Galaxie mit neuer Rekordentfernung?
von Stefan Deiters astronews.com
27. Januar 2011
Astronomen könnten mit dem Weltraumteleskop Hubble
auf die entfernteste und damit älteste Galaxie gestoßen sein, die bislang
entdeckt wurde. Das Licht des Systems UDFj-39546284 hat 13,2 Milliarden Jahre
benötigt, um die Erde zu erreichen. Die Galaxie hat damit bereits existiert als
unser Universum lediglich 480 Millionen Jahre alt war.
Hubbles Blick auf die Galaxie UDFj-39546284.
Bild: NASA, ESA, G. Illingworth
(University of California, Santa Cruz), R.
Bouwens (University of California, Santa Cruz und
Universität Leiden) und das HUDF09 Team [Großansicht]
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Das Weltraumteleskop Hubble gehört mit zu den
leistungsfähigsten Instrumenten überhaupt. Jetzt haben Astronomen die
Möglichkeiten Hubbles voll ausgenutzt und sind dabei womöglich auf
die entfernteste bislang entdeckte Galaxie gestoßen. Das Licht dieses Objektes
war 13,2 Milliarden Jahre unterwegs bis es Hubble erreicht hat. Unser
Universum ist gegenwärtig 13,7 Milliarden Jahre alt. Die Rotverschiebung der
entfernten Galaxie, also die durch die Expansion des Universums verursachte
Verschiebung der Wellenlänge ihres Lichts, beträgt 10.
Die Rotverschiebung (z) ist gleichzeitig auch ein Maß für die Entfernung. In
den Zeiten vor Hubble waren nur Objekte bis zu einer Rotverschiebung
von etwa 1 zu erkennen. Dies entspricht einem Blick zurück in eine Zeit, zu der
unser Universum nur etwa die Hälfte seines heutigen Alters hatte. Hubble
gelang es dann zunächst bis zu einer Rotverschiebung von z=4 zurückzublicken,
was etwa 90 Prozent der Zeitspanne bis zum Urknall ausmacht. Mit der neuen
Wide Field Camera 3 könnte nun sogar ein Blick bis zu z=10 gelungen sein.
Die ersten Sterne entstanden vermutlich bei Rotverschiebungen zwischen 15 und
30. In diese Regionen könnte eventuell der Hubble-Nachfolger, das
James Webb Space Telescope, vordringen.
Bei der jetzt aufgespürten Galaxie mit der Bezeichnung UDFj-39546284 handelt
es sich vermutlich um eine kompakte Galaxie aus blauen Sternen, die ungefähr 480
Millionen Jahre nach dem Urknall existiert hat. Es ist ein vergleichsweise
winziges System: In unserer Milchstraße hätten davon etwa 100 Platz. Die Galaxie
ist offenbar deutlich weiter entfernt als die Galaxien, die erst unlängst bei
Hubble Ultra Deep Field-Beobachtungen entdeckt worden waren. Der
bisherige Rekordhalter darunter hatte eine Rotverschiebung von z=8,6, wir sehen
ihn also rund 600 Millionen Jahre nach dem Urknall (astronews.com berichtete).
"Wir können große Veränderungen in der Sternentstehungsrate erkennen. Das
deutet darauf hin, dass in noch größerer Vergangenheit noch dramatischere
Änderungen sichtbar werden", erklärt Garth Illingworth von der University of
California in Santa Cruz. Besonders das Ausmaß dieser Veränderungen hat die
Astronomen überrascht: Die Rate, mit der Sterne entstehen, scheint sich nämlich
in den 170 Millionen Jahren, die zwischen der neu aufgespürten Galaxie und den
schon bekannten Galaxien bei z=8 (entsprechend 650 Millionen Jahre nach dem
Urknall) liegen, um einen Faktor Zehn vergrößert zu haben.
"Diese Beobachtung liefern uns damit den bislang besten Einblick in die Natur
dieser frühen Objekte, die wir gerade erst zu entdecken beginnen", so Rychard
Bouwens von der Universität Leiden in den Niederlanden. "Wir stoßen immer weiter
in jene Bereiche vor, in denen sich dramatische Veränderungen abgespielt haben.
Noch einige Hundert Millionen Jahre zurück Richtung Urknall und wir können
tatsächlich die Entstehung der ersten Galaxien beobachten", so Illingworth.
Um die Galaxie aufzuspüren, analysierten die Astronomen über ein Jahr lang
Daten, die Hubble im Sommer 2009 und 2010 in einem bestimmten
Himmelsbereich, dem Hubble Ultra Deep Field, aufgenommen hatte. Die
Galaxie ist darauf als winziger verwaschener Fleck zu erkennen. Die
Wissenschaftler vermuten, dass die Galaxie, wie wir sie jetzt beobachten, etwa
100 bis 200 Millionen Jahre alt ist.
Wegen der extremen Entfernung ist das Licht der Galaxie so weit ins Rote
verschoben, dass Hubble es nur in den längsten Infrarotwellenlängen
nachweisen konnte. Das Teleskop arbeitete damit am Rande seiner Möglichkeiten.
Erst mit dem Hubble-Nachfolger, dem James Webb Space Telescope,
wird es daher möglich sein, noch weiter in die Vergangenheit zu blicken. Die
Astronomen berichten über ihre Entdeckung in der heutigen Ausgabe der
Wissenschaftszeitschrift Nature.
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