Erster Euclid-Datensatz veröffentlicht
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com
20. März 2025
Die ESA hat gestern den ersten großen Datensatz des im Juli
2023 gestarteten Weltraumteleskops Euclid veröffentlicht. In nur kurzer
Zeit
hat das Teleskop bereits 26 Millionen Galaxien erfasst, am Ende der Mission
sollen es 1,5 Milliarden sein. Euclid sendet täglich etwa 100 Gigabyte Daten zur
Erde. Sie liefern wichtige Informationen zu Dunkler Materie und Dunkler Energie.

Einige Beispiele für Galaxien, die in einem
Katalog von mehr als 380.000 Galaxien enthalten sind, die
jetzt veröffentlicht wurden.
Bild: ESA / Euclid / Euclid Consortium /
NASA, Bildverarbeitung: M. Walmsley, M. Huertas-Company, J.-C.
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Die gestern veröffentlichten Euclid-Daten decken ein vergleichsweise großes
Himmelsgebiet von 63 Quadratgrad durch drei Bilder ab, die jeweils aus
Einzelaufnahmen bestehen. Am Ende der Mission sollen etwa ein Drittel des
gesamten Himmels beobachtet sein. Die aktuellen Daten beinhalten zahlreiche
Galaxienhaufen, aktive galaktische Kerne und veränderliche Phänomene. Diese
ersten Durchmusterungsdaten sind eine wahre Fundgrube an Informationen für
Forschende, die damit einige der faszinierendsten Fragen der modernen
Wissenschaft angehen können.
Mit Euclid können Astronominnen und Astronomen die kosmische
Geschichte und die unsichtbaren Kräfte erforschen, die das Universum formen und
in den Daten ergeben sich bereits erste Hinweise auf die großräumige Verteilung
der Galaxien im kosmischen Netz. Euclid ist ein Weltraumteleskop mit
einem außergewöhnlich großen Gesichtsfeld. In einer einzigen Aufnahme erfasst es
einen 240-mal größeren Bereich als das Hubble-Weltraumteleskop. Es liefert zudem
eine hervorragende Bildqualität sowohl im sichtbaren als auch im infraroten
Lichtspektrum. Das Hubble-Teleskop wurde gebaut, um möglichst tief in
vergleichsweise kleine Himmelsausschnitte einzutauchen. Euclid ist
etwas weniger empfindlich und sieht also bei gleicher Belichtungszeit weniger
der besonders weit entfernten und daher extrem schwach leuchtenden Galaxien.
Dieser Kompromiss ermöglicht Euclid aber, auf möglichst großer Fläche
gerade so viele Galaxien zu finden, wie sie theoretische Astrophysikerinnen und
Astrophysiker brauchen, um ihre kosmologischen Modelle zu testen und sich einen
Reim auf die darin enthaltene Dunkle Materie und Dunkle Energie zu machen.
Trotzdem wird es sich um mehr Daten und Informationen handeln, als bisher. "Wir
werden uns alle an die Fülle der Informationen gewöhnen müssen, die Euclid
Kosmologinnen und Kosmologen liefern wird", sagt Knud Jahnke vom
Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg.
Eine besondere Stärke von Euclid ist seine Optik, die für die
Beobachtung von Infrarotlicht gebaut wurde. Das Teleskop trägt in seinem Inneren
die größte Linse, die je in den Weltraum geschickt wurde. "Ein großes
Gesichtsfeld bedeutet eine große Optik", sagt Jahnke. Gemeinsam mit dem
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching haben die
Heidelberger entscheidende Komponenten für Euclids Infrarot-Instrumente
geliefert. Das Infrarotlicht durchläuft vier Linsen, ein Filter und einen
Strahlteiler. Dennoch erzielt Euclid einen außerordentlich hohen
Kontrast. "Die Anforderungen an die Vermeidung von Geisterbildern werden um das
Hundertfache übertroffen. Das optische Design und die präzise Ausführung der
Optik durch beide Institute setzen neue Maßstäbe für Bildschärfe und Kontrast",
sagt Frank Grupp, der die Entwicklung der Nahinfrarot-Optik am
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik leitete.
