Experimente und eine Mondfinsternis
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
14. August 2018
Rund zwei Monate lebt und arbeitet der deutsche
ESA-Astronaut Alexander Gerst nun auf der Internationalen Raumstation ISS.
Während einige Experimente seiner horizons-Mission noch in den
Startlöchern stehen, liefern andere Versuche bereits wissenschaftliche
Ergebnisse. Ein Höhepunkt war bislang die Beobachtung der totalen Mondfinsternis aus dem
All.

Am 27. Juli 2018 fand die längste totale
Mondfinsternis des 21. Jahrhunderts statt. Von
der Internationalen Raumstation aus hatten die
Astronauten die beste Sicht auf das Schauspiel.
Bilder von dem Ereignis hat der deutsche
ESA-Astronaut auf seinem Twitter-Account
veröffentlicht.
Foto: Alexander Gerst [Großansicht] |
Am 27. Juli ereignete sich ein Naturschauspiel der besonderen Art: Die
längste totale Mondfinsternis des 21. Jahrhunderts hielt die Menschen auf der
Erde in Atem. Ein paar Glückliche hatten jedoch einen Logenplatz: Die Besatzung
der ISS hatte wohl die beste Sicht auf das spektakuläre Ereignis. Einen Eindruck
davon vermittelten die Bilder von Alexander Gerst. "Gerade ein Foto der
Mondfinsternis von der Internationalen Raumstation aus gemacht. Schwierig
einzufangen. Der leichte Blaustich kommt von der Atmosphäre, kurz bevor der Mond
darin 'untergetaucht' ist", kommentierte der deutsche ESA-Astronaut die
Aufnahmen auf seinem Twitter-Account.
Das FLUMIAS-Experiment, mit dem erstmals Bilder von lebenden Zellen in hoher
Auflösung und in Echtzeit auf der ISS erstellt werden können, wurde in das
"TangoLab-2" im amerikanischen Segment der Raumstation eingebaut und ab dem 3.
Juli zehn Tage lang betrieben. In dieser Zeit hat die Anlage insgesamt 1,2
Terabyte Daten erzeugt. Es wurden sowohl Test-Bilder von fixierten Zellen
aufgenommen, als auch von lebenden Zellen, um den Einfluss der Schwerelosigkeit
auf das Zellskelett zu erforschen.
"Während der Mission wurden täglich Überblicksbilder zur Erde geschickt",
berichtet Dr. Catharina Carstens, bei der DLR Raumfahrtagentur zuständig für das
FLUMIAS-Experiment. "So konnte das Projektteam die Funktionsfähigkeit des
Mikroskops überprüfen und war außerdem in der Lage, den Zustand der Zellen zu
beurteilen und Experimenteinstellungen zu verändern." Am 16. Juli wurde FLUMIAS
final abgeschaltet. Am 1. August wurde die Anlage ausgebaut und in die
Dragon-Kapsel verbracht, mit der sie am 3. August zur Erde zurückgekehrt
ist.
Glück im Unglück hatten die Wissenschaftler beim Planetensimulator MagVector/MFX-2,
der Wechselwirkungen des Erdmagnetfeldes untersucht: Bereits im Juni hatte die
US-amerikanische Astronautin Serena-Aunon Chancellor die Anlage um zwei neue
Sensorboxen mit jeweils 16 Sensoren ergänzt. Am 2. Juli wurde die Anlage in
Betrieb genommen und mit der Untersuchung der Proben, die vom DLR-Institut für
Planetenforschung in Berlin-Adlershof wissenschaftlich betreut werden, begonnen.
Nach einem gelungenen Start der Experimentreihe gab es jedoch eine Anomalie,
bei der ein Teil der Sensordaten nicht mehr aufgezeichnet werden konnte. Durch
den Austausch des Boot-Sticks und einen erfolgreichen Reparatur-Eingriff von
Alexander Gerst konnte dieses Problem jedoch schnell behoben werden. Inzwischen
wurden weitere Proben erfolgreich untersucht, und die Experimente laufen wieder
nominal - wenn auch mit kürzerer Dauer. "Wir sind froh, dass der Fehler so
schnell behoben werden konnte", erklärt Volker Schmid, horizons-Missionsmanager
im DLR. "Die Messungen müssen bald abgeschlossen werden, da die NASA die
Kühlwasser- und Vakuumanschlüsse von MFX dann anderweitig benötigt."
