Überraschung im Orionnebel
von Stefan Deiters astronews.com
27. Juli 2017
Der Orionnebel gehört mit zu den spektakulärsten
Sternentstehungsgebieten am nächtlichen Himmel. Beobachtungen mit dem VLT Survey Telescope der europäischen Südsternwarte ESO in Chile haben nun gezeigt, dass
der Sternhaufen im Zentrum des Nebels aus drei verschiedenen Populationen junger
Sterne besteht. Kam es hier also zu wiederholten Sternentstehungsausbrüchen?

Aufnahme des Orionnebels mit der OmegaCAM am
VST Survey Telescope der ESO.
Bild: ESO/G. Beccari [Großansicht] |
Der Orionnebel im gleichnamigen Sternbild ist eines der Erde am nächsten
gelegenen Sternentstehungsgebiete. Er ist rund 1350 Lichtjahre entfernt. In der
Region entstehen sowohl massereiche, als auch masseärmere Sterne, was es zu
einem idealen Studienobjekt zur Erforschung der Vorgänge rund um die
Sternentstehung macht. Die Region ist zudem schon mit einfachen Mitteln zu
beobachten und im Teleskop und auf Fotos ein wahrer Augenschmaus.
Das zeigt auch eine neue Aufnahme, die die europäische Südsternwarte ESO
heute veröffentlicht hat: Das neue Bild des Orionnebels und des in ihn
eingebetteten Sternhaufens entstand mit der OmegaCAM, einer Weitwinkelkamera,
die am VLT Survey Telescope (VST) auf dem Gipfel des Paranal in Chile montiert
ist.
Die Beobachtungen wurden allerdings nicht gemacht, um damit "nur" ein schönes
Bild erstellen zu können: Ein Astronomenteam um Giacoma Beccari von der ESO hat
die Daten genutzt, um Helligkeit und Farben der Sterne des Sternhaufens genau zu
bestimmen. Aus diesen Messungen konnten die Wissenschaftler dann Masse und Alter
der Sterne ableiten. Zu ihrer Überraschung stellten sie dabei fest, dass es in
dem Haufen offenbar drei verschiedene Altersgruppen von Sternen gibt.
"Der erste Blick auf die Daten war einer dieser 'Wow!'-Momente, zu denen es
im Leben eines Astronomen nur ein oder zwei Mal kommt", erinnert sich Beccari.
"Die unglaubliche Qualität der OmegaCAM-Bilder hat uns ohne jeden Zweifel
gezeigt, dass wir es hier mit drei deutlich unterscheidbaren Populationen von
Sternen im zentralen Bereich des Orionnebels zu tun haben."
"Das ist ein wichtiges Ergebnis", unterstreicht auch Teammitglied Monika
Petr-Gotzens von der ESO. "Was wir sehen ist, dass die Sterne im Haufen ihr
Leben nicht alle zusammen zum gleichen Zeitpunkt beginnen. Das könnte bedeuten,
dass wir unsere Ideen über die Entstehung von Sternen in Sternhaufen noch einmal
überdenken müssen."
Die Astronomen haben auch alternative Erklärungsmodelle für ihre
Beobachtungen
betrachtet, die die Daten ohne die Annahme verschieden alter Sterne erklären würden: Dazu zählen beispielsweise unerkannte
Doppelsterne. Diese müssten allerdings, um als Erklärung infrage zu kommen,
äußerst ungewöhnliche und bislang noch nicht beobachtete Eigenschaften aufweisen. Für
das unterschiedliche Alter sprechen außerdem auch weitere Messungen, etwa die
Spektren der Sterne und ihre Rotationsgeschwindigkeiten.
"Wir können formal zwar noch nicht vollkommen ausschließen, dass es sich bei diesen
Sternen um Doppelsterne handelt, aber die Erklärung mit drei Generationen von
Sternen, die innerhalb von weniger als drei Millionen Jahren nacheinander
entstanden sind, erscheint sehr viel natürlicher", urteilt Beccari. Die
Sternentstehung im Sternhaufen des Orionnebels könnte also in Ausbrüchen
stattgefunden haben und schneller, als man bislang angenommen hat.
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der
in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erscheint.
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