Tiefster Infrarotblick in den Orionnebel
von Stefan Deiters astronews.com
12. Juli 2016
Astronomen haben mithilfe des Instruments HAWK-I am Very
Large Telescope der europäischen Südsternwarte ESO tief in den bekannten
Orionnebel geblickt. Sie entdeckten dabei rund zehn Mal mehr Braune Zwerge und
planetenähnliche Objekte, als bei früheren Beobachtungen gezählt worden waren.
Die aktuellen Theorien über die Sternentstehung im Orionnebel hatten dies nicht
vorhergesagt.

Blick in den Orionnebel mithilfe des
Infrarotinstruments HAWK-I.
Bild: ESO / H. Drass et al. [Großansicht] |
Ein internationales Astronomenteam hat heute die Ergebnisse von sehr tiefen
Beobachtungen des Orionnebels mithilfe des Infrarotinstruments HAWK-I am Very
Large Telescope der europäischen Südsternwarte ESO vorgestellt. Aus den Daten
entstand der bislang detailreichste und tiefste Infrarotblick in dieses auch unter dem
Namen Messier 42 bekannte Sternentstehungsgebiet.
Den Wissenschaftlern ging es allerdings nicht hauptsächlich um schöne Bilder: Sie waren vor
allem an massearmen Objekten interessiert, die sie tatsächlich auch in großer
Zahl im Orionnebel aufspürten. Die große Menge an Braunen Zwergen und Objekten
mit nur planetarer Masse liefert einen interessanten Einblick in die Geschichte
der Sternentstehung in dem Nebel.
Der Orionnebel zählt wohl zu den bekanntesten Sternentstehungsgebieten
überhaupt. Er hat eine Ausdehnung von rund 24 Lichtjahren und liegt rund 1350
Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Orion. Das Sternentstehungsgebiet
ist bereits mit bloßem Auge als verschwommener Fleck im Schwert des Orion zu
erkennen.
Dank seiner relativen Nähe ist der Orionnebel ein beliebtes Objekt, um die
Vorgänge rund um die Entstehung von Sternen zu untersuchen. Eine besondere Rolle
dabei spielt die sogenannte Anfangsmassenfunktion, die beschreibt, wie viele
Sterne einer bestimmten Masse in einer Region entstehen. Während man das für
massereiche und damit helle Sterne noch vergleichsweise einfach bestimmen kann, ist
dies für massearme Objekte außerordentlich schwierig.
"Zu verstehen, wie viele massearme Objekte es im Orionnebel gibt, ist von
großer Bedeutung, da sich mit dieser Information aktuelle Theorien über
Sternentstehung überprüfen lassen", erläutert Teammitglied Amelia Bayo von der
Universidad de Valparaíso in Chile und dem Max-Planck Institut für Astronomie in
Heidelberg. "Wir sehen gerade, dass die Art und Weise der Entstehung dieser
massearmen Objekte von ihrer Umgebung anhängig ist."
Auf dem neuen Bild sind eine überraschend große Zahl von massearmen Objekten
zu entdecken. Dieses könnte, so die Astronomen, darauf hindeuten, dass im
Orionnebel im Verhältnis deutlich mehr massearme Objekte entstehen, als in
nahegelegeneren und weniger aktiven Sternentstehungsregionen.
Bislang waren die meisten jungen Sterne bei einer Masse entdeckt worden, die
etwa einem Viertel der Masse unserer Sonne entspricht. Die neuen Beobachtungen im Orionnebel sprechen nun für ein zweites Maximum,
das bei deutlich niedrigeren Massen liegt.
Die Resultate könnten zudem bedeuten, dass die Anzahl von planetengroßen
Objekten deutlich größer ist, als man bislang angenommen hatte. Solche Objekte
dürften sich erst mit der nächsten Generation von Teleskopen, etwa dem
European Extremely Large Telescope (E-ELT) aufspüren lassen.
"Unsere Ergebnisse fühlen sich für mich ein wenig wie ein erster Blick in
eine neue Ära der Erforschung der Planeten- und Sternentstehung an", so Holger
Drass vom Astronomischen Institut der Ruhr-Universität in Bochum und der
Pontificia Universidad Católica de Chile in Santiago. "Die große Zahl der
Planeten ohne Sonne, die wir an der Grenze der aktuellen technischen
Möglichkeiten entdeckt haben, lässt mich hoffen, dass wir mit dem E-ELT eine
Menge von kleineren erdgroßen Planeten entdecken werden."
Über ihre Ergebnisse berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society erschienen ist.
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