Rollin' Justin aus dem All gesteuert
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
20. August 2018
Wie können Roboter Astronauten bei der Erkundung ferner
Planeten am besten unterstützen? Dies wollen Ingenieure mithilfe eines
Experiments herausfinden, das der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst auf der
Internationalen Raumstation ISS durchgeführt hat. Am Freitag mussten Gerst und
der Roboter Rollin' Justin dabei eine besonders knifflige Aufgabe zu lösen.
Die Simulation eines Ernstfalls war der
kritischste Teil des Experiments am 17.August
2018 bei dem Alexander Gerst an Bord der ISS
spontan auf einen unbekannten Defekt reagieren
musste. An Bord der ISS konnte der deutsche
ESA-Astronaut den humanoiden DLR-Roboter "Rollin‘
Justin" erfolgreich seine neue Aufgabe zuweisen -
den Austausch eines durchgebrannten Moduls in der
Satellitenempfangsanlage.
Foto: DLR (CC-BY 3.0) [Großansicht] |
Alexander Gerst stutzt – Rauch steigt aus der Satellitenempfangsanlage, die
er mithilfe seines robotischen Avatars gerade auf dem Mars aufbaut. Jetzt heißt
es schnell und richtig handeln, für Mensch und Maschine… Die Simulation eines
Ernstfalls ist der kritischste Teil des neuesten Telerobotik-Experiments am
Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), bei dem ein Astronaut an Bord
der Internationalen Raumstation ISS den humanoiden Roboter "Rollin‘ Justin" in
Oberpfaffenhofen per Tablet fernsteuert. Das letzte von insgesamt drei "METERON
SUPVIS-Justin"-Experimenten fand am 17. August 2018 im Marslabor des
DLR-Instituts für Robotik und Mechatronik statt, mit erfolgreicher Unterstützung
des deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst im Rahmen seiner Mission "horizons".
Die Neuerung und besondere Herausforderung dieses Experiments liegt in der
hohen Eigenständigkeit des Astronauten und dem größeren Handlungsspektrum des
robotischen Co-Workers. So musste Alexander Gerst nicht nur die bisher
komplexesten Telerobotik-Aufgaben im Weltraum meistern, sondern auch auf
unerwartete Situationen reagieren.
"In der astronautischen Raumfahrt spielen intelligente Roboter zukünftig eine
wichtige Rolle, insbesondere bei Explorationsaufgaben. Sie können die Arbeit des
Menschen im Orbit und auf der Erde unterstützen, schwer zugängliche sowie
risikoreiche Regionen erkunden", sagt Prof. Hansjörg Dittus, Vorstandsmitglied
des DLR für Raumfahrtforschung und –technologie. "Darüber hinaus werden die
Technologien und Ergebnisse des Experimentes METERON SUPVIS-Justin auch
vielfältige Anwendungen auf der Erde ermöglichen. Das gilt insbesondere für
Bereiche die eine zuverlässige und sichere Kooperation und Interaktion zwischen
Mensch und Maschine verlangen, etwa in der Assistenz- und Pflegerobotik oder bei
der industriellen Konstruktion und Wartung." Erst im Mai stellte das
DLR-Institut für Robotik und Mechatronik sein Projekt SMiLE vor, das Roboter zur
Pflegeunterstützung von Personen im Alter oder mit körperlichen
Beeinträchtigungen entwickelt.
Die Steuerung von "Rollin‘ Justin" erfolgt intuitiv, das bedeutet Alexander
Gerst bestimmt über das Tablet welche Arbeitsschritte der Roboter durchführen
soll, aber nicht wie diese genau auszuführen sind. Der humanoide Roboter
erledigt kontextbezogene elementare Aufgaben und trifft mithilfe seiner
künstlichen Intelligenz die dazu notwendigen Entscheidungen. Im Rahmen der
europäischen Experimentreihe METERON (Multi-Purpose End-to-End Robotic Operation
Network) haben die Robotikexperten am DLR ihre Telerobotik-Technologien
weiterentwickelt und realistische Szenarien zur Planetenexploration geschaffen.
Damit ist der Nachweis geführt, dass robotische Co-Worker eine wertvolle und
teilweise sogar notwendige Unterstützung für den Menschen sind und für eine
große Bandbreite an Erkundungs-, Aufbau- und Wartungsarbeiten eingesetzt werden
können. "Unser Ziel ist es zu demonstrieren, dass robotische Co-Worker auf
fernen Planeten oder dem Mond eingesetzt werden können. Sie können uns helfen,
die erste Kolonie im Weltall aufzubauen. Die Bedienkonzepte und Technologien,
die wir kontinuierlich dazu entwickeln, sollen die Grundlage für zukünftige
robotische Welltraummissionen bilden", erklärt Projektleiter Dr. Neal Lii vom
DLR-Institut für Robotik und Mechatronik.
Für ein möglichst realistisches Szenario waren Alexander Gerst und Rollin‘
Justin auf sich gestellt und führten ihren Auftrag weitgehend ohne Kontakt zur
Bodencrew aus. Trotz der Einschränkungen konnte der deutsche ESA-Astronaut
intuitiv mit seinem Roboterkollegen interagieren und selbst die komplexen
Aufgaben erfolgreich steuern – von der Wartung einer Solaranlage bis zum Aufbau
einer Empfangsstation. Höhepunkt des zweistündigen Live-Experiments war der
erfolgreiche Austausch des plötzlich brennenden Stationsmoduls. So konnte das
Team von METERON SUPVIS-Justin demonstrieren, dass intelligente Roboter den
Menschen auch in unerwarteten Situationen in der Ferne unterstützen – wie ein
"Arbeitskollege" vor Ort.
Der deutsche ESA-Astronaut Dr. Alexander Gerst startete am 6. Juni 2018 zur
Internationalen Raumstation ISS für seine zweite Langzeitmission: "horizons –
Wissen für morgen". Bis zu seiner Rückkehr im Dezember 2018 wird Gerst an
insgesamt 67 europäischen Experimenten arbeiten, davon stammen 41 aus
Deutschland. Sie sollen zu Lösungen für die globalen gesellschaftlichen
Herausforderungen wie Gesundheit, Umwelt und Klimawandel sowie Digitalisierung,
Industrie 4.0, Energie und Mobilität von Morgen beitragen.
Das METERON SUPVIS-Justin Experiment ist eine Kooperation zwischen dem DLR
und der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Für den Einsatz der neuen
Telerobotik-Technologien dient die ISS und das Columbus-Modul als
ideale Testumgebung. Unterstützt wurden die Aktivitäten vom
Columbus-Kontrollzentrum, das zum Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum (GSOC) am
DLR-Standort in Oberpfaffenhofen gehört. Das Columbus-Kontrollzentrum ist für
den Betrieb des ISS-Weltraumlabors verantwortlich und seit zehn Jahren rund um
die Uhr im Einsatz. Insgesamt betreuen rund 80 Mitarbeiter am GSOC die
europäischen Forschungsarbeiten auf der ISS.
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