Das Cold Atom Laboratory (CAL) der US-amerikanischen Weltraumbehörde
NASA wurde Ende Mai im Destiny-Modul der ISS installiert. Die Anlage,
mit der ultrakalte Quantengase untersucht werden sollen, befindet sich jetzt in
der Phase der Inbetriebnahme. Inzwischen konnten die Projektwissenschaftler
bestätigen, dass in der Anlage ultrakalte Wolken aus Rubidiumatomen erzeugt
werden können. Diese sogenannten Bose-Einstein-Kondensate weisen Temperaturen
von nur 100 Nanokelvin auf, also ein zehnmillionstel Kelvin über dem absoluten
Temperaturnullpunkt. Ab September soll der wissenschaftliche Betrieb starten, an
dem auch deutsche Wissenschaftler der Universitäten Ulm und Hannover beteiligt
sein werden.
Ebenfalls bereit für eine neue Experimentserie ist das
Plasmakristall-Experiment PK-4. Es untersucht komplexe Plasmen - also elektrisch
leitende Gase, die mit Mikropartikeln angereichert wurden - unter
Schwerelosigkeit. Hiervon erhoffen sich die Wissenschaftler grundlegende
Erkenntnisse zur Festkörper- und Flüssigkeitsphysik, die auch in
wirtschaftlichen Anwendungen, wie der Produktion von Mikrochips, sowie Antriebs-
und Ventilflüssigkeiten, eingesetzt werden könnten.
Ein Hardwareupgrade, das mit einem Progress-Frachter zur ISS
gebracht worden war, konnte nun in die Anlage eingebaut werden. Erste
Funktionstests verliefen erfolgreich, so dass die nächste Experimentserie wie
geplant beginnen kann. "Die Wissenschaftler haben lange auf dieses Upgrade
gewartet und sind nun sehr glücklich über die ersten Test-Resultate", sagt Dr.
Pascal Heintzmann, PK-4-Projektleiter in der DLR Raumfahrtagentur, und ergänzt:
"Sie erhoffen sich damit eine erhebliche Qualitätsverbesserung für die künftigen
Untersuchungen."
Die ESA Experimentanlage "Soft-Matter-Dynamics" wurde im Juni 2018 mit einer
Dragon-Kapsel zur ISS transportiert und am 19. Juli im Columbus-Modul
installiert. Die Anlage wurde zusammen mit den für Granulat-Experimente
entwickelten CompGran-Messzellen in der letzten Juliwoche in Betrieb genommen.
In dieser Anlage soll das Verhalten von Granulaten ohne den störenden Einfluss
der Gravitation untersucht werden. Dafür sind bis Mitte November insgesamt vier
Messkampagnen von je einer Woche Dauer geplant. In der Industrie könnten die
Erkenntnisse etwa zur Prozessoptimierung von Schüttgütern wie Kohlenstaub, Mehl
oder Getreide eingesetzt werden.
"Start frei" hieß es auch für das ARISE-Experiment, das am 16. Juli zum
ersten Mal eingeschaltet wurde. Mit dem Experiment, das Studierende der
Universität Duisburg-Essen beim Überflieger-Wettbewerb der DLR Raumfahrtagentur
eingereicht hatten, soll der Prozess der Planetenentstehung erforscht werden. Um
diese Vorgänge zu simulieren, werden winzige Glaskugeln in einer transparenten
Kammer geschüttelt und der Austausch der elektrostatischen Ladungen mit einer
Kamera beobachtet. Die Inbetriebnahme verlief problemlos, und auch die ersten
Experimentläufe waren erfolgreich.
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