Mysteriöser Klecks im All
von Stefan Deiters astronews.com
23. April 2009
Astronomen haben mit Hilfe zahlreicher Teleskope ein
mysteriöses Objekt aufgespürt, das wir zu einer Zeit sehen, in der unser
Universum gerade einmal 800 Millionen Jahre alt war. Es hat mit 55.000
Lichtjahren gewaltige Ausmaße für diese Epoche und die Forscher rätseln bislang
um was es sich handeln könnte. Einen Namen haben sie für den Klecks im All aber
schon: Himiko.

Falschfarbenaufnahme von Himiko. Der weiße
Balken unten entspricht 10.000 Lichtjahren.
Bild: Carnegie Institution for Science /
M. Ouchi et al. |
Auch die besten Teleskope der Welt konnten bislang nicht viel
mehr, als die Existenz eines merkwürdigen Kleckses bestätigen, den wir wegen
seiner großen Entfernung zu einer Zeit sehen, in der unser Universum gerade
einmal 800 Millionen Jahre alt war. Solche Objekte sind - in anderen
Entfernungen - im Grunde genommen nichts Ungewöhnliches und werden von den
Astronomen Lyman-Alpha Blobs, also Lyman-Alpha Kleckse, genannt. Es dürfte sich
dabei um gewaltige Ansammlungen von Gas handeln, die Vorläufer einer Galaxie
sein könnten. Das jetzt entdeckte Objekt ist allerdings außergewöhnlich: Mit
einem Durchmesser von 55.000 Lichtjahren ist es das größte Objekte dieser Art,
das in dieser Epoche entdeckt wurde. Der Klecks bekam von den Forschern den
Namen Himiko, nach einer sagenumwobenen japanischen Königin.
Himiko ist eines der am weitesten entfernten Objekte, die ja beobachtet
wurden und das macht die Untersuchung des Kleckses so schwierig: Himiko ist
einfach zu leuchtschwach, um mehr über seinen Ursprung herausfinden zu können.
So könnte es sich um ionisiertes Gas in der Nähe eines supermassereichen
Schwarzen Lochs, eine Galaxie in ihrer Frühphase, die Kollision von zwei großen
jungen Galaxien oder um einen sogenannten Superwind handeln, der von einem
Sternentstehungsgebiet ausgeht. Oder es könnte auch eine einzelne Galaxie mit
einer Masse sein, die etwa der 40 Milliarden-fachen Masse unserer Sonne
entspricht.
"Je weiter wir ins All hinausschauen, desto weiter in die Vergangenheit
blicken wir", erläutert Masami Ouchi von der Sternwarte der Carnegie
Institution for Science in Washington, der ein internationales
Beobachterteam leitete. "Ich bin äußerst überrascht von dieser Entdeckung und
hätte es niemals für möglich gehalten, dass ein so großes Objekt so früh im
Universum existieren kann. Nach dem allgemeinen Modell sollten sich zunächst
kleine Objekte bilden und dann durch Verschmelzungen immer größere Systeme
entstehen. Dieser Klecks hat aber die Größe einer Galaxie in unserem heutigen
Universum zu einem Zeitpunkt als das Weltall gerade einmal sechs Prozent seines
heutigen Alters hatte."
Ausgedehnte Kleckse wie Himiko wurden zuvor typischerweise in Entfernungen
entdeckt, die einem zwei bis drei Milliarden Jahre alten Universum entsprechen.
In noch größerer Entfernung waren bislang keine dieser Kleckse entdeckt worden.
Himiko existierte offenbar bereits zu einem Zeitpunkt, der in die sogenannte
Reionisationsphase des Universums fällt. Diese datieren die Forscher auf die
Zeit von 200 Millionen bis etwa eine Milliarde Jahre nach dem Urknall. Damals
entstanden aus neutralem Wasserstoff die ersten Sterne und Galaxien.
Himiko fiel den Astronomen erstmals als einer von 207 Kandidaten für
entfernte Galaxien auf, die bei einer Himmelsdurchmusterung im Sternbild
Walfisch mit dem Subaru-Teleskop identifiziert worden waren.
Anschließend wurden Spektren aufgenommen, um die Entfernung der Objekte zu
bestimmen. Himiko stellte sich dabei als außerordentlich hell und groß für eine
entfernte Galaxie heraus. "Wir zögerten zunächst unsere wertvolle
Beobachtungszeit für dieses merkwürdige Objekt zu verschwenden. Wir haben nicht
damit gerechnet, dass es sich wirklich um ein so weit entferntes Objekt handelt,
sondern hielten es für ein Vordergrundobjekt, das aus Versehen in unsere
Galaxienauswahl geraten war", erinnert sich Ouchi. "Aber wir haben es dann doch
untersucht und das Spektrum zeigte eine charakteristische Wasserstoffsignatur,
die eindeutig auf eine Entfernung von 12,9 Milliarden Lichtjahren schließen
ließ."
Zahlreiche weitere Teleskope wurden dann auf Himiko angesetzt: das
Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer, das europäische Röntgenteleskop
XMM-Newton, das Radioteleskop Very Large Array und das United
Kingdom Infrared Telescope. "Wir fanden so heraus, dass die stellare Masse von Himiko etwa eine Größenordnung über der anderer Objekte zu jener Zeit liegt,
konnten aber nicht feststellen, ob sich im Zentrum ein massereiches und wachsendes Schwarzes Loch befindet", so James Dunlop vom Royal Observatory
im schottischen Edinburgh.
"Was Himiko so rätselhaft macht ist, dass es so außergewöhnlich ist", meint
Alan Dressler von der Carnegie Institution. "Wenn dieses Objekt zu einer
Klasse gehört, die Vorgänger der heutigen Galaxien waren, hätte man schon früher
kleinere Objekte dieser Art finden müssen, also etwa eine gleichmäßige
Verteilung. Aber weil das Objekt bislang einzigartig ist, kann man es nur sehr
schlecht in unsere Modelle der Galaxienentstehung und -entwicklung einpassen.
Aber gerade dies macht es ja auch so interessant." Die Astronomen berichten über
ihre Entdeckung in der am 10. Mai erscheinenden Ausgabe der Fachzeitschrift
The Astrophysical Journal.
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