Der detaillierte Blick auf die Sonne
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
27. März 2017
Wabernde Fibrillen,
aufblitzende Hitzenester und die Entstehungsorte koronaler Bögen: Während zweier
Flüge in den Jahren 2009 und 2013 hat das ballongetragene Sonnenobservatorium
Sunrise unseren Zentralstern so detailliert beobachten können, wie kein anderes
Observatorium im ultravioletten Licht zuvor. Jetzt wurden gleich mehrere
Studien basierend auf den Daten der beiden Flüge veröffentlicht.

Das Sonnenobservatorium Sunrise wird von
einem Heliumballon auf eine Flughöhe von mehr als
35 Kilometern getragen.
Bild: MPS (S. Solanki) [Großansicht] |
Einen
einzigartigen Blick auf unser Zentralgestirn hatte das ballongetragene
Sonnenobservatorium Sunrise bei seinen beiden Flügen 2009 und 2013: Aus einer
Höhe von mehr als 35 Kilometern und mit dem größten Sonnenteleskop ausgerüstet,
das jemals den Erdboden verlassen hat, konnte Sunrise erstmals Strukturen mit
einer Größe von 50 Kilometern im ultravioletten Licht der Sonne auflösen. Das
Fachjournal Astrophysical Journal Supplement Series widmet den Ergebnissen des
Zweitfluges von Sunrise nun insgesamt 13 Artikel. Ergänzt werden diese um vier
Arbeiten, die auf jetzt ausgewerteten Daten des Erstfluges basieren.
Auf diese Weise zeichnet die Sonderausgabe das bisher umfassendste und
detaillierteste Bild der Grenzschicht zwischen der sichtbaren Oberfläche der
Sonne und ihrer Atmosphäre im ultravioletten Licht. Die Studien berichteten unter anderem von
heißen Explosionen, wabernden fibrillenartigen Strukturen und den
Entstehungsorten gewaltiger Plasmaflüsse. Das Max-Planck-Institut für
Sonnensystemforschung (MPS), das das Projekt Sunrise leitet, ist an allen 17
Veröffentlichungen maßgeblich beteiligt.
Viele Geheimnisse der Sonne offenbaren sich nur im
ultravioletten Licht, das unser Stern ins All abstrahlt. Da die
Erdatmosphäre jedoch ein Großteil dieser Strahlung herausfiltert, ist für
Sonnenforscher eine Beobachtungsposition oberhalb dieser Luftschicht ideal. Das
ballongetragene Sonnenobservatorium bietet Zugang zu dieser Position – ohne die
immensen Kosten einer Weltraummission. Getragen von einem riesigen Heliumballon
erreicht Sunrise eine Höhe von mehr als 35 Kilometern und lässt so den Großteil
der Erdatmosphäre unter sich.
Zweimal bereits ist dieses Konzept
aufgegangen. Während Sunrise beim Erstflug 2009 Zeuge eines unerwartet langen
Aktivitätsminimums der Sonne wurde, zeigte sich unser Stern 2013 von seiner
temperamentvolleren Seite: Fast sechs Tage lang hatte Sunrise gute Sicht auf
Sonnenflecken und aktive Regionen. Erste Ergebnisse dieses Fluges konnten
Forscher des MPS bereits wenige Monate später veröffentlichen. Deutlicher als je
zuvor zeigen sich in den UV-Daten feine, nur wenige Kilometer große Strukturen
in der unteren Atmosphäre der Sonne wie etwa helle, kurz aufblitzende Punkte und
langgezogene Fibrillen in der Nähe der Sonnenflecken.
Ein Großteil der Sunrise II-Daten liegt seit etwa
einem Jahr vollständig aufbereitet vor und ist Grundlage von 13 der jetzt
veröffentlichten Artikel. Darin gehen die Forscher auch den langgezogenen
Fibrillen genauer nach, bestimmen ihre Form und Lebensdauer. Dabei zeigt sich
unter anderem, dass ihre Strahlungsintensität und Breite auf Zeitskalen von
einigen Sekunden schwanken. Möglich wurden solch detaillierte Untersuchungen
durch die hohe Auflösung von Sunrise und die langen Beobachtungsreihen.
"Mit einer räumlichen Auflösung von 50 bis 100 Kilometern liefert Sunrise
präzisere Messergebnisse im ultravioletten Licht als alle anderen
ballongetragenen oder weltraumbasierten Sonnenteleskope", so Prof. Dr. Sami K.
Solanki, Direktor am MPS und Missionsleiter. Mit den beiden Instrumenten SuFI
(Sunrise Filter Imager) und IMaX (Imaging Magentograph Experiment) blickt
Sunrise zudem in eine Schlüsselregion der Sonnenforschung.
In dem Bereich
zwischen der sichtbaren Oberfläche der Sonne, der Photosphäre, und der Korona,
der äußeren Atmosphäre der Sonne, erhoffen sich Forscher Antworten auf einige
der bedeutendsten, offenen Fragen der Sonnenphysik: Wie ist es möglich, dass die
Korona mit etwa eine Million Grad deutlich heißer ist als die weiter innen
liegende Photosphäre mit nur 5000 Grad? Auf welchem Wege wird die nötige Energie
aus der Photosphäre in die Korona transportiert und in Wärme umgewandelt? Welche
Rolle spielen dabei die dynamischen, hoch komplexen Magnetfelder der Sonne?
"Alles spricht dafür, dass kleinskalige und kurzlebige Prozesse entscheidend
sind", so Sunrise-Projektwissenschaftler Dr. Tino Riethmüller vom MPS.
Diese aufzuspüren ist die Mission von Sunrise. Am ersten Tag des Zweitfluges
etwa wurde das Observatorium Zeuge einer so genannten Ellermann-Bombe, eines
explosionsartigen, aber lokalisierten Anstiegs der Strahlungsintensität und
Temperatur. Die Hitzenester treten in der Regel in entstehenden aktiven Regionen
auf und gelten als Anzeichen dramatischer "Umbauarbeiten" im Magnetfeld der
Sonne. Dabei wird magnetische Energie unter anderem in Wärme umgewandelt. Die
Simulationen, mit denen die Forscher die Beobachtungsdaten rekonstruierten,
legen nahe, dass die Veränderungen der Magnetfeldarchitektur ihren Ursprung in
der Photosphäre etwa 200 Kilometer über der sichtbaren Oberfläche der Sonne
haben.
Ein weiterer Prozess, der die vergleichsweise kühle Photosphäre mit der
heißen Korona verbindet, sind koronale Bögen, beeindruckende bogenförmige
Plasmaflüsse in der Sonnenatmosphäre. Manche von ihnen messen bis zu 100.000
Kilometer. Die Ausgangspunkte dieser Strukturen liegen ebenfalls oftmals in der
Nähe aktiver Regionen. Die Sunrise-Daten erlauben nun einen genauen Blick auf
diese Entstehungsorte. Es zeigt sich, dass sie Orte starker magnetischer
Gegensätze sind: kleine Bereiche, in denen die magnetische Polarität der ihrer
überwiegenden Umgebung entgegengesetzt ist. Die Wechselwirkung dieser Bereiche
treibt den Masse- und Energietransport in die Atmosphäre an.
"Die Daten
der beiden Sunrise-Flüge erweisen sich als wahre Fundgrube für die
Sonnenphysik", so Solanki. Die Auswertungen werden noch Jahre andauern. Zudem
plant das MPS derzeit einen dritten Flug des ballongetragenen Observatoriums.
Dieser soll in einigen Jahren stattfinden.
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