Größte
kosmische Gravitationslinse aufgespürt
Redaktion
astronews.com
19. Dezember 2003
Eine internationale Forschergruppe aus Japan, den USA und dem
Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg hat mit Hilfe des Sloan
Digital Sky Survey (SDSS) die mit Abstand größte Gravitationslinse entdeckt.
Es handelt sich um einen Galaxienhaufen, der von einem weit hinter ihm liegenden
Quasar vier getrennte Bilder erzeugt. Die Masse des Haufens schätzen die
Wissenschaftler auf
200 Billionen Sonnenmassen.
Die neu entdeckte Gravitationslinse SDSS 1004 besteht aus einem
6,2 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxienhaufen. Das Licht
eines dahinter stehenden, fast 10 Milliarden Lichtjahre
entfernten Quasars wird durch die Linse verstärkt und vierfach
abgebildet (helle Lichtpunkte A, B, C, D). Das Bild wurde mit
dem japanischen 8-Meter-Teleskop Subaru auf dem Mauna Kea/Hawaii
aufgenommen. Foto: Sloan Digital Sky Survey |
Schon Albert Einstein hatte aus seiner allgemeinen Relativitätstheorie
gefolgert, dass große Massenkonzentrationen den Weg eines nahe an ihnen vorbei
laufenden Lichtstrahls beugen und dadurch als "Gravitationslinsen" wirken
sollten. Die Folge: Von einer weit hinter der "Linse" stehenden Lichtquelle
entsteht ein verstärktes, möglicherweise mehrfaches Bild. Damals hielt Einstein
dieses Phänomen allerdings für unbeobachtbar.
Im Jahre 1979 wurde die erste kosmische Gravitationslinse tatsächlich
entdeckt, seither haben die beobachtenden Kosmologen mehr als 80 weitere
Beispiele gefunden und untersucht, zwölf davon im Rahmen des SDSS-Projekts.
Typischerweise spielt eine in großer Entfernung stehende Galaxie oder sogar ein
ganzer Galaxienhaufen die Rolle der Linse. Eine noch viel weiter entfernte,
hinter dem Galaxienhaufen liegende Galaxie oder, viel seltener, ein heller
Quasar ist die Quelle, deren Licht im Gravitationsfeld der "Linse" gebeugt wird.
Der neue Rekordhalter, genannt SDSS 1004, wird in einer soeben in der
Zeitschrift Nature erschienenen Veröffentlichung vorgestellt. Das
Dramatische an diesem Fall ist, dass die vier Quasarbilder mehr als doppelt so
weit auseinander stehen, wie im stärksten bisher bekannten Fall - sie stehen am
Himmel scheinbar eine Million Lichtjahre voneinander entfernt. Das bedeutet,
dass hier die Masse der "Linse" weit größer ist als in allen anderen bekannten
Fällen: Nach einer ersten Schätzung beträgt die Masse der Linse 200 Billionen
Sonnenmassen - das ist das 1000-fache der Masse unserer Galaxis.
"Unsere kosmologischen Modelle sagen hohe Anteile Dunkler Materie an der
Masse der Galaxienhaufen und damit die Existenz solcher großen
Gravitationslinsensysteme voraus", erklärt Hans-Walter Rix, an der neuen
Entdeckung beteiligter Forscher und Direktor am Max-Planck-Institut für
Astronomie, "und so ist es gleichermaßen aufregend und erleichternd, dass wir
jetzt, nach 20 Jahren Suche, eine solche Linse gefunden haben." Und er fügt
hinzu: "Aufgrund unserer Modelle müssen derart extreme Fälle allerdings sehr
selten sein. Deshalb wurde diese Entdeckung - in bester Übereinstimmung mit der
Theorie - erst durch die revolutionäre Himmelsdurchmusterung des SDSS möglich,
bei der 30.000 Quasare nach dem Linseneffekt durchsucht worden sind.
"Durch Nachfolgebeobachtungen mit dem Riesenteleskop Subaru auf Hawaii", sagt
der Team-Leiter Naohisa Inada aus Tokio, "wurde zweifelsfrei festgestellt, dass
es sich um eine Gravitationslinse handelt." Und sein Kollege Oguri fügt hinzu:
"Diese extrem starke Gravitationslinse wird ein ideales Labor zur genaueren
Untersuchung der Dunklen Materie und ihrer Verteilung relativ zu den sichtbaren
Galaxien des Haufens sein."
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