Jagd nach dem Schatten des Schwarzen Lochs
von Stefan
Deiters
astronews.com
7. November 2005
Mithilfe des Very Large Baseline Array, einer Zusammenschaltung
von Radioteleskopen, die über die gesamte USA verteilt sind, gelang Astronomen
der tiefste Blick ins Zentrum unserer Galaxie. Das Objekt, das sich dort
verbirgt und das die meisten Forscher für ein supermassereiches Schwarzes Loch
halten, hätte nach den jüngsten Beobachtungen zwischen Erde und Sonne Platz.
Das Zentrum der Milchstraße, beobachtet mit dem Very Large
Array-Radioteleskop. Sagittarius A* ist der helle Punkt im
Zentrum. Das Bild umfasst einen Ausschnitt von knapp zwei mal
zwei Lichtjahren. Bild:
NRAO / AUI / NSF, Jun-Hui Zhao, W.M. Goss |
"Wir kommen immer dichter ran und sind kurz davor eine eindeutige
Signatur des Objekts im Zentrum unserer Galaxie messen zu können, die den ersten
direkten Beweis für die Existenz eines Schwarzen Lochs darstellen würde",
erläutert Zhi-Qiang Shen vom Shanghai Astronomical Observatory und der
chinesischen Akademie der Wissenschaften die Bedeutung der Beobachtungen. Zwar
sind sich die meisten Astronomen darüber einig, dass sich im Zentrum unserer
Milchstraße nichts anderes verbergen kann als eben ein massereiches Schwarzes Loch,
doch direkt nachweisen konnte man seine Existenz bislang nicht.
Das Zentrum unserer Milchstraße ist für optische Beobachtungen durch Staub-
und Gaswolken verborgen, doch trotzdem gelang es in den letzten Jahren eine
Reihe von eindrucksvollen Beweisen für das Vorhandensein eines Schwarzen Lochs
zu sammeln: So konnten deutsche Wissenschaftler beispielsweise die Bahn von
Sternen verfolgen, die in relativer Nähe um das Schwarze Loch kreisen (astronews.com
berichtete). Und aus den
Bahndaten ließ sich dann die Masse des Objektes bestimmen: Es muss rund vier Millionen
Mal massereicher sein als unsere Sonne.
Das Zentrum unserer Milchstraße liegt im Sternbild Schützen und ist
identisch mit der Radioquelle, der Astronomen den Namen Sagittarius A* gegeben
haben. Und genau diese Radioquelle haben sich nun die Wissenschaftler mit dem
Very Large Baseline Array erneut vorgenommen. Im letzten Jahr gelang es
Wissenschaftlern, die Größe der Radioquelle einzugrenzen: Würde sie sich dort
befinden, wo unsere Sonne ist, sollte sie maximal bis zur Erdbahn reichen. Shen
und seine Kollegen konnten diese Abschätzung nun noch einmal verbessern: Ihre
Beobachtung ergab, dass das Objekt nur maximal halb so groß
ist.
Die neuen Daten sind ein weiteres starkes Indiz dafür, dass Sagittarius A* tatsächlich ein supermassereiches Schwarzes Loch ist: Astronomen
kennen kein anderes Objekt, das auf so engem Raum stabil existieren und eine so große Masse auf sich vereinen kann. Doch natürlich wünschen sie sich einen
noch eindeutigeren Beweis.
"Durch die extrem starke Gravitationswirkung eines
Schwarzen Lochs sollte es zu relativistischen Effekten kommen. Wir sollten einen
solchen Schatten des Schwarzen Lochs sehen, wenn es uns gelingt, Details sichtbar zu machen, die etwa halb so
groß sind, wie die, die wir in unseren aktuellen Beobachtungen sehen konnten",
so Fred K. Y. Lo, Direktor des National Radio Astronomy Observatory und
Mitglied des Beobachterteams. "Wenn wir tatsächlich einen solchen Schatten des
Schwarzen Lochs entdecken, wäre das der endgültige Beweis für seine
Existenz."
Nicht nur die Milchstraße, sondern nahezu alle Galaxien haben nach Ansicht der
Astronomen in ihrem Zentrum ein supermassereiches Schwarzes Loch, die meist noch
über eine deutlich größere Masse verfügen als das Schwarze Loch im Zentrum der
Milchstraße. Zudem ist "unser" Schwarzes Loch relativ inaktiv, vermutlich
deswegen, weil es in seiner unmittelbaren Umgebung nicht sonderlich viel
Material zur Verfügung hat, das es verschlingen kann.
Die Radiostrahlung, die
Astronomen von Sagittarius A* beobachten, stammt vermutlich von gebündelten
Teilchenstrahlen, die man auch schon bei anderen Schwarzen Löchern entdeckt hat
oder von Material, das gerade in das Schwarze Loch hineinspiralt. Durch ihre
Beobachtungen bei einer höheren Radiofrequenz konnten die Forscher nun einen
Bereich entdecken, der Strahlung aussendet und der noch dichter am Schwarzen Loch
liegt als bisher beobachtete Bereiche.
Die Beobachtungen aus dem letzten Jahr wurden bei einer Frequenz von 43
Gigahertz gemacht, die jetzt vorgestellten Ergebnisse bei 86 Gigahertz. "Wir
glauben, dass wir den Schatten des Schwarzen Lochs sehen können, der nach
Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie vorhanden sein sollte, wenn wir die
Frequenz noch einmal verdoppeln können", so Lo.
Möglich werden könnte dies mit
geplanten und teilweise schon im Bau befindlichen Radioteleskopen wie etwa dem
Atacama Large Millimeter Array (ALMA). Das supermassereiche Schwarze Loch
in unserer Milchstraße ist rund 26.000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Als uns
am nächsten gelegenes Schwarzes Loch dieser Art, sollte es bei ihm am ehesten
möglich sein, seine Existenz direkt nachzuweisen.
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