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Jubiläums-Kampagne mit Astronaut
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
18. September 2019
Parabelflüge gelten als eine Art Brücke ins All. Seit 20
Jahren werden im Auftrag des Deutsche Zentrums für Luft- und Raumfahrt
Parabellflugkampagnen vom französischen Bordeaux aus durchgeführt - zuletzt
wieder Anfang September. Bei dieser Jubiläums-Kampagne waren 14 Forschungsteams
dabei, darunter auch der deutsche ESA-Astronaut Matthias Maurer.

Matthias Maurer zusammen mit seinem
französischen ESA-Astronautenkollegen Thomas
Pesquet. Pesquet ist auch Pilot im A310 ZERO-G.
Bild: Novespace [Großansicht] |
Zum 34. Mal kamen vom 2. bis 13. September 2019 Wissenschaftler und
Ingenieure deutscher Hochschulen und Forschungseinrichtungen ins südfranzösische
Bordeaux, um an Bord des europaweit einzigen Parabelflugzeugs A310 ZERO-G unter
der "Flagge" des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in
Schwerelosigkeit zu arbeiten. Parabelflüge gelten als "Brücke" ins All und
dienen insbesondere als Testplattform von Experimenten für die Internationale
Raumstation ISS.
14 unterschiedliche Teams nutzten die Vorbereitungs- und die anschließende
Flugwoche, um besonderen Fragestellungen aus den Bereichen (Grundlagen-) Physik,
Biologie, Technologie und Materialwissenschaften sowie Humanphysiologie auf den
Grund zu gehen. Als prominenter Experimentator war Matthias Maurer an Bord. Der
deutsche ESA-Astronaut war Teil des FLUMIAS-Teams der Universitäten in Frankfurt
und Marburg sowie von Airbus in Bremen. FLUMIAS ist ein Fluoreszenz-Mikroskop,
mit dem man Zellen und Gewebe, unter anderem Pflanzenzellen, lebend und in hoher
dreidimensionaler und zeitlicher Auflösung in der Schwerelosigkeit beobachten
kann.
"Pflanzen sind Modellorganismen für die Wahrnehmung und Anpassung an die
Schwerkraft. Sie spielen auch im All eine wesentliche Rolle als Nahrungs- und
Sauerstoffquelle sowie als Abfallregenerator. Wir haben im Parabelflug die
Wahrnehmung und frühe Signalweiterleitung nach Schwerkraftänderungen
untersucht", erklärt Maurer. "Für mich war es besonders interessant, wie schnell
die Pflanzen auf die Schwerelosigkeit reagieren und Botenstoffe ausschütten. Ich
freue mich schon darauf, FLUMIAS in wenigen Jahren auf der Raumstation zu sehen
und eventuell sogar selbst in Betrieb zu nehmen."
FLUMIAS wurde von Airbus im Auftrag des DLR Raumfahrtmanagements für den
Einsatz beim Parabelflug und auf TEXUS-Forschungsraketen gebaut und bietet
Wissenschaftlern seit 2014 die Möglichkeit, an lebenden Zellen in
Schwerelosigkeit zu forschen. Auf der Internationalen Raumstation ISS kam im
Jahr 2018 zudem ein Demonstrator eines weiterentwickelten FLUMIAS - hier in der
Größe eines Schuhkartons - erfolgreich und erstmalig für das sogenannte
"Live-Cell-Imaging" zum Einsatz. "Für die Zukunft steht das Projekt
´FLUMIAS-ISS´ an, das mit einer perfektionierten Form des Mikroskops Forschern
aus Deutschland - und in Kooperation mit der ESA auch aus anderen Ländern - zur
Verfügung stehen soll", erläutert DLR-Parabelflugprogrammleiterin Katrin Stang.
Maurer - selbst promovierter Werkstoffwissenschaftler - hat außerdem als
"assoziiertes Teammitglied" beim Experiment "Flying OCULUS" (Optical Coatings
for Ultra Lightweight Robust Spacecraft Structures) mitgearbeitet: Entwickelt in
einer Kooperation des Instituts für Raumfahrttechnik der TU Braunschweig mit der
INVENT GmbH und dem Fraunhofer IST wurde ein Prozess entwickelt, um die
Oberflächen von Kohlenstoff-Faserverbund (CFK)-Werkstoffen zu metallisieren.
