Eine neue Klasse extrem roter Galaxien
von Stefan Deiters astronews.com
2. Dezember 2011
Mithilfe des Infrarot-Weltraumteleskops Spitzer
haben Astronomen in einer Entfernung von fast 13 Milliarden Lichtjahren eine
neue Klasse von extrem roten Galaxien aufgespürt. Warum sie so rot erscheinen,
können sich die Forscher bislang nicht erklären. Jetzt wollen sie nach weiteren
Exemplaren suchen.

So könnten die vier Galaxien in fast 13
Milliarden Lichtjahren Entfernung aussehen.
Bild: David A.
Aguilar (CfA) [Großansicht] |
"Wir mussten schon sehr extreme Werte annehmen, um die
Beobachtungen noch mit unseren Modellen erklären zu können", beschreibt Jiasheng
Huang vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) in
Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts die mit dem Infrarot-Weltraumteleskop
Spitzer entdeckten neuen Galaxien. Huang ist Erstautor eines
Artikels in der Fachzeitschrift Astrophysical Journal Letters, in dem
der Fund beschrieben wird.
Mit dem Weltraumteleskop Hubble war es nicht gelungen, diese
besonderen Galaxien aufzuspüren, da es nicht wie Spitzer im infraroten
Bereich des elektromagnetischen Spektrums beobachtet. Die entdeckten Galaxien
sind mehr als 60-mal heller im Infraroten als in den rötesten Farben, die
Hubble noch erkennen kann.
Wenn Galaxien rötlich erscheinen, kann das ganz verschiedene Ursachen haben:
So können sie beispielsweise sehr viel Staub enthalten oder aber sehr viele
alte, rötliche Sterne. Oder aber sie können sehr weit von uns entfernt sein.
Dann wird nämlich ihr Licht durch die Ausbreitung des Universums zu längeren
Wellenlängen hin gestreckt, so dass es röter erscheint - ein Phänomen, das
Astronomen als Rotverschiebung bezeichnen. Bei den neu entdeckten Galaxien
spielen offenbar alle drei Faktoren eine Rolle.
Die vier Systeme scheinen nach Ansicht der Astronomen irgendwie verbunden zu
sein: Sie liegen am Himmel nicht nur zufällig sehr dicht beieinander, sondern
dürften sich auch gegenseitig beeinflussen. Bei einer Galaxie fanden die
Forscher sogar Hinweise darauf, dass sie über einen aktiven Galaxienkern
verfügt, sich in ihrem Inneren also ein aktives supermassereiches Schwarzes Loch
befindet. Wegen ihrer großen Entfernung sehen wir die Galaxien nur rund eine
Milliarde Jahre nach dem Urknall und damit zu einem Zeitpunkt, in dem sich
gerade die ersten Galaxien bildeten.
"Mit Hubble haben wir einige der ersten Protogalaxien entdeckt, die
entstanden sind, aber nichts, was so aussah, wie diese Galaxien hier", meint CfA-Kollege
Giovanni Fazio, der auch an den Beobachtungen beteiligt war. "In gewisser Weise
könnte es sich bei diesen Galaxien um ein fehlendes Verbindungsstück bei der
Entwicklung von Galaxien handeln."
Als nächstes hoffen die Astronomen die genaue Rotverschiebung der vier
Galaxien bestimmen zu können. Dazu benötigt man jedoch Beobachtungen mit
leistungsfähigeren Instrumenten, wie etwa mit dem Large Millimeter Telescope
oder dem Atacama Large Millimeter Array (ALMA). Außerdem hoffen die
Wissenschaftler noch weitere Galaxien dieses neuen, extrem roten Typs
aufzuspüren. "Es gibt Hinweise auf mehr Exemplare in anderen Bereichen des
Himmels. Wir wollen in weiteren Spitzer- und Hubble-Daten nach
ihnen Ausschau halten", so Fazio.
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