Merkur ein dynamischer Planet
von Stefan Deiters astronews.com
4. Mai 2009
Die Auswertung von Daten des zweiten Merkur-Vorüberflugs der
Sonde MESSENGER im Oktober 2008 hielt für die Astronomen einige
Überraschungen parat: So entdeckten sie auf den Bildern vom sonnennächsten
Planeten nicht nur ein bislang unbekanntes Einschlagbecken, sondern stellten
auch fest, dass die Magnetosphäre des Merkur deutlich dynamischer ist, als
zunächst erwartet worden war.

Das neu entdeckte Einschlagbecken Rembrandt auf
dem Merkur. Es dürfte sich um eines der jüngsten
Einschlagbecken auf den Planeten handeln.
Bild: NASA / Johns Hopkins University
Applied Physics Laboratory / Smithsonian
Institution / Carnegie Institution of Washington
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Der zweite Vorüberflug von MESSENGER (MErcury Surface,
Space ENvironment, GEochemistry, and Ranging) fand, wie berichtete, am 6.
Oktober 2008 statt. Dabei machte die Sonde, die im März 2011 in einen Orbit um
den sonnennächsten Planeten einschwenken soll, mehr als 1.200 Bilder der
Planetenoberfläche, darunter auch von Bereichen, die nie zuvor von einer Sonde
fotografiert worden waren. Über die Ergebnisse berichteten die beteiligten
Wissenschaftler in der am Freitag erschienenen Ausgabe der Fachzeitschrift
Science.
"MESSENGERs zweiter Merkur-Vorüberflug hat einige neue Erkenntnisse
geliefert", so Sean Solomon von der Carnegie Institution of Washington,
der verantwortliche Wissenschaftler für MESSENGER. "Eine der größten
Überraschungen war für uns, wie sehr sich die Magnetosphäre des Planeten seit
dem ersten Vorüberflug im Januar 2008 verändert hat. Zudem haben wir ein großes
und ungewöhnlich gut erhaltenes Einschlagbecken entdeckt. Der Nachweis von
Magnesium in der Exosphäre des Planeten deutet zudem darauf hin, dass Magnesium
ein wichtiger Bestandteil der Oberfläche des Planeten ist. Die neuen Bilder,
durch die wir nun praktisch die gesamte Oberfläche kennen, geben uns zudem einen
Eindruck davon, wie die Planetenkruste einst entstanden ist."
Der Fund von Magnesium in der Atmosphäre des Merkur gelang mit Hilfe des Mercury
Atmospheric and Surface Composition Spectrometer (MASCS). "Der Fund an sich
war nicht sehr überraschend", so William McClintock von der University of
Colorado, "aber die Menge und Verteilung war unerwartet. Dies ist nur ein
Beispiel für die vielen Einzelergebnisse, die das Team dann zusammensetzen muss,
um ein neues Bild davon zu bekommen, wie der Planet entstanden ist und sich
entwickelt hat." MASCS hat während des Vorüberflugs von MESSENGER auch weitere
Stoffe, wie Natrium und Kalzium in der Exosphäre des Planeten nachweisen können.
Überrascht haben die Forscher auch die neuen Daten über die Magnetosphäre des
Merkur: Diese zeigte sich während des zweiten Vorüberflugs nämlich deutlich
dynamischer als bei den ersten Untersuchungen im Januar. Die neuen Daten
könnten, so die Wissenschaftler, die Hypothese unterstützen, dass die
beobachteten Veränderungen in der Atmosphäre des Merkur sich durch
unterschiedlich starke Abschirmung des Sonnenwindes durch die Magnetosphäre
erklären lassen.
Neue Informationen brachte auch die Entdeckung eines bislang unbekannten
Einschlagbeckens: Das Rembrandt-Becken hat einen Durchmesser von über 700
Kilometern und entstand vermutlich vor etwa 3,9 Milliarden Jahren. Damit ist es
jünger als die meisten anderen bekannten Einschlagbecken auf dem Planeten. "Wir
konnten zum ersten Mal Regionen auf dem Boden eines Einschlagbeckens auf Merkur
sehen, die noch so aussahen wie zur Entstehungszeit des Beckens", freute sich
Thomas Watters vom MESSENGER-Team. "Solche Strukturen sind
normalerweise durch vulkanische Aktivitäten vollkommen verdeckt worden."
Zusätzlich zu den vielen Einzelergebnissen erhalten die Wissenschaftler auch
ein immer vollständigeres Bild der Merkur-Oberfläche. Vor den MESSENGER-Vorüberflügen
war nur etwa die Hälfte der Oberfläche von Sonden fotografiert worden,
inzwischen liegen von 90 Prozent hochauflösendes Bildmaterial vor. Dies erlaubt
den Forschern eine globale Perspektive auf die Entwicklung des sonnennächsten
Planeten.
Die Auswertung der Daten der ersten beiden Vorüberflüge wird noch einige Zeit
andauern. Gleichzeitig bereitet sich das Team auf den dritten Vorüberflug Ende
September 2009 vor. "Dies wird die letzte Probe für die Hauptphase der Mission
sein, das Einschwenken in einen Merkur-Orbit und die kontinuierliche Sammlung
von Daten", so Solomon. "Die Orbitphase der Mission ist etwa vergleichbar mit
zwei Vorüberflügen pro Tag. Da erwarten wir eine große Flut neuer Informationen.
Noch gibt der Merkur seine Geheimnisse nur sehr zögerlich preis, aber schon in
zwei Jahren wird der sonnennächste Planet ein guter Freund von uns geworden
sein."
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