Gamma-Blitz traf Erde
Redaktion
astronews.com
21. Februar 2005
Ende letzten Jahres wurde die Erde von einem gewaltigen
Gammastrahlen-Ausbruch getroffen. Astronomen konnten inzwischen die Quelle
dieses so genannten Bursts bestimmen: ein Magnetar in rund 50.000
Lichtjahren Entfernung. Die Messungen könnten helfen, diese
Gammastrahlen-Ausbrüche besser zu verstehen und eventuell auch ein
jahrzehntelanges Rätsel zu lösen.
Integral.
Bild:
ESA/D. Ducros |
Am 27. Dezember 2004 um 22.30:26 Uhr MEZ wurde die Erde von einer gewaltigen
Wellenfront von Gamma- und Röntgenstrahlung getroffen. Es war der stärkste Fluss
von hochenergetischer Gammastrahlung, der jemals gemessen wurde. Das hat jetzt
ein Team um Dr. Roland Diehl und Dr. Giselher Lichti vom Max-Planck-Institut für
extraterrestrische Physik (MPE) in Garching berechnet. Die Wellenfront war zudem
intensiver als der stärkste jemals gemessene Strahlungsausbruch von unserer
Sonne.
Das Unglaubliche an dieser Entdeckung ist die Entstehung dieser
Strahlung: Sie stammt von einem winzigen Himmelskörper mit höchster Dichte,
einem Neutronenstern, einem so genannten Magnetar, mit einem extrem starken
Magnetfeld, der sich auf der anderen Seite unserer Milchstraße in etwa 50.000
Lichtjahren Entfernung befindet. Die Garchinger Astrophysiker sind sich sicher,
dass das Ereignis ein völlig neues Licht auf die Physik von Magnetaren werfen
wird und dazu beitragen wird, ein seit langem existierendes Rätsel um kosmische
Gamma-Strahlenausbrüche lösen zu können.
"Das spektakuläre Ereignis haben wir dem Magnetar mit dem Namen SGR 1806-20
zu verdanken", erklärt Lichti. "Dieser Neutronenstern hat einen Durchmesser wie
eine mittlere Großstadt und eine Masse vergleichbar mit der Sonne. Er erlitt
eine gewaltige magnetische Instabilität, wobei sich sein starkes Magnetfeld in
einen niedrigeren Energiezustand umorientierte", erklärt der Astrophysiker. "In
den ersten 0,2 Sekunden wurde dadurch von diesem Objekt die gleiche Energiemenge
emittiert wie von der Sonne in etwa einer Viertelmillionen Jahren. Dieser
Ausbruch war etwa 100-mal stärker als der bisher stärkste beobachtete Ausbruch
(englisch burst) von einem Magnetar."
Magnetare sind Neutronensterne, deren Magnetfelder das 1.000fache des bei
Neutronensternen üblichen Wertes aufweisen. Man schätzt, dass etwa zehn Prozent
aller Neutronensterne zu dieser Sternklasse zählen. Neutronensterne entstehen
beim Kollaps von Sternen einer bestimmten Gewichtsklasse bei einer
Supernovaexplosion. Sie haben einen typischen Durchmesser von etwa 20 Kilometern
und ein extrem starkes Magnetfeld der Größenordnung 1012 Gauß (Zum
Vergleich: Das Magnetfeld der Erde hat eine Stärke von etwa einem Gauß), das
sich als Folge der Gesetze der Elektrodynamik ergibt, wonach das Produkt aus
Sternquerschnitt und Magnetfeld beim Kollaps des Vorläufersterns konstant
bleibt. Das um den Faktor 1.000 stärkere Magnetfeld eines neugeborenen Magnetars
entsteht innerhalb weniger Sekunden durch einen komplexen Dynamoeffekt in seinem
Inneren, verursacht durch Konvektion und schnelle Rotation.