Ferner trägt das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik zur
Erforschung der Galaxienentwicklung bei. "Wir haben einen Katalog mit über
70.000 spektroskopischen Rotverschiebungen aus verschiedenen
Himmelsdurchmusterungen zusammengestellt und mit den Euclid-Daten verknüpft",
erklärt Christoph Saulder, der diesen Teil des Projekts leitete. "Damit lassen
sich die Entfernungen präzise bestimmen und zahlreiche Galaxien sowie Quasare in
den hochaufgelösten Euclid-Bildern eindeutig identifizieren. Der Katalog bildet
eine wichtige Grundlage, um diese Objekte, ihre Verteilung und ihre
Eigenschaften besser zu verstehen."
"Wir verwenden die neuen Daten, um die Techniken zur Messung der optischen
Verzerrung auf kosmischen Skalen und zur Kalibrierung der Rotverschiebung zu
testen. Diese Methoden wenden wir später auf die viel größeren Euclid-Datensätze
an, um das wichtigste wissenschaftliche Ziel zu erreichen – die
Präzisionsmessung der Dunklen Energie", sagt Hendrik Hildebrandt von der
Ruhr-Universität Bochum. Er leitet das Schlüsselprojekt zur Messung der
kosmischen Scherung und die Arbeitsgruppe zur Kalibrierung der Rotverschiebung.
Weiterhin haben Forschende der Ludwig-Maximilians-Universität in München
Methoden zur Identifizierung und Charakterisierung von Galaxienüberdichten
getestet, ein entscheidender Schritt bei der Rekonstruktion der großräumigen
Struktur des Universums. "Unsere Methoden zur Aufspürung von Galaxienhaufen sind
der Schlüssel zur vollständigen Auswertung von Euclids riesigen
Datenmengen. Sie verbessern die Identifizierung von Haufen und tragen zu einem
tieferen Verständnis der kosmischen Strukturbildung bei. Gleichzeitig helfen
sie, bisher unerforschte Bereiche im nahen Infrarot mit einer statistisch
signifikanten Auswahl von Objekten zu erkunden", sagt Barbara Sartoris von der
Ludwig-Maximilians-Universität. Bei zahlreichen Euclid-Studien spielen auch die
Forschenden des Max-Planck-Institut für Astronomie eine führende Rolle. Sie
nutzen die Daten, um zu ergründen, wie supermassereiche Schwarze Löcher wachsen,
wie sich Galaxien entwickeln und wie sich das Licht stark variabler
Himmelsobjekte über die Zeit verändert.
Euclid hat die drei Gebiete am Himmel untersucht, die schließlich
die tiefsten Beobachtungen seiner Mission liefern werden. Die Forschenden
sammelten mit Euclid also besonders lange Licht aus diesen
Himmelsbereichen, was sehr weit entfernte Galaxien sichtbar macht. Nach nur
einer Woche hatte Euclid bereits 26 Millionen Galaxien entdeckt. Die
weitesten von ihnen sind bis zu 10,5 Milliarden Lichtjahre entfernt. Die Felder
erstrecken sich über eine Fläche, die mehr als dem 300-fachen des Vollmonds
entspricht.
Euclid vermisst mit seiner hochauflösenden Kamera für das sichtbare
Licht (Vis) präzise die verschiedenen Formen und die Verteilung von Milliarden
von Galaxien. Mit dem Nahinfrarot-Instrument (Nisp) bestimmen die Astronominnen
und Astronomen, wie weit die Galaxien jeweils entfernt und wie massereich sie
sind. Das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik war für den Entwurf
und die Konstruktion der Nahinfrarot-Optik des Nisp verantwortlich.
