Bricht Komet ISON auseinander?
von
Stefan Deiters astronews.com
20. November 2013
Die
Helligkeit des Kometen C/2012 S1 (ISON) hat sich in der vergangenen Woche innerhalb
kurzer Zeit deutlich erhöht. Astronomen glauben nun, den Grund für diesen Helligkeitsanstieg
gefunden zu haben: Vom Kometenkern haben sich vermutlich ein oder mehrere
Fragmente gelöst. Die Beobachtung von ISON wird inzwischen zunehmend
schwieriger.
Der Komet C/2012 S1 (ISON) am 16. November 2013 mit den
verräterischen Flügelstrukturen in der Koma.
Bild: Wendelstein-Observatorium der LMU / MPS [Großansicht] |
In der vergangenen Woche war es endlich soweit: Der Komet C/2012 S1 (ISON)
erreichte, nach einem plötzlichen Anstieg der Helligkeit, eine Leuchtkraft, bei
der er sich theoretisch auch schon mit bloßem Auge ausmachen lassen sollte -
optimale Bedingungen und ein wenig Erfahrung vorausgesetzt. Schon mit kleinen Teleskopen gelangen
seitdem eindrucksvolle Aufnahmen des Kometen, der inzwischen
einen langen Schweif ausgebildet hat.
Der Komet ISON nähert sich noch immer der Sonne an und wird den
sonnennächsten Punkt seiner Bahn erst am Donnerstag der kommenden Woche erreicht
haben. Die Temperatur seiner Oberfläche wird also weiter zunehmen. Am 28.
November beträgt der Abstand von der Sonne dann nur noch 1,1 Millionen
Kilometer. Auf der Oberfläche des Kometen dürften dann Temperaturen von bis zu
2.700 Grad Celsius herrschen.
Die bange Frage, die sich alle Kometenfans
jetzt stellen, ist, ob ISON diese Sonnenpassage überstehen wird. Durch die Hitze
könnte der Kometenkern nämlich auch auseinanderfallen und schließlich
verdampfen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Komet unserer Sonne zum Opfer
fällt. Für Astronomen wäre dieser Prozess zwar auch nicht uninteressant, die
Hoffnung auf ein spektakuläres Schauspiel am Nachthimmel im Dezember und Januar
müsste man dann aber begraben.
Mit besonderem Interesse fragten sich also die zahlreichen ISON-Beobachter,
was wohl für den plötzlichen Helligkeitsanstieg des Kometen in der vergangenen
Woche verantwortlich war. Astronomen des Wendelstein-Observatoriums der
Ludwig-Maximilians-Universität München und des Max-Planck-Instituts für
Sonnensystemforschung (MPS) haben ISON am vergangenen Donnerstag und
Sonnabend ins Visier genommen und glauben auf ihren Bildern Hinweise dafür
gefunden zu haben, dass sich ein oder mehrere Fragmente von der Oberfläche des
Kometen gelöst haben. Diese könnten auch für den Helligkeitsausbruch verantwortlich sein.
Verdächtig waren, so die Astronomen, insbesondere zwei flügelartige
Strukturen in der Koma des Kometen. Sie waren am 14. November noch relativ
schwach ausgeprägt, allerdings zwei Tage später sehr deutlich zu erkennen.
"Strukturen wie diese treten in der Regel dann auf, wenn einzelne Fragmente vom
Kometenkern wegbrechen", erklärt Dr. Hermann Böhnhardt vom MPS.
Ob tatsächlich das Abbrechen eines oder mehrerer Fragmente für den jüngsten
Helligkeitsausbruch des Kometen verantwortlich war, ließe sich, so der Experte,
zwar nicht mit Sicherheit sagen. Jedoch hätte man im Fall anderer Kometen eine
eindeutige Verbindung zwischen beiden Phänomenen feststellen können.
Die flügelartigen Strukturen in der Koma waren nicht direkt zu sehen,
sondern wurden erst mithilfe nummerischer Methoden sichtbar gemacht. Dabei wurde der
gleichmäßige Schein der Koma, der diese Strukturen eigentlich überstrahlt, aus
dem Bild herausgerechnet. "Unsere Berechnungen ergaben, dass ISON
lediglich ein Fragment oder nur sehr wenige verloren hat", so Böhnhardt.
Darüber, wie es mit ISON nun weitergeht, kann auch der Experte nur spekulieren:
"Nach unseren Erfahrungen aus der Vergangenheit verlieren Kometen, von denen
bereits ein Fragment abgebrochen ist, auch weitere Fragmente."
Die Beobachtung von ISON wird in den kommenden Tagen immer schwieriger. Der
Komet nähert sich weiter der Sonne an und ist damit nur noch kurz vor
Sonnenaufgang über dem östlichen Horizont zu sehen. Um ihn im Morgengrau zu
erkennen, wird wohl ein Fernglas
nötig sein. Der Komet bewegt sich zunächst noch im Sternbild Jungfrau, dessen
Hauptstern Spica er zu Wochenbeginn passiert hat, und später im Sternbild Waage.
Sollte ISON die Umrundung der Sonne doch noch überstehen, darf man
im Dezember dann auf ein faszinierendes Himmelsschauspiel hoffen: Der Komet sollte
dann nämlich für einige Wochen am Nachthimmel auch mit bloßem Auge zu sehen
sein. Den erdnächsten Punkt erreicht der Komet am zweiten Weihnachtstag. Sein
Abstand zur Erde beträgt dann aber noch immer über 60 Millionen Kilometer.
Der Name ISON steht für International Scientific
Optical Network. Der Komet wurde nämlich mit einem Teleskop dieses Netzwerks im September 2012 von zwei russischen Astronomen entdeckt.
Der Komet dürfte sehr wahrscheinlich das erste Mal ins Innere des Sonnensystems
kommen, was ihn besonders interessant macht. So wird ISON vermutlich noch eine
reine Oberfläche besitzen, die mit höherer Wahrscheinlichkeit flüchtige Stoffe
enthält, die bei einer Annäherung an die Sonne verdampfen können.
|