Kollidierende Neutronensterne im Computer
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik astronews.com
11. April 2011
Sie sind faszinierend und geben den Astronomen seit Jahren Rätsel auf: Jene kurzen Blitze im Gammalicht, die binnen
Sekundenbruchteilen mehr Energie freisetzen als unsere Galaxie mit ihren 200 Milliarden
Sternen in zwölf Monaten. Doch was steckt hinter diesen Ausbrüchen? Mit Hilfe
einer aufwendigen Computersimulation kamen Wissenschaftler nun hinter das
Geheimnis einiger dieser Blitze.

Zwei Neutronensterne verschmelzen innerhalb von
Millisekunden zu einem Schwarzen Loch. Dabei
bildet sich ein starkes Magnetfeld entlang der
Rotationsachse und erzeugt einen Jet, der
ultraheiße Materie ins All schleudert. In diesem
Jet können Blitze im Gammalicht entstehen. Bild:
NASA/AEI/ZIB/M. Koppitz und L. Rezzolla
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Die erste Beobachtung eines Gammastrahlenausbruchs war Zufall: Ende der 1960er-Jahre
entdeckte ein amerikanischer Spionagesatellit auf der Suche nach oberirdischen
Atombombenversuchen den ersten Gamma-ray Burst (GBR). Er kam allerdings nicht von der
Erde, sondern aus dem Weltall. Von 1991 bis zu seinem Absturz im Juni 2000 registrierte der US-amerikanische
Satellit Compton täglich etwa einen GBR - die Ursache dieser gewaltigsten
Explosionen im Universum blieb jedoch weitgehend im Dunkeln.
Verschmelzende Neutronensterne galten zwar als heiße Kandidaten, die Wissenschaftler
verstanden aber nicht, wie aus dem chaotischen Zustand nach der Verschmelzung dieser etwa 20
Kilometer großen, extrem dicht gepackten Kugeln ein entlang der Rotationsachse orientierter
Gasstrom (ein sogenannter Jet) entstehen soll. Der Jet aber ist Voraussetzung für das Auftreten von
Gammastrahlenausbrüchen. Wie kann die treibende Kraft hinter dem Prozess diese Ordnung
schaffen und solch enorme Energien freisetzen? Für die kurzen Gammastrahlenblitze mit einer Dauer von bis zu drei Sekunden haben Luciano
Rezzolla, Leiter der Gruppe Numerische Relativitätstheorie am Max-Planck-Institut für
Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut / AEI) und seine Kollegen in einer internationalen
Kooperation nun eine Erklärung gefunden: Das Team hat die Einsteingleichungen und die
Gleichungen der Magnetohydrodynamik für zwei zu einem Schwarzen Loch verschmelzende
Neutronensterne gelöst und die Simulation auch nach der Verschmelzung weiterlaufen lassen.
Dabei zeigte sich, dass das entstehende schnell rotierende Schwarze Loch zunächst von einem
Ring aus heißer Materie mit einem relativ schwachen, chaotischen Magnetfeld umgeben ist.
Dieses instabile System induziert durch die Drehbewegung ein extrem starkes, dazu senkrecht
stehendes Magnetfeld von 1015 Gauss entlang der Rotationsachse. Zum Vergleich: Dieses
Magnetfeld ist 1016 (10.000.000.000.000.000)-mal so stark wie das Magnetfeld der Erde. Damit ist
der wichtigste Schritt erklärt: Die Entstehung des Jets, in dem dann die ultrahoch erhitzte Materie
in zwei gebündelten Strahlen ins All schießen und dabei kurz im Gammastrahlenbereich
aufleuchten kann.
"Zum ersten Mal haben wir den gesamten Prozess vom Verschmelzen der Neutronensterne bis
zur Entstehung des Jets beobachtet", erklärt Rezzolla. "Das ist ein Durchbruch, denn
bislang war unklar, wie aus dem Chaos die Ordnung entsteht, die für die Ausbildung des Jets und
damit für die Gammablitze notwendig ist." Die Forscher ließen dafür die Simulation doppelt so
lange laufen wie gewöhnlich. Insgesamt hat der Supercomputer Damiana sechs Wochen lang
gerechnet. Die komplette Simulation zeigt, was in nur 35 Millisekunden passiert.
"Wir haben eine Brücke zwischen den theoretischen Modellen und den astronomischen
Beobachtungen geschlagen, indem wir zeigen konnten, wie eine Jet-förmige Struktur durch
Selbstorganisation des Magnetfelds bei der Verschmelzung der Neutronensterne entsteht",
ergänzt Chryssa Kouveliotou von der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA.
Zusätzlich zu riesigen Mengen von Gammastrahlung entstehen bei diesen Megacrashs im All auch
Gravitationswellen, deren Signalform die Wissenschaftler simulieren. Diese winzigen
Kräuselungen der Raumzeit sagte Albert Einstein mit seiner Allgemeinen Relativitätstheorie
vorher, sie wurden aber noch nicht direkt gemessen. Die simulierten Wellensignale sollen helfen,
im Datendschungel der Detektoren echte Gravitationswellen zu entdecken. Denn: Mit einem
möglichst genauen Fahndungsfoto steigen die Chancen, die Fingerabdrücke von
Gravitationswellen tatsächlich zu identifizieren.
Die Forscher berichten über ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift The
Astrophysical Journal Letters.
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