Von der ISS aus hat NASA-Astronaut Frank Rubio gleichzeitig
mehrere Roboter auf der Erde gesteuert, die in Oberpfaffenhofen eine
nachgebildete Marslandschaft erkundeten. Rubio ließ die Roboter nach Bedarf
teil- oder vollautonom agieren. Die Mensch-Roboter-Kollaboration war Auftakt
einer neuen ISS-Experimentreihe zur robotischen Erkundung von Planeten.
Das Weltall, den Mond oder den Mars erkunden – dazu entwickelt das
Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Schlüsseltechnologien wie die
Telepräsenz-Robotik. So könnten Roboter auf einem fernen Planeten Aufgaben
erledigen, die ein Mensch vom Raumschiff im Orbit aus kommandiert. Wie das
künftig funktionieren kann, hat nun das Missionsteam Surface Avatar
am DLR in Oberpfaffenhofen gezeigt: Von der Internationalen Raumstation ISS
aus steuerte eine einzelne Person, NASA-Astronaut Frank Rubio, gleichzeitig
mehrere Roboter auf der Erde und ließ sie nach Bedarf teil- oder vollautonom
agieren. Diese Kollaboration von Mensch und Roboterteam ist weltweit
einmalig und der erfolgreiche Auftakt einer neuen ISS-Experimentreihe.
Das Projekt Surface Avatar wird vom DLR-Institut für Robotik und
Mechatronik geleitet und erfolgt in Zusammenarbeit mit der europäischen
Weltraumorganisation ESA. "Für uns ist es sehr wichtig, den Aspekt der
Mensch-Roboter-Kollaboration in den Vordergrund zu stellen, um
Astronautinnen und Astronauten die optimale Unterstützung bereitzustellen.
Dazu haben wir vor Jahren bereits die Technologie der kollaborativen Roboter
entwickelt, die mittlerweile auch terrestrisch breit eingesetzt wird. Mit
den neuesten Durchbrüchen in der KI werden Roboter so vielseitig und
intelligent, dass sie leicht auch von Nicht-Robotikern genutzt werden
können", erklärt Prof. Alin Albu-Schäffer, Direktor des DLR-Instituts für
Robotik und Mechatronik. Das Robotikteam verfolgt mit den Experimenten zwei
Ziele: Zum einen soll demonstriert werden, wie unterschiedliche Roboter
zusammen komplexe Aufgaben für Weltraummissionen erledigen können. Zum
anderen untersucht das Team die Variationen, wie sich die Roboter
telekommandieren lassen, um diese als intelligente Co-Worker jederzeit genau
so einzusetzen, wie es die Situation erfordert.
Für das aktuelle Experiment wurde im Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum
am DLR-Standort in Oberpfaffenhofen eine Marslandschaft aufgebaut. In dem
Szenario sollten drei Roboter als "Vorhut" des Menschen erste Arbeiten auf
der Planetenoberfläche ausführen. Astronaut Frank Rubio kommandierte die
Roboter vom Columbus-Modul der ISS aus und konnte in der zweistündigen
Versuchszeit alle Aufgaben umsetzen: Mithilfe des humanoiden DLR-Roboters
Rollin’ Justin entlud er den Lander und installierte einen
seismischen Sensor. Den Interact Rover der ESA nutzte der Astronaut
zur Überwachung des Geländes und den DLR-Lander LAMA zur Unterstützung der
wissenschaftlichen Aktivitäten.
Als völlig neue Technologie testete Rubio eine Steuerung mit skalierbarer
Autonomie. Er konnte also bestimmen, in welchem Umfang ein Roboter eine
Aktion selbstständig ausführen soll. Per Knopfdruck konnte er einen Roboter
eine Aufgabe vollständig autonom ausführen lassen. Der Astronaut konnte aber
auch als Avatar den Roboter übernehmen und einzelne Arbeitsschritte wie mit
eigener Hand ausführen. Dazu stand ihm das Robot Command Terminal
(RCT) zur Verfügung, das drei Bedienelemente vereint: Über einen Bildschirm
konnte er jederzeit sehen, was der einzelne Roboter sieht, mithilfe eines
Joysticks die Bewegungen steuern und dank eines Interaktionsgeräts mit
Kraftrückkoppelung fühlen, was der Roboter "fühlt". Als Rubio als Rollin‘
Justin zum Beispiel ein Seismometer auf der simulierten
Planetenoberfläche platzierte, spürte der Astronaut den Widerstand des
Instruments in der Hand.
