Detaillierter Blick ins Zentrum eines Quasars
von Stefan Deiters astronews.com
18. Juli 2012
Durch die Zusammenschaltung von Radioteleskopen in Chile,
auf Hawaii und in Arizona gelang Astronomen jetzt der bislang detaillierteste
Blick in das Zentrum eines entfernten Quasars. Für die Wissenschaftler sind die
Beobachtungen ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu ihrem eigentlichen Ziel: Die
Abbildung des Schattens des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße.
So stellt sich ein Künstler den Quasar 3C 279
vor, der jetzt mit Hilfe von drei Radioteleskopen
im Detail beobachtet wurde.
Bild: ESO / M. Kornmesser |
Ziel der heute vorgestellten Beobachtungen war der Quasar 3C 279, dessen
Licht rund fünf Milliarden Jahre benötigt hat, um die Erde zu erreichen. In
seinem Inneren vermuten die Astronomen ein supermassereiches Schwarzes Loch, mit
einer Masse, die etwa der eine Milliardenfachen Masse unserer Sonne entspricht.
Das Schwarze Loch im Zentrum von 3C 279 verschlingt offenbar gerade größere
Mengen an Gas. Bevor dieses jedoch auf Nimmerwiedersehen in dem Schwarzen Loch
verschwindet, heizt es sich auf extreme Temperaturen auf und sendet so eine
intensive Strahlung aus, die noch über weite Distanzen zu sehen ist. Man spricht
von einem aktiven Galaxienkern oder einem Quasar.
Für ihre Beobachtungen haben die Wissenschaftler das Teleskop des Atacama
Pathfinder Experiment (APEX) in Chile mit dem Submillimeter Array
(SMA) auf Hawaii und dem Submillimeter Telescope (SMT) im
US-Bundesstaat Arizona zusammengeschaltet. Durch ein als Very Long Baseline
Interferometry (VLBI) bezeichnetes Beobachtungsverfahren lassen sich
mehrere Teleskope zu einem einzelnen Teleskop kombinieren, dessen theoretischer
Durchmesser der Entfernung der beteiligten Teleskope entspricht. Für möglichst
detaillierte Untersuchungen ist somit eine möglichst große Entfernung zwischen
den Teleskopen nötig.
Der Beteiligung des APEX-Teleskops in Chile kam somit eine entscheidende
Bedeutung bei den aktuellen Beobachtungen zu, ist doch dessen Teleskopstandort
in der Atacama-Wüste 9.447 Kilometer vom SMA auf Hawaii und 7.174 Kilometer vom
SMT in Arizona entfernt. Die Beobachtungen wurden bei einer Wellenlänge von 1,3
Millimetern, also im Radiobereich durchgeführt und stellten eine Premiere dar:
Noch nie waren zuvor mit einer so kurzen Wellenlänge und einer so großen
Entfernung zwischen den Teleskopen VLBI-Beobachtungen durchgeführt worden.
Das Ergebnis war beachtlich: Die Astronomen erreichten mit den Beobachtungen
eine Winkelauflösung von nur 28 Mikrobogensekunden, was etwa dem
achtmilliardsten Teil eines Grads entspricht. In dem mehrere Milliarden
Lichtjahre entfernten Quasar lassen sich damit noch immer Details mit einer
Größe von weniger als einem Lichtjahr ausmachen.
Dieser Erfolg ist für die beteiligten Wissenschaftler jedoch nur ein Schritt
auf dem Weg zu einem noch faszinierenderen Ziel: Sie wollen die direkte Umgebung
von supermassereichen Schwarzen Löchern abbilden. Dazu sollen noch weitere
Radioteleskope miteinander zum sogenannten Event Horizon Telescope
verbunden werden, mit dem sich sogar der Schatten des Schwarzen Lochs im Zentrum
unserer Milchstraße abbilden lassen sollte.
Dieser Schatten, eine dunkle Region vor dem hellen Hintergrund, sollte durch
die Ablenkung des Lichts durch das Schwarze Loch entstehen. Seine Beobachtung
würde den ersten direkten Beweis für die Existenz des sogenannten
Ereignishorizonts (im Englischen Event Horizon) eines Schwarzen Lochs
darstellen, also jener theoretische Grenze, nach deren Überschreiten es sogar
für Licht keinen Weg zurück mehr gibt.
Das APEX-Teleskop, das vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn,
dem Onsala Space Observatory und der europäischen Südsternwarte ESO
betrieben wird, hat für die jetzt vorgestellte Studie erstmals an
VLBI-Beobachtungen teilgenommen. Um dies möglich zu machen, mussten neue
digitale Datenerfassungssysteme, eine hochpräzise Atomuhr sowie ein Speicher
installiert werden, der über mehrere Stunden vier Gigabit an Daten pro Sekunde
abspeichern kann.
Von jedem Teleskop kamen so vier Terabyte an Daten zusammen, die auf
Festplatten nach Bonn gebracht und dort ausgewertet wurden. Das APEX-Teleskop
ist ein Prototyp für das gerade in Chile entstehende Atacama Large
Millimeter/submillimeter Array (ALMA), über dessen Bau schon wiederholt bei
astronews.com berichtet wurde. ALMA wird einmal aus insgesamt 66 Radioschüsseln
bestehen.
Ob auch ALMA für VLBI-Beobachtungen von Schwarzen Löchern genutzt werden
kann, wird gegenwärtig gerade untersucht. Die Empfindlichkeit ließe sich auf
diese Weise noch einmal um einen Faktor 10 im Vergleich zu den aktuellen
Beobachtungen steigern. Das Aufspüren des Schattens des Schwarzen Lochs im
Zentrum der Milchstraße würde damit in greifbare Nähe rücken.
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