Die spektakuläre Wellenfront wurde von einem Detektor des MPE an Bord des
Integral-Satelliten gemessen. Es handelt sich dabei um das von der
Gammagruppe am MPE gebaute Antikoinzidenzschild des Integral-Spektrometers
SPI, einen der empfindlichsten Gammaburstdetektoren, der zur Zeit die Erde
umkreist. "Allein durch die Messung dieses Strahlenausbruches hat sich die durch
das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) geförderte Entwicklung dieses
Burstdetektors gelohnt", sagt Giselher Lichti, unter dessen Führung dieser
Detektor entwickelt und von den Firmen Jena-Optronik und Astrium gebaut wurde.
Doch nicht nur der Integral-Satellit zeichnete das Ereignis auf. Die
Wellenfront wurde noch von 13 anderen Röntgen- und Gammadetektoren im Weltraum
gemessen, die zwischen Erde und Saturn Messungen durchführen. "Sogar der
russische Coronas-F Satellit sah diesen Burst, obwohl er sich zur Zeit
des Ereignisses hinter der Erde befand, er die direkte Strahlung von der Quelle
also gar nicht messen konnte", erklärt Giselher Lichti. "Die Analyse der
Ankunftszeiten ergab, dass das russische Instrument Gammastrahlen gemessen
hatte, die von der Mondoberfläche reflektiert worden waren."
Wegen der Stärke des Bursts und seiner durchdringenden Strahlung konnten auch
Detektoren die Wellenfront messen, die nicht auf die Stelle am Himmel gerichtet
waren, von dem die Strahlung kam. Die Gammastrahlung durchdrang nämlich die
Abschirmungen aus Metall oder Kristallen und brachte die Detektoren kurzzeitig
in die Sättigung. Ob das vom MPE gebaute Instrument auf dem Satelliten INTEGRAL
in die Sättigung ging, muss noch geklärt werden. "Das Verhalten unseres
Detektors unter so hohem Strahlungsfluss muss noch detaillierter untersucht
werden, um eine genauere Abschätzung der gesamten Energieabstrahlung dieses
Ereignisses zu erlauben", sagt Andreas von Kienlin, Astrophysiker am MPE, der
das Instrument kalibriert und in Betrieb genommen hat.
"Der Ausbruch des Neutronensterns begann mit der Emission von energiereicher
Gammastrahlung, die nur einen Bruchteil einer Sekunde dauerte, aber den Großteil
der emittierten Energie enthielt. Dieser Ausbruch war gefolgt von einer
schwächeren Gammaemission, die mehr als sechs Minuten andauerte und deren
Intensität mit einer Periode von 7,56 Sekunden oszillierte. Diese Oszillation
wird mit der bekannten Rotationsperiode des Neutronensterns in Verbindung
gebracht", erklärt Andreas von Kienlin. "Unsere Messungen zeigten, dass die
Energieverteilung der Gammaquanten des Ausbruchs charakteristisch für ein
ultra-heißes thermisches Plasma ist", sagt Andreas von Kienlin. "Genau das, was
wir von einem Magnetar erwarten, der leichte hochenergetische Teilchen ausstößt.
Die meisten dieser Teilchen zerstrahlten offensichtlich in reine Gammastrahlen,
die dann in den interstellaren Raum entwichen."
Die oszillierende Gammaemission stammt offenbar von übriggebliebenen
Elektronen und Positronen, die im Magnetfeld des Magnetars eingeschlossen sind,
vermuten die Astrophysiker. Die Theorie sagt vorher, dass solch ein heißer
eingeschlossener Feuerball innerhalb von Minuten schrumpfen und verdampfen
sollte. Seine Helligkeit scheint zu oszillieren, weil der Feuerball über das
Magnetfeld an die Oberfläche des rotierenden Neutronensterns gebunden ist.
Weiter zum zweiten Teil: Eine neue Lösung für
Gamma-Blitz-Rätsel?
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