Ziel ist hierbei, weltraumtaugliche, leichte und kostensparende Spiegelsysteme
herzustellen, die zum Beispiel bei Weltraumteleskopen eingesetzt werden können.
"Wir haben beim Parabelflug das Konzept und die Mechanik der Entfaltung eines
Leichtbauspiegels mit 75 Prozent Gewichtsreduktion im Vergleich zu
konventionellen Spiegelsystemen in der Raumfahrt getestet, der in einem
CubeSat-Kleinsatelliten eingebaut war", sagt Maurer. "Leichtbau ist ein
Schlüsselthema für die Raumfahrt. Denn jedes Kilogramm kostet mehr als 10.000
Euro, um es in den Weltraum zu bringen. Das System hat in Schwerelosigkeit
erfolgreich funktioniert."
Vom DLR selbst waren das Institut für Materialphysik im Weltraum aus Köln, in
Kooperation mit der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), mit
einem Experiment zum 3D-Druck in Schwerelosigkeit und das Institut für Robotik
und Mechatronik aus Oberpfaffenhofen bei München mit ECOS, einem Experiment für
teleoperierte Anwendungen ("Mensch-Maschine-Interaktion") an der Kampagne
beteiligt. Bei ECOS geht es darum, anstelle eines Joysticks zur Steuerung eines
Roboterarms im All eine Schnittstelle zu nutzen, die die Muskelaktivität
elektrisch erfasst und durch die Kontraktion verschiedener Muskelgruppen
Steuersignale erzeugt. Diese Technologie ist neben der Teleoperation auch für
prothetische Anwendungen interessant.
Die Gründe, warum Parabelflugkampagnen so interessant für die Wissenschaft
sind, waren übrigens vor 20 Jahren dieselben wie heute: "Auf der Erde herrscht
immer und überall Schwerkraft. Aber was passiert genau in biologischen oder
nicht-biologischen Systemen, wenn die Schwerkraft keinen Einfluss mehr hat? Der
Parabelflug erlaubt über das spezielle Flugmanöver, die Schwerkraft für eine
kurze Zeit lang 'auszusetzen', weil die wirkenden Kräfte sich gegenseitig
aufheben. Das ist perfekt, um die vielen offenen Fragen in der Biologie, der
Humanphysiologie, Materialforschung und Physik zu klären, die wir hier auf der
Erde nicht beantworten können - und damit möglichst gut gerüstet zu sein, wenn
es Richtung Exploration geht", erklärt Stang.
Denn die einzige Möglichkeit, auf der Erde beziehungsweise in ihrem direkten
Umfeld in Schwerelosigkeit zu forschen, sind Experimente in Falltürmen,
Forschungsraketen oder eben - wenn Menschen ins Spiel kommen - bei
Parabelflügen. Deutsche Wissenschaftler nutzten Parabelflüge schon seit den
1980er-Jahren, damals noch innerhalb des ESA-Programms oder über Kooperationen
mit anderen Raumfahrtnationen.
Auf der ersten eigenständigen DLR-Kampagne vor 20 Jahren - im Dezember 1999 -
mit acht wissenschaftlichen Experimenten waren u.a. die Vor- und
Begleitexperimente für das erste Plasmakristall-Experiment auf der
Internationalen Raumstation ISS (2001-2005) mit an Bord: "Die Versuche im Jahr
1999 legten mit die Basis für die später sehr erfolgreiche Reihe von
deutsch-russischen Plasmakristall-Experimenten auf der ISS", so Stang. Auf der
34. Kampagne war nun ein neues Experiment vom DLR Institut für Materialphysik im
Weltraum an Bord, um die Forschung im Bereich der Plasmakristalle fortzusetzen.
Die Firma Novespace organisierte im Auftrag der europäischen
Raumfahrtagenturen ESA, CNES und DLR die Forschungsflüge bis 2014 mit einem
umgebauten Airbus A300 ZERO-G, seit 2015 kommt dafür sein Nachfolger, ein Airbus
A310 ZERO-G, zum Einsatz.
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