Das RCT ist intuitiv bedienbar, sodass sich der Astronaut schnell an die
Tele-Steuerung gewöhnte. Die meisten Aufgaben konnte er dadurch ohne
Hilfestellung umsetzen. Das Robotikteam überwachte das Experiment vom
Marslabor in Oberpfaffenhofen aus und stand in Funkkontakt mit dem
US-Amerikaner auf der ISS. "Wir freuen uns, einen Schritt weiter zu sein, um
Raumfahrenden und Expertinnen und Experten auf der Erde eine breite Palette
von Möglichkeiten anzubieten und ganze Teams aus verschiedenen Robotern vom
Weltraum aus zu steuern und zu verwalten. Wir werden künftig in der Lage
sein, unsere Roboter auf der Oberfläche als ihre physischen Avatare und als
intelligente Mitarbeitende zu nutzen, die immer komplexere Aufgaben
ausführen", sagt Principal Investigator Dr. Neal Y. Lii vom DLR-Institut für
Robotik und Mechatronik.
"Diese Mensch-Roboter-Kollaboration ebnet den Weg für zukünftige
Missionen und permanente Außenposten auf dem Mond und darüber hinaus",
ergänzt ESA-Projektleiter Dr. Thomas Krüger vom ESA Human-Robot Interaction
Laboratory. Damit sich das Projektteam auf das fachliche Geschehen
konzentrieren konnte, wurden sie von den Kolleginnen und Kollegen des
Columbus-Kontrollzentrums unterstützt. So sorgte das Betriebsteam für die
technischen Voraussetzungen und behielt im Blick, dass Surface Avatar
und die anderen Aktivitäten an Bord der ISS aufeinander abgestimmt waren.
Nach der erfolgreichen Technologiedemonstration folgt nun die
detaillierte Auswertung sowie die Vorbereitung der nächsten Simulationen.
Surface Avatar sieht mindestens drei Experimente im Abstand von
rund sechs Monaten vor, die immer umfangreicher und komplexer werden. Die
Forschenden von DLR und ESA werden die Fähigkeiten und Telekommandierung der
Roboter dazu gezielt weiterentwickeln. Hinzukommen wird auch DLR-Roboter
Bert, der mit seinem hundeähnlichen Körper auf vier Beinen auch
unwegsames Gelände erkunden kann.
"Es geht darum, den Einsatz von intelligenten Robotern zusammen mit
Astronautinnen und Astronauten zu demonstrieren und zu üben und die
Schnittstellen weiterhin zu verbessern, um die Technologie in den nächsten
Missionen zum Mond und später zum Mars einzusetzen", fasst Albu-Schäffer
zusammen. Roboter können überall dort eingesetzt werden, wo es für den
Menschen zu gefährlich ist. Erkundungsmissionen im Weltraum sind ohne
robotische Unterstützung daher undenkbar.
Für künftige Missionen wird die Interaktion von Mensch und Roboter eine
noch wichtigere Rolle spielen. Aus den Surface-Avatar-Experimenten gewinnen
die Forschenden dazu grundlegende Daten, zum Beispiel wie sich die
Latenzzeiten auf die Steuerung auswirken, wie die Schwerelosigkeit die
Wahrnehmung des Astronauten beeinflusst und welche Herausforderungen sich im
Betrieb stellen. Für das kommende Lunar Gateway und andere
Missionen zum Mond oder Mars wird Surface Avatar die Telerobotik
somit entscheidend weiterbringen.