Entscheidende Aufgaben bei der Kalibrierung von Nisp übernimmt wiederum das
Max-Planck-Institut für Astronomie. Ingenieure und Wissenschaftlerinnen des
Max-Planck-Institut für Astronomie sind verantwortlich für die Kalibrierung der
Nahinfrarotkamera Nisp, führen Simulationen und fortlaufend technische Analysen
des Instruments durch.
Das Euclid-Konsortium hat ein europäisches Netz von neun Datenzentren
aufgebaut, darunter das deutsche Wissenschaftsdatenzentrum (SDC-DE) am
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik. Es ist mit 7000 Prozessoren
ausgestattet und verarbeitet zehn Prozent der aufgenommenen Daten. Ein Team von
mindestens zehn Experten sorgt für eine reibungslose und konsistente
Verarbeitung der astronomischen Bilddaten. Max Fabricius vom Max-Planck-Institut
für extraterrestrische Physik, der das SDC-DE leitet, sagt: "Täglich werden etwa
100 GB an Rohdaten praktisch in Echtzeit verarbeitet. Die Anforderungen an die
fotometrische Präzision sind enorm und erfordern einen gänzlich neuen Ansatz bei
den Methoden zur Kalibrierung der Daten." Das Team nutzt maschinelles Lernen,
kombiniert mit der Unterstützung Tausender Freiwilliger und Experten aus der
Bürgerwissenschaft, um all die Galaxien in den Daten zu finden, sie zu
analysieren und zu katalogisieren.
Auf diesem Weg stellt der erste detaillierte Katalog von mehr als 380.000
Galaxien einen wichtigen Meilenstein dar. Hier wurden die charakteristischen
Merkmale all dieser Galaxien erfasst, wie etwa ihre Spiralarmen, zentralen
Balken und Schweife, die auf verschmelzende Galaxien hinweisen. Der endgültige
Katalog wird die detaillierte Gestalt von mindestens einer Größenordnung mehr
Galaxien zeigen, als jemals zuvor gesammelt wurde. Er trägt dazu bei zu
ermitteln, wie sich Spiralarme bilden und supermassereiche Schwarze Löcher
wachsen.
Licht, das von weit entfernten Galaxien auf uns zukommt, wird durch normale
und dunkle Materie im Vordergrund abgelenkt und verzerrt. Denn die enorme
Schwerkraft dieser Materie krümmt die Raumzeit und Licht von einer dahinter
liegenden Quelle erreicht das Teleskop auf gekrümmten Bahnen, ähnlich des
Lichts, das durch eine Sammellinse läuft. Das Euclid-Konsortium will diesen
Gravitationslinseneffekt nutzen, um zu kartieren, wie sich die Dunkle Materie im
Universum verteilt. Sind diese Verzerrungen besonders stark, führt das zu
kreisrunden Lichtringen, sogenannte Einsteinringe. Auch weite Bögen und
Mehrfachbilder sind möglich. Der erste Datensatz umfasst 500 fast ausnahmslos
neue Kandidaten für solche starken Gravitationslinsen.
Forschende des Max-Planck-Institut für Astronomie waren an der
Klassifizierung dieser Linseneffekte in den Bilddaten beteiligt, auch hier
nutzten sie die künstliche Intelligenz. "Am Ende der Mission werden wir einen
200-mal größeren Himmelsbereich ausgewertet haben, hier wird KI unerlässlich
sein. Die Zahl der durch den Linseneffekt verzerrten Galaxien wird
wahrscheinlich in die 100.000 gehen, etwa 100-mal mehr als derzeit bekannt",
sagt Jahnke. Euclid wird auch "schwache" Linseneffekte messen. Diese
entstehen, wenn die Verzerrungen der Hintergrundquellen viel geringer sind.
Solche subtilen Verzerrungen lassen sich nur durch die statistische Auswertung
einer großen Anzahl von Galaxien nachweisen.
Die neuen Daten wurde in mehreren Fachartikeln präsentiert, die in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erscheinen sollen.
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