Komet ISON nähert sich der Sonne
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
2. Oktober 2013
Der Komet ISON, bei dem die Chance besteht, dass er sich in
den kommenden Wochen zu einem Jahrhundertkometen entwickelt, nähert sich immer
weiter der Sonne. Astronomen beginnen daher in diesen Tagen mit ihren
Beobachtungskampagnen und hoffen, dass ISON bei der Passage durch das innere
Sonnensystem möglichst viel von seinen Geheimnissen preisgibt.
Komet ISON am
Morgen des 29. September 2013, aufgenommen von
Dr. Bringfried Stecklum am Alfred-Jensch-Teleskop
der Landessternwarte Thüringen in Tautenburg bei
Jena.
Bild: Thüringer Landessternwarte
Tautenburg / Dr. Bringfried Stecklum [Großansicht] |
Wenn der Komet ISON Ende November dieses Jahres in einem Abstand von nur 1,8
Millionen Kilometern an der Sonne vorbeirast, könnte dies zu einer sehenswerten
Erscheinung am Nachthimmel führen. Für Wissenschaftler dürfte der Vorbeiflug
zudem seltene Einblicke in das Wesen dieser Himmelskörper ermöglichen. Denn ISON
wird der Sonne so nah kommen, dass die Hitze ungewöhnliche Prozesse in Gang
setzen dürfte.
Höchstwahrscheinlich wird der Komet zudem außergewöhnlich hell leuchten - und
somit ein dankbares Beobachtungsobjekt sein für eine weltweite
Forschungskampagne, die derzeit anläuft. Auch die Wissenschaftler des
Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS), die an dieser Kampagne
beteiligt sind, beginnen jetzt ihren Blick auf ISON zu richten. Der Komet könnte
dazu beitragen, viele ungeklärte Fragen zu beantworten: vom Ursprung des Lebens
auf der Erde bis zur frühen Entwicklung unseres Sonnensystems.
Für den Kometen ISON wird es in den nächsten Wochen heiß: Der Himmelskörper
bewegt sich derzeit in Richtung Sonne und wird diese am Donnerstag, 28. November
2013, in einem Abstand von kaum mehr als einem Sonnendurchmesser passieren. "In
dieser Entfernung wird die Temperatur an der Oberfläche des Kometen bis zu 2.000
Grad Celsius erreichen", erklärt Kometenforscher Dr. Hermann Böhnhardt, der die
Aktivitäten des MPS rund um ISON leitet. Winzige Staubteilchen an der
Kometenoberfläche könnten verglühen; Stoffe, die sonst tief im Innern gebunden
sind, verdampfen. Der Druck im Kometenkern könnte dadurch so stark steigen, dass
der Körper zerbricht.
Für Kometenforscher wäre dieses letzte Szenario bei weitem nicht die
schlechteste Variante. Zwar hoffen viele Hobbyastronomen, dass der Komet die
Sonne unbeschadet passiert und in den Tagen und Wochen danach einen
spektakulären Schweif ausbildet. Doch falls der Kometenkern zerbricht, würden
einzelne Bruchstücke den Blick auf das Innere des Körpers freigeben, das sonst
verborgen bleibt. In jedem Fall dürfte die große Hitze dem Kometen "tiefgehende"
Informationen entlocken.
So hoffen die Forscher etwa, dass auch Metalle aus seinem Innern verdampfen
werden. "Metalle und weitere Stoffe wie etwa Silizium sind normalerweise in Form
von Mineralien im Kometengestein gebunden und deshalb für Teleskope auf der Erde
nicht zugänglich", erklärt Böhnhardt. Da ISON bereits bei seiner Entdeckung
erstaunlich hell strahlte, könnte er seine Geheimnisse bereitwillig preisgeben:
Lichtstarke Objekte lassen sich deutlich leichter untersuchen als matte.
Die MPS-Forscher werden mit Hilfe von fünf Teleskopen versuchen, diesen
Vorzug zu nutzen: Sie arbeiten bei diesen Beobachtungen zusammen mit Kollegen am
Wendelstein-Observatorium der Ludwig-Maximilians-Universität in München, an der
Thüringer Landessternwarte Tautenburg, am Turkish National Telescope
und zwei hawaiianischen Anlagen, dem Canada France Hawaii Telescope und
dem W.M. Keck Observatory.
"Bei den Beobachtungen, die wir von Hawaii aus durchführen, stehen vor allem
die organischen Bestandteile des Kometen im Vordergrund", so Böhnhardt. Diese
machen möglicherweise bis zu ein Drittel der mineralischen Kometenmasse aus -
und bergen Informationen über die frühe Entwicklung des Sonnensystems. So wird
etwa spekuliert, dass Kometeneinschläge mit diesen Molekülen die Grundbausteine
des Lebens auf die Erde brachten.
Zudem interessieren sich die Forscher dafür, wie das Mischungsverhältnis
organischer Stoffe vom Entstehungsort eines Kometen abhängt. "Auf diese Weise
könnten wir nachzeichnen, wie diese Stoffe in der Geburtsstunde des
Sonnensystems verteilt waren", so Böhnhardt.
Die ungewöhnliche Sonnennähe von Komet ISON ruft auch die Sonnenforscher des
MPS auf den Plan. Denn auch die im Weltraum stationierten Sonnenobservatorien
Solar and Heliospheric Observatory (SOHO) und STEREO, zu denen das MPS
wissenschaftliche Instrumente beigetragen hat, werden Ende November während der
sonnennächsten Passage den Kometen ISON ins Visier nehmen.
"Raumsonden, die sonst die Sonnenatmosphäre und ihre Umgebung beobachten,
sind für diese Aufgabe hervorragend geeignet", erklärt Dr. Werner Curdt vom MPS.
Der Komet wird tief in die Sonnenkorona eintauchen, mit ihr wechselwirken und
dabei seine Fingerabdrücke hinterlassen. Es ist vorgesehen, diese Fingerabdrücke
spektroskopisch zu untersuchen. Der SOHO-Spektrograph SUMER hat dafür Programme
an Bord, die erst jetzt nach 18 Jahren erstmals zur Anwendung kommen. Das
Sondenpaar STEREO und das Instrument LASCO an Bord von SOHO werden mit ihren
Kameras das Schicksal des Kometen über viele Tage verfolgen.
Die meisten erdgebundenen Beobachtungen der MPS-Forscher laufen in diesen
Tagen an. In dieser frühen Phase geht es den Forscher vor allem um den Schweif
des Kometen, der sich jetzt bereits ausgebildet hat. Seine Entwicklung erlaubt
Rückschlüsse auf physikalische Eigenschaften des Kerns sowie auf Gas- und
Teilchenausbrüche an seiner Oberfläche. Zudem wollen die Forscher anhand der
früh gewonnen Daten die Form, die der Staubschweif zu späteren Zeitpunkten
annehmen wird, berechnen - und so einen Vorgeschmack bieten auf den Anblick, der
uns Ende November und Anfang Dezember am Nachthimmel erwartet.
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