Die Strahlenbelastung von Astronauten
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
13. Juli 2018
Eine der größten Gefahren für Astronauten ist die kosmische
Strahlung, der sie im All ausgesetzt sind. Sogar auf der vergleichsweise gut
abgeschirmten ISS ist die Belastung um das Zweihundertfache höher als auf der
Erde. Im Rahmen der Mission horizons des deutschen Astronauten
Alexander Gerst wurden auf die ISS nun spezielle Messgeräte installiert.

Diese kleinen Messgeräte wurden von Alexander
Gerst auf der ISS verteilt. Sie messen die
Strahlungsbelastung während seines Aufenthaltes.
Foto: ESA, A. Gerst, CC BY-SA 3.0 IGO [Großansicht] |
Seit über einem Monat ist der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst auf der
Internationalen Raumstation ISS und führt Experimente durch, die ihm
Wissenschaftler mit ins All geschickt haben. In dieser Woche legte er unter
anderem zwei kleine Tracking-Geräte an, mit denen Forscher des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) seine Bewegungsspur verfolgen können.
Eine Technologie, mit der Menschen im All aber auch in Bergwerken und anderen
schwer zugänglichen Bereichen, geortet werden können. Zudem hat Gerst
Strahlungsmessgeräte mit ins All genommen. Sie überwachen die Belastungen, denen
die Astronauten ausgesetzt sind und warnen gegebenenfalls.
30 Minuten lang verfolgt das Experiment Wireless Compose am 12. Juli
2018 den deutschen ESA- Astronauten Alexander Gerst bei seinen Bewegungen im
Columbus-Labor auf der Internationalen Raumstation ISS. Das autonom arbeitende
System zur Indoor-Ortung bietet Möglichkeiten, Menschen oder auch robotische
Systeme an schwer zugänglichen Orten oder bei Langzeitmissionen in der Raumfahrt
zu verfolgen, um sie bei Gefahren schnell zu orten und zu retten.
Auf der ISS schaltet Gerst für das Experiment zunächst alle fünf sogenannten
Anchor-Motes im Columbus-Labor ein. Die kleinen, zirka zehn Zentimeter
großen Kästchen empfangen das Signal des mobilen Trackingeräts und sind die
Fixpunkte (Anchor) für die Berechnung der Position. Dann folgt eine kurze
Schrecksekunde für Christian Strowik vom DLR-Institut für Raumfahrtsysteme in
Bremen, einem der beiden PIs (Principal Investigator) des Experiments: Zwei
Anchor-Motes zeigen eine Fehlfunktion an. "Gut möglich, dass die
Photovoltaikzellen nicht genügend Storm bieten, dann schaltet das Gerät auf
Batteriebetrieb, das dauert einige Sekunden", hofft er.
Gerst schwebt ein zweites Mal zu den Anchor-Motes und gibt Entwarnung: Alle
Geräte zeigen grünes Licht an. Jetzt legt der Astronaut das mobile Trackinggerät
an, eines ans Fußgelenk und eines an den Oberarm. Für zirka 30 Minuten werden
die Wissenschaftler nun seine Bewegungsdaten erfassen, Gerst arbeitet in dieser
Zeit seinen normalen Aufgabenplan ab, in diesem Fall Wartungsarbeiten im
Columbus-Labor. "Unser Ziel ist es, die Bewegungen von Alex Gerst auf der
ISS im dreidimensionalen Raum genau nachzuvollziehen. Mit unserem Experiment
verfolgen wir nicht nur den Ort, an dem er sich befindet, wir kennen auch die
Beschleunigung und Rotation seiner Bewegungen", beschreibt Strowik das
Experiment.
