Schnelle Sternentstehung im Filament
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
13. Mai 2016
Im Weltall können in vergleichsweise kurzer Zeit ganze
Sternhaufen entstehen. Nach der Untersuchung eines Gas- und Staubfilaments haben
Astronomen jetzt einen neuen Mechanismus für eine ultraschnelle Sternentstehung
abgeleitet. Danach wird das Filament durch Gravitation und Magnetfelder
gleichermaßen beeinflusst. Ob die Vorgänge im Orionnebel ein Sonderfall sind,
müssen weitere Untersuchungen zeigen.
Der Orionnebel, als hellrote, komplex gemusterte Gaswolke bekannt aus
zahlreichen Teleskopbildern, ist eines der bekannten astronomischen Objekte
überhaupt. Amelia Stutz und Andrew Gould vom Max-Planck-Institut für Astronomie
sind überzeugt, dass der Orionnebel noch sehr viel mehr sein dürfte, nämlich das
Schlüsselobjekt um zu verstehen, wie große Molekülwolken binnen weniger
Millionen Jahre - also auf astronomisch gesehen kurzen Zeitskalen - ganze
Sternhaufen auf einmal bilden können.
Ausgangspunkt für die Überlegungen von Stutz und Gould sind Karten der
Massenverteilung in einer Struktur, die "integralförmiges Filament" genannt wird
und zu der auch der Orionnebel-Sternhaufen gehört, sowie Studien zu den
Magnetfeldern in und um dieses Filament. Seinen Namen verdankt das Filament dem
Umstand, dass es aussieht wie ein langgezogenes S, also wie das Integralzeichen
der Mathematiker.
Diese Daten zeigen, dass der Einfluss von Magnetfeldern und Gravitation auf das
Filament ungefähr gleich groß ist. Die zwei Astronomen haben darauf aufbauend
ein Szenario entwickelt, in dem das Filament ein flexibles, hin und her
schwingendes Gebilde ist, deutlich anders als die üblichen Modelle von
Gaswolken, die unter ihrer eigenen Schwerkraft kollabieren. Wichtiger Beleg für
das neue Bild ist die Verteilung von Protosternen und von jungen Sternen in und
um das Filament.
Protosterne sind noch im Entstehen begriffen: Sie ziehen sich noch weiter
zusammen, bis ihre Kernregionen genügend hohe Dichten und Temperaturen erreicht
haben, dass dort im großen Stil Kernfusionsreaktionen einsetzen können.
Protosterne sind leicht genug, um mitgenommen zu werden, wenn das Filament hin
und her schwingt. Junge Sterne sind deutlich kompakter, und werden vom Filament
schlicht zurückgelassen oder wie aus einer Steinschleuder in den umgebenden Raum
katapultiert.
So kann das Szenario erklären, was die Beobachtungsdaten in der Tat zeigen: dass
sich nämlich die Protosterne nur entlang des dichten Rückgrats des Filaments
finden, junge Sterne dagegen vor allem außerhalb des Filaments. Die potenziell
wichtigste Folge des neuen Szenarios ist, dass sich daraus ein neuer Mechanismus
für die Entstehung ganzer Sternhaufen auf - astronomisch gesehen - kurzen
Zeitskalen ergeben könnte.
Die Positionen der Sternhaufen in und um das integralförmige Filament legen
nahe, dass das Filament ursprünglich in nördliche Richtung deutlich weiter
ausgedehnt war als heute. Über Millionen von Jahren scheint sich dann von Norden
aus ein Sternhaufen nach dem anderen gebildet zu haben, und jeder fertige
Sternhaufen hat das ihn umgebende Gas-Staub-Gemisch mit der Zeit zerstreut.
Daher sehen wir heute drei Sternhaufen in und um das Filament: der älteste davon
am weitesten von der heutigen Nordspitze des Filaments entfernt, der zweite
näher und noch von Filamentresten umrankt, während der dritte, der
Orionnebel-Haufen mitten im integralförmigen Filament, gerade noch im Wachsen
begriffen ist. Das Wechselspiel von Magnetfeldern und Schwerkraft ermöglicht
bestimmte Arten von Instabilitäten, die zum Teil aus der Plasmaphysik bekannt
sind und für die schnelle Entstehung eines Sternhaufens nach dem nächsten
verantwortlich sein könnten.
Allerdings, so betonen die Astronomen, ist es bislang lediglich eine Hypothese,
dass tatsächlich solche Instabilitäten hinter der schnellen Sternhaufenbildung
stecken. Die Hypothese würde auf Beobachtungsdaten für das integralförmige
Filament beruhen, sei aber noch kein ausgereiftes Modell für einen neuen Modus
der Sternentstehung. Bis dahin müssten zum einen Theoretiker entsprechende
Simulationen durchführen, zum anderen Astronomen weitere Beobachtungen vornehmen
- sowohl vom integralförmigen Filament selbst, als auch von anderen
Kandidatenobjekten, in denen ähnliche Prozesse ablaufen könnten.
Erst nach diesen Vorarbeiten wird sich herausstellen, ob die
Orion-A-Molekülwolke ein Sonderfall ist oder ob die Geburt von Sternhaufen in
einem Reigen magnetisch eingeschlossener Filamente der übliche Weg ist, wie in
unserem Kosmos rasch ganze Haufen neuer Sterne entstehen.
Über ihre Studie berichten die Wissenschaftler jetzt in der Zeitschrift
Astronomie & Astrophysics.
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