Die erste umgekehrte Gravitationslinse
von Stefan Deiters astronews.com
9. August 2010
Astronomen haben jetzt erstmals einen Quasar entdeckt,
dessen Masse das Licht einer noch entfernteren Hintergrundgalaxie ablenkt und
verstärkt. Bislang hatte man diesen Gravitationslinseneffekt nur im umgekehrten
Fall beobachtet und durch massereiche Galaxien entferntere Quasare aufgespürt.
Der Fund könnte den Forschern neue Möglichkeiten zum Studium von Quasaren
eröffnen.
Diese Aufnahme des Keck II-Teleskops zeigt
den Quasar (blau) und die Bilder der
Hintergrundgalaxie (rot).
Bild: F. Courbin, G. Meylan, S. G.
Djorgovski, et al., EPFL/ Caltech/WMKO |
Quasare sind außerordentlich leuchtkräftige Objekte. Es handelt
sich dabei um Galaxien, in deren Inneren sich ein supermassereiches Schwarzes
Loch befindet, das gerade mit einer hohen Rate Material verschlingt. Dabei
werden unglaubliche Strahlungsmengen in allen Wellenlängenbereichen frei, die
den Rest der Galaxie komplett überstrahlen. Über diese weiß man daher nur sehr
wenig. "Es ist ein bisschen so, als wenn man in helle Autoscheinwerfer blickt
und etwas über die Farbe an ihrem Rand herausfinden will", vergleicht Frederic
Courbin von der Ecole Polytechnique Federale de Lausanne (EPFL) in der
Schweiz die Situation.
Dank des Fundes einer "umgekehrten" Quasar-Galaxien-Gravitationslinse, über
den Courbin und seine Kollegen im vergangenen Monat in der Fachzeitschrift
Astronomy & Astrophysics berichteten, konnten die Wissenschaftler nun
zumindest etwas über die Masse der Quasar-Galaxie in Erfahrung bringen. Dies ist
beispielsweise wichtig, um mehr über den Zusammenhang zwischen der Galaxie und
dem supermassereichen Schwarzen Loch zu erfahren.
Nach der allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein entstehen
Gravitationslinsen genau dann, wenn ein Objekt mit hoher Masse - wie ein Quasar,
eine massereiche Galaxie oder ein Galaxienhaufen - genau auf der Sichtlinie
zwischen uns und einem noch entfernteren Objekt liegt. Auf dem Weg vom
entfernten Objekt zur Erde wird das Licht vom massereichen Objekt abgelenkt. Auf
der Erde sieht man daher zwei oder mehr Bilder der entfernten Galaxie.
Der erste Quasar wurde, verstärkt durch eine Vordergrundgalaxie, 1979
entdeckt. Seitdem hat man viele weitere Beispiele dafür gefunden, wie Galaxien
oder Galaxienhaufen die Bilder entfernterer Quasare verstärkten. Auf diese Weise
konnten die Astronomen die Masse der als Linsen wirkenden Objekte bestimmen.
Einen umgekehrten Fall, also einen Quasar, der als Gravitationslinse für eine
entfernte Galaxie wirkt, hatte man bislang allerdings nicht entdeckt. "Wir waren
sehr erfreut, dass auch diese Idee funktioniert", so Georges Meylan, der Leiter
des Teams am EPFL. "Die Entdeckung zeigt, dass Gravitationslinsen ein wichtiges
astrophysikalisches Instrument sind."
Bei der Suche nach Gravitationslinsen-Quasaren stützten sich die
Astronomen vom EPFL und vom California Institute of Technology (Caltech)
auf eine große Datenbank von Quasarspektren, die im Rahmen des Sloan Digital
Sky Survey erstellt worden war. Daraus wählten die Wissenschaftler
potentielle Kandidaten aus, die sie dann mit dem 10-Meter-Keck II-Teleskop und
der Near-Infrared-Camera-2 (NIRC-2) detaillierter untersuchten. Auf der
Aufnahme eines Kandidaten waren dann Hinweise auf mehrere Bilder einer
Hintergrundgalaxie zu erkennen.
Mit dem anderen Keck-Teleskop und dem Low Resolution Imaging Spectrograph
konnten die Astronomen dann die Entfernung des Quasars auf 1,6 Milliarden
Lichtjahre und die der verstärkten Galaxien auf rund 7,5 Milliarden Lichtjahre
abschätzen. Die Wissenschaftler ermittelten auch, dass sich innerhalb der
inneren 3.200 Lichtjahre des Quasars eine Masse von rund 20 Milliarden
Sonnenmassen befinden muss.
"Quasare sind wichtige Forschungsobjekte, um mehr über Galaxienentstehung und
-entwicklung zu erfahren", so S. George Djorgovski, der Leiter des Caltech-Teams.
"Wenn wir noch mehr Systeme wie dieses entdecken, könnte dies wichtige Hinweise
auf die Beziehung zwischen Quasaren und den Galaxien, in denen sie sich befinden
liefern, sowie über ihre gemeinsame Entwicklung."
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