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Neue Hinweise auf einen mehrschichtigen Erdkern
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Münster astronews.com
10.
Dezember 2025
Durch Experimente am DESY in Hamburg hat ein Forschungsteam
neue Hinweise auf eine schichtartige Struktur im inneren Erdkern gefunden.
Offenbar können sich dadurch Erdbebenwellen je nach Ausbreitungsrichtung
unterschiedlich schnell bewegen. Die Ergebnisse könnten eine Erklärung für lange
Zeit rätselhafte seismische Anomalien im Erdinneren liefern.

Ein Einblick in den Versuchsaufbau am DESY
in Hamburg zeigt die Vakuumkammer mit der
Hochtemperatur-Diamant-Ambosszelle: Die orange Farbe stammt
von Licht, das die Zelle bei hoher Temperatur ausstrahlt.
Foto: Carmen Sanchez-Valle [Großansicht] |
Ein internationales Forschungsteam hat eine mögliche Erklärung für
rätselhafte seismische Anomalien im inneren Erdkern gefunden: Es handelt sich um
Erdbebenwellen, die sich je nach Ausbreitungsrichtung unterschiedlich schnell
bewegen. Forscherinnen und Forscher der Universität Münster, vom Deutschen
Elektronen Synchrotron (DESY), der Universität Lille und der European
Synchrotron Radiation Facility (ESRF) simulierten dafür Bedingungen, wie
sie tief im Erdinneren herrschen. Mithilfe von Röntgenstrahlen untersuchten sie
das Verhalten von Eisenlegierungen, die Silizium und Kohlenstoff enthalten. Die
Ergebnisse aus der Hamburger Großforschungsanlage PETRA III bei DESY zeigen:
Eine schichtartige Struktur im inneren Erdkern – vergleichbar mit den Schalen
einer Zwiebel – könnte dafür verantwortlich sein, dass sich Erdbebenwellen dort
auf ungewöhnliche Weise ausbreiten.
Der Erdkern besteht hauptsächlich aus Eisen, in kleineren Mengen sind jedoch
auch leichtere Elemente wie Silizium, Kohlenstoff und Sauerstoff enthalten, die
mit dem Eisen Legierungen bilden. Der äußere Erdkern ist flüssig, der innere
Erdkern ist fest. Seismologische Messungen zeigen seit Langem, dass sich
bestimmte Erdbebenwellen entlang der Erdachse etwa drei bis vier Prozent
schneller bewegen als in der Äquatorebene. Außerdem unterscheiden sich diese
Effekte zwischen dem äußeren und dem inneren Bereich des inneren Kerns.
"Es gibt mehrere Theorien zu den Ursachen dieser Unterschiede", betont Carmen
Sanchez-Valle vom Institut für Mineralogie der Universität Münster. Eine
mögliche Erklärung sei die sogenannte "lattice-preferred orientation", bei der
sich die Kristalle im Eisen spezifisch ausrichten. Bisher fehlten jedoch
experimentelle Daten dazu, insbesondere für Mischungen aus Eisen, Silizium und
Kohlenstoff. "Deshalb haben wir gezielt untersucht, wie sich Silizium und
Kohlenstoff gemeinsam auf die Verformungseigenschaften von Eisen auswirken", so
Sanchez-Valle.
Für die Experimente stellte das Team Legierungen aus Eisen, Silizium und
Kohlenstoff her. Diese wurden in einer Diamantstempelzelle zwischen zwei
abgeflachten Diamantambossen extrem stark zusammengedrückt und mit einem
Graphitheizer auf über 820 Grad Celsius erhitzt. Der dabei erreichte Druck
entsprach etwa dem Millionfachen des normalen Luftdrucks. Die Röntgenmessungen
zeigten, dass sich während der Kompression eine bevorzugte Ausrichtung der
Kristalle bildete. "Mithilfe einer speziellen Röntgenmethode konnten wir diese
Kristallausrichtung sichtbar machen", erklärt Efim Kolesnikov von der
Universität Lille.
Aus den Messdaten berechneten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
wichtige Materialeigenschaften, wie beispielsweise die Festigkeit und
Zähflüssigkeit. Mithilfe theoretischer Modelle übertrugen sie diese Werte auf
die Bedingungen im inneren Erdkern. Die Unterschiede in der Ausbreitung von
Erdbebenwellen lassen sich mit der chemischen Zusammensetzung des Materials
erklären, das sich mit zunehmender Tiefe ändert – der Eisenanteil nimmt nach
innen hin zu. "Das passt gut zu den Geschwindigkeitsunterschieden, die wir in
seismischen Messungen beobachten", sagt Projektleiter Ilya Kupenko.
Die Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem
Europäischen Forschungsrat (ERC) im Rahmen des Förderprogramms LECOR finanziert.
Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Nature Communications
veröffentlicht.
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