Für die drahtlose Datenübertragung auf der ISS nutzen die Forscher das
sogenannte Ultrawideband, das einen sehr breiten, insgesamt 500 Megahertz weiten
Frequenzbereich abdeckt. Das Ultrawideband wird häufig für Indoor-Kommunikation
genutzt, weil es aufgrund seiner geringen spektralen Leistungsdichte andere
Frequenzbereiche nicht stört und innerhalb der ISS unempfindlich gegenüber
Reflektionen ist. Nach 35 Minuten legt Gerst das Trackinggerät wieder ab und
schwebt zu allen fünf Anchor-Motes, um sie wieder umzuschalten.
Mit dem nächsten Datenpaket werden die Daten von der ISS zur Erde gefunkt und
für die beiden DLR-Wissenschaftler beginnt die Auswertung. Neben dem Tracking
von Menschen oder Gegenständen kann das System langfristig auch als
Inventarisierungshilfe eingesetzt werden: "Die Entwicklung steht noch am Anfang,
zukünftige Geräte werden viel leichter und kleiner sein. Gegenstände, die damit
ausgestattet sind, können ihre Position senden und automatisch inventarisiert
werden", sagt Martin Drobczyk, ebenfalls PI des Experiments. Neben der ISS wird
das System derzeit auch im EDEN-ISS-Gewächshaus des DLR in der Antarktis
getestet.
Mit dem Experiment DOSIS 3D überwachen Dr. Thomas Berger und sein Team vom
DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin kontinuierlich die Dosis kosmischer
Strahlung, denen die Astronauten auf der ISS ausgesetzt sind. Gerst hat die
insgesamt elf Päckchen mit den Strahlungsmessgeräten für seine Mission mit
seinem Sojus-Raumschiff am 8. Juni 2018 zur ISS gebracht. Bereits drei
Tage später, am 11 Juni, verteilte er die fünf Mal fünf Zentimeter großen,
orangefarbenen Messgeräte im Columbus-Labor, die hier mit
Klettverschlüssen an Ort und Stelle gehalten werden.
Die Strahlenbelastung im All ist um ein Vielfaches höher als auf der Erde. Um
die Dosis der hochenergetischen Teilchenstrahlung bei Langzeit-Mission besser
einschätzen zu können, wird die Strahlung im Columbus-Labor seit 2009
durchgängig gemessen, so dass Berger bereits auf einen Langzeit-Datensatz
zurückgreifen kann: "Im Durchschnitt messen wir in Columbus eine
Strahlenbelastung von 700 μSievert pro Tag, das ist mehr als das
Zweihundertfache im Vergleich zu der Dosis am Boden. Dabei ist die Abschirmung
auf der ISS schon wesentlich besser als in der Vergangenheit bei
Space-Shuttle-Missionen oder auf der russischen MIR-Station."
Seit den Anfängen der Raumfahrt ist die Erfassung der Strahlenbelastung vor
allem bei bemannten Missionen unverzichtbarer Bestandteil jedes
Wissenschaftsprogramms. In den vergangenen Jahrzehnten wurden für die Raumfahrt
unterschiedliche passive und aktive Strahlungsmessgeräte entwickelt. Die
langjährige Erfahrung des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin hat bei
diesen Entwicklungen eine entscheidende Rolle gespielt. Passive Dosimeter
liefern einen über die Zeit summierten Wert der Strahlung, aktive messen
aktuelle Expositionsraten.
"Die aktiven Messgeräte warnen die Crew im Falle eines solaren
Teilchenereignisses, bei dem die Strahlungsbelastung plötzlich stark ansteigen
kann. Dann müssten sich die Astronauten für eine bestimmte Zeit in besser
abgeschirmte Bereiche der ISS zurückziehen", beschreibt Berger.
Gemeinsam mit der Firma ThinkSpace haben Berger und sein Team ein Tool
entwickelt, mit dem auf einer Website die Werte der einzelnen DOSIS-Messgeräte
interaktiv - ähnlich wie bei Google Street View - abgerufen werden können. "Wir
sind das erste Experiment, das seine Messergebnisse so einer breiten
Öffentlichkeit leicht zugänglich macht. Ziel ist, dass noch viel mehr Daten zu
Experimenten auf der ISS auf diese Weise abgerufen werden können."
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