Detaillierter Blick ins Herz des Orion-Nebels
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
2. April 2009
Ein internationales Team von Astronomen unter der Leitung von Stefan Kraus
und Gerd Weigelt vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie hat mit
dem Very Large Telescope Interferometer (VLTI) der Europäischen
Südsternwarte ESO das bisher schärfste Bild des jungen Doppelsterns Theta 1
Ori C im Trapez-Sternhaufen im Sternbild Orion gewonnen. Die Daten
verdeutlichen eindrucksvoll die Möglichkeiten der Interferometrie.

Der Zentralbereich des Großen Orion-Nebels
(Sternentstehungsgebiet M42) mit den vier
Trapez-Sternen (Theta 1 Ori A-D) bei zunehmender
Vergrößerung. Der massereichste und hellste
dieser Sterne ist Theta 1 Ori C, der mit bisher
unerreichter Winkelauflösung mit dem
VLT-Interferometer abgebildet werden konnte
(rechtes Teilbild). [Großansicht]

Die Umlaufbahn des Doppelsternsystems Theta 1
Ori C (graue Linie) konnte aus Positionsmessungen
aus den vergangenen zwölf Jahren (gelbe Punkte)
abgeleitet werden. Die Umlaufbahn von Jupiter um
die Sonne ist zum Größenvergleich dargestellt.
Bilder/Kollage: MPIfR (Stefan Kraus),
zusammengestellt aus dem neuen VLTI-Bild von
Theta 1 Ori C sowie früheren Aufnahmen von
VLT/ISAAC (ESO) und dem Hubble-Teleskop (NASA,
Chris O'Dell) |
Die neuen Resultate, die jetzt in der Fachzeitschrift Astronomy &
Astrophysics veröffentlicht wurden, zeigen deutlich voneinander
getrennt zwei Einzelsterne in einem Doppelsternsystem. Die Messungen haben die
extrem hohe Winkelauflösung von rund zwei Milli-Bogensekunden, was der Größe
eines Autos auf der Oberfläche des Mondes entspricht. Das Forschungsteam war in
der Lage, aus den neuen Messungen die Bahndaten des Doppelsternsystems Theta 1
Ori C zu bestimmen, sowie die Massen der beiden Einzelsterne und die Entfernung
des Systems.
Die Ergebnisse verdeutlichen die phantastischen neuen Möglichkeiten, die sich
aus hochaufgelösten Abbildungen mit der Technik der Infrarot-Interferometrie
ergeben. Sie liefert viel höhere Winkelauflösung als konventionelle Messungen
mit großen astronomischen Teleskopen. Bei der Interferometrie wird die mit einer
Reihe von Einzelteleskopen aufgenommene Strahlung zu einem sehr scharfen
virtuellen Gesamtbild zu kombiniert.
Das Very Large Telescope Interferometer (VLTI) bietet für
europäische Astronomen einen Zugang zu dieser revolutionären Beobachtungstechnik
und ermöglicht die direkte Erzeugung von Bildern aus interferometrischen Daten
bei nahinfraroten Wellenlängen. Damit ist es möglich, Bilder mit der
spektakulären Auflösung eines virtuellen Teleskops von bis zu 200 Metern
Durchmesser zu erzeugen. Ein Team von europäischen Astronomen konnte mit
VLTI-Beobachtungen unter Verwendung des
Interferometrie-Strahlvereinigungs-Instruments AMBER (Astronomical Multi-BEam
combineR) die Abbildungsqualitäten dieser Beobachtungstechnik demonstrieren
und den massereichen jungen Stern Theta 1 Ori C in bisher unerreichter
Genauigkeit untersuchen.
Theta 1 Ori C ist der massereichste und leuchtkräftigste Stern in der
Orion-Sternentstehungsregion. In einer Entfernung von nur 1.350 Lichtjahren ist
sie die am nächsten gelegene Region, in der massereiche Sterne entstehen.
