Rätsel der kurzen Gammastrahlenblitze gelöst
von Rainer Kayser
6. Oktober 2005
Seit über 30 Jahren rätseln Astronomen über den Ursprung von so genannten
Gamma-Ray-Bursts, von denen es zwei unterschiedliche Arten zu geben scheint.
Während man die langen Bursts schon erklären kann, war der Ursprung der kurzen
Ausbrüche im Gammastrahlen-Bereich immer noch unklar. Dank neuer Beobachtungen
ist man jetzt einer Lösung nahe.
Der NASA-Satellit SWIFT. Bild: Spectrum,
NASA E/PO, Sonoma State University, Aurore
Simonnet |
Im Durchschnitt jeden Tag einmal trifft ein Schauer hochenergetischer Gammastrahlung aus den Tiefen des Alls auf die Erde. Die Astronomen unterscheiden nach ihrer zeitlichen Dauer zwei Arten dieser
Gammastrahlungsblitze: lange und kurze. Während es für die länger als zwei Sekunden dauernden Blitze ein allgemein akzeptiertes Modell gibt - den Kollaps eines jungen, massereichen Sterns - war der Entstehungsprozess kurzer Gammablitze bislang unter den Wissenschaftlern noch umstritten. Nun liefern neue Beobachtungen mit den amerikanischen Satelliten
Swift und HETE-2 eindeutige Beweise für das von vielen Astronomen favorisierte Modell kollidierender Neutronensterne oder Schwarzer Löcher.
"Die beobachteten Charakteristiken dieser kurzen Gammablitze sind allesamt konsistent mit den theoretischen Modellen solcher Kollisionen", schreibt der Astrophysiker Luigi Piro in einem kommentierenden Artikel zu den Beobachtungen im Fachblatt
Nature. Diese jetzt ebenfalls in Nature veröffentlichten Beobachtungen zeigen, dass die kurzen Gammablitze offenbar vorrangig in älteren Elliptischen Galaxien stattfinden. Mit den bekannten Entfernungen der Galaxien konnten die Astronomen die tatsächlich bei den Ausbrüchen freiwerdende Energie
bestimmen: Sie ist rund um das Tausendfache geringer als bei langen Gammablitzen.
Den ersten Gamma-Schauer registrierten amerikanische Satelliten am 2.
Juli 1967. Die Detektoren dieser Satelliten vom Typ Vela-4 sollten
eigentlich die Einhaltung des Testverbots für Atomwaffen kontrollieren: Auch bei
nuklearen Explosionen entsteht Gammastrahlung. Anfang der 1990er Jahre zeigten
dann die Messungen des Compton Gamma Ray Observatory, dass die Ausbrüche völlig gleichmäßig über den Himmel verteilt sind. Damit war klar, dass das Phänomen seinen Ursprung in fernen Galaxien und nicht lokal in unserer Milchstraße haben musste - und dass es sich bei den Gammablitzen um die energiereichsten Ereignisse im Kosmos handelt.
Der Ursprung der langen Gammablitze konnte 1997 dank des italienisch-niederländischen Satelliten
BeppoSAX gelöst werden. Mit den Detektoren dieses Satelliten gelang erstmals der Nachweis eines lang anhaltenden Nachglühens im Röntgenbereich und bei optischen Wellenlängen. Damit konnten die Astronomen belegen, dass die Gammablitze durch den Zusammenbruch des Kerns sehr massereicher Sterne in jungen Galaxien verursacht werden.
Die neuen Beobachtungen mit Swift und HETE-2 zeigen nach Ansicht der Forscher, dass Ursprung, Energie und Verlauf der kurzen Gammaausbrüche und ihres Nachglühens in guter Übereinstimmung mit theoretischen Modellen der Verschmelzung zweier Neutronensterne oder eines Neutronenstern und eines Schwarzen Lochs stehen.
Bilden solche ultrakompakten Körper ein Doppelsystem, so strahlen sie bei ihrer Bahnbewegung gemäß der Allgemeinen Relativitätstheorie Gravitationswellen ab und verlieren Bahnenergie. Dadurch nähern sie sich im Verlauf von einigen Millionen bis zu mehreren Milliarden Jahren einander an und kollidieren schließlich miteinander. Für die Zukunft hoffen die Astronomen, mit großen Detektoranlagen wie
LIGO und VIRGO auch die Gravitationswellen solcher Objekte nachweisen zu können.
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