA mit 19 Antennen.
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