Dadurch bietet sie einen einzigartigen Einblick in die detaillierten
Bildungsprozesse solcher Sterne. Die intensive Strahlung von Theta 1 Ori C
ionisiert den gesamten Bereich des Orion-Nebels. Durch seinen starken Sternwind
beeinflusst dieser Stern auch die berühmten Orion-Proplyds ("protoplanetary
disks"), das sind junge Sterne, die noch von Staubscheiben umgeben sind,
aus denen sich später Planetensysteme entwickeln werden.
Obwohl Theta 1 Ori C bei früheren Beobachtungen mit konventionellen
Teleskopen wie auch mit dem Hubble-Weltraumteleskop als Einzelstern
erschien, konnte das Forschungsteam die Existenz eines lichtschwächeren
Begleitsterns in geringem Abstand nachweisen. "VLTI-Interferometrie mit AMBER
hat uns zum ersten Mal ermöglicht, ein Bild dieses Doppelsternsystems mit einer
spektakulären Winkelauflösung von nur zwei Milli-Bogensekunden zu erhalten",
sagt Stefan Kraus. "Das entspricht dem Auflösungsvermögen eines
Weltraumteleskops mit 130 Metern Durchmesser."
Das VLTI-Bild zeigt, dass der Abstand zwischen den beiden Sternen im März
2008 nur rund 20 Milli-Bogensekunden betragen hat. In die Abbildung sind
zusätzlich zu dem mit VLTI/AMBER gewonnenen Bild auch Ergebnisse von
Positionsmessungen des schwächeren Begleitsterns über die vergangenen zwölf
Jahre eingetragen. Diese zusätzlichen Beobachtungen wurden mit der Technik der
Bispektrum-Speckle-Interferometrie gewonnen. Dabei kamen Teleskope von 3,60
Meter bis 6 Meter Spiegeldurchmesser zum Einsatz, die hochauflösende
Beobachtungen auch bei optischen Wellenlängen bis hinunter zu 440 Nanometern
ermöglichten.
Die Zusammenstellung aller Messungen zeigt, dass der Begleitstern sich auf
einer sehr exzentrischen Umlaufbahn mit einer Umlaufdauer von elf Jahren bewegt.
Unter Anwendung des dritten Kepler-Gesetzes können die Massen beider Sterne zu
38 bzw. 9 Sonnenmassen bestimmt werden. Darüber hinaus kann aus diesen Messungen
eine trigonometrische Entfernung des Sterns Theta 1 Ori C und damit des
Zentralbereichs des gesamten Orion-Sternentstehungsgebiets abgeleitet werden.
Der Wert von 1.350 Lichtjahren stimmt hervorragend mit dem Resultat überein,
das eine weitere Forschungsgruppe unter der Leitung von Karl Menten, ebenfalls
vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie, aus der Bestimmung
trigonometrischer Parallaxen einer Reihe von Sternen im Orion-Nebel erhalten
hat. Sie erfolgte über die mit dem Very Long Baseline Array beobachtete
nichtthermische Radiostrahlung dieser Sterne.
Die hier vorgestellten Ergebnisse sind wichtig nicht nur für die Untersuchung
des Orion-Sternentstehungsgebiets selbst, sondern auch für die Verbesserung
theoretischer Modelle für die Entstehung von massereichen Sternen. Seit dem Jahr
1609, als Galileo Galilei zum ersten Mal ein Fernrohr gen Himmel richtete, hat
sich die beobachtende Astronomie sowohl in der erfassbaren Wellenlänge als auch
in der erreichbaren Auflösung erheblich weiterentwickelt. "Unsere Beobachtungen
zeigen die faszinierende neue Bildqualität von VLTI. Die Anwendung der Technik
der Infrarot-Interferometrie wird zweifellos zu einer Reihe fundamentaler neuer
Entdeckungen führen", sagt Gerd Weigelt.
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