Potentieller Jahrhundertkomet im Visier
von Stefan Deiters astronews.com
24. April 2013
Vom Kometen C/2012 S1 (ISON) erhoffen sich viele Astronomen
gegen Ende des Jahres ein eindrucksvolles Schauspiel am Nachthimmel. Sogar von
einem Jahrhundertkometen ist die Rede. Jetzt hat das Weltraumteleskop
Hubble den Kometen ISON ins Visier genommen. Sein Kern ist offenbar kleiner
als vermutet worden war.

Hubbles Blick auf den Kometen C/2012 S1
(ISON). Bild:
NASA, ESA, J.-Y. Li (Planetary Science Institute)
und das Hubble Comet ISON Imaging Science Team [Großansicht] |
Auf den Kometen C/2012 S1 (ISON) hoffen derzeit die meisten Kometenfans: Der
Brocken aus den Tiefen des Sonnensystems könnte sich nämlich, so zumindest die
Prognosen der Experten, Ende des Jahres zu einem eindrucksvollen Kometen
entwickeln - manche sprechen gar schon von einem "Jahrhundertkometen" (astronews.com
berichtete). Ob ISON diese hohen Erwartungen erfüllen kann, bleibt
abzuwarten - die Vorhersagen über die Helligkeit von Kometen sind oft sehr
ungenau.
Das Interesse an ISON ist allerdings schon jetzt groß. Und so hat auch das
Weltraumteleskop Hubble den Kometen am 10. April ins Visier genommen.
Er war damals etwas mehr als 620 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt und
damit unserem Zentralgestirn schon etwas näher als der Jupiter. Der Komet nähert
sich der Sonne mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 75.000 Kilometern pro
Stunde.
Trotz der noch großen Entfernung macht sich die Wärme der Sonne auf dem
eisigen Brocken schon bemerkbar: Das Eis auf der Oberfläche beginnt zu
verdampfen, Gase und Staub werden frei. Die Analyse der staubigen Koma rund um
den festen Kometenkern zeigte zudem, dass von der zur Sonne gerichteten Seite
des Kometen ein enggebündelter Strahl aus Staubpartikeln ins All geblasen wird.
Erste auf den Hubble-Bildern basierende Messungen deuten darauf
hin, dass der Kern von ISON einen Durchmesser von nicht mehr als fünf bis sechs
Kilometern aufweist. Für die Astronomen ist er damit, angesichts der bereits
erkennbaren Aktivität, erstaunlich klein. Die Messungen sollten auch helfen, die
Vorhersagen über die Aktivität des Kometen zum Zeitpunkt seiner größten
Annäherung an die Sonne zu verbessern. Die Koma des Kometen, also die staubige,
kugelförmige Hülle um den Kometenkern, hat einen Durchmesser von ungefähr 5.000
Kilometern. Der Staubschweif erstreckt sich über mehr als 90.000 Kilometer und
reicht noch über den Bildausschnitt hinaus.
Der Name des Kometen ISON steht für das Teleskop-Netzwerk, mit dem der Komet
erstmals beobachtet wurde, nämlich das International Scientific Optical
Network. Der Komet wurde damit im September 2012 von zwei russischen
Astronomen entdeckt. Erste Orbitberechnungen hatten bald gezeigt, dass der Komet
sehr wahrscheinlich das erste Mal das innere Sonnensystem passieren wird. Das
bedeutet, dass ISON wohl noch eine reine Oberfläche besitzt, die mit höherer
Wahrscheinlichkeit flüchtige Stoffe enthält, die bei Annäherung an die Sonne
verdampfen können. ISON zählt zu den langperiodischen Kometen und dürfte damit
aus der Oortschen Wolke stammen, einem vermuteten Reservoir von eisigen Brocken,
das unser Sonnensystem in großer Entfernung umgibt.
Den sonnennächsten Punkt seiner Bahn durchläuft ISON am 28. November 2013. Er
ist dann lediglich 1,1 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. Den
erdnächsten Punkt erreicht der Komet am zweiten Weihnachtstag. Er ist dann
allerdings noch immer über 60 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Ob ISON
wirklich zu einem "Jahrhundertkometen" wird, hängt auch von seiner weiteren
Entwicklung ab: Es ist nicht auszuschließen, dass der Komet bereits vor
Erreichen des sonnennächsten Punktes seiner Bahn wieder schwächer wird oder
sogar zerbricht.
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