QUASARE
Blick durch den Einstein-Ring
Redaktion
astronews.com
4. April 2003
Wie
entwickelten sich die ersten Galaxien und wann entstanden die ersten Sterne? Auf
diese Fragen versuchen Astronomen seit Jahren eine schlüssige Antwort zu
befinden. Radioastronomen aus Deutschland, Frankreich und den USA kamen der
Antwort jetzt ein Stück näher: Sie wiesen intensive Sternentstehung in einem
entfernten Quasar nach - dank eines kosmischen Vergrößerungsglases.
Rund um den Quasar PSS J2322+194 entdeckten Astronomen einen
Ring aus Staub. Hier eine künstlerische Darstellung des Objekts. Bild: Geraint Lewis, University of Sydney,
NRAO / AUI / NSF |
Quasare, frühe Galaxien in der Anfangszeit des Universums, beherbergten nicht
nur supermassereiche Schwarze Löcher, sondern waren auch ein Ort intensiver
Sternentstehung - dies berichtet ein internationales Radioastronomen-Team jetzt
in der Fachzeitschrift Science. Zudem gelang den beteiligten
Wissenschaftlern vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie unter
Leitung von Frank Bertoldi ein neuer Rekord: In zwei fernen Quasaren, darunter
der - unter den bisher bekannten - am weitesten von der Erde entfernte Quasar
SDSS J1148, konnten sie große Mengen Staub, also Material nachweisen, aus dem
sich neue Sterne bilden.
Bei dem Quasars PSS J2322 kam den Forschern aber der Zufall zu Hilfe: Eine
bislang noch nicht identifizierte Gravitationslinse in der Sichtlinie zwischen
der Erde und diesem extrem weit entfernten Objekt verstärkt und verzerrt dessen
Strahlung zu einem so genannten "Einstein-Ring" und erlaubt so, wie durch eine
kosmische Lupe, einen unerwartet detaillierten Einblick in die Gasverteilung im
Zentrum dieses Quasars. Beide Beobachtungen belegen, dass bereits im frühen
Universum, also etwa 700 Millionen Jahre nach dem Urknall, ungeheure Mengen an
Sternen entstanden sind. Die Messungen wurden am 30-Meter-Radiotelekop von IRAM
(Institut de Radioastronomie Millimétrique) auf dem Pico Veleta bei
Granada in Spanien mit dem am Max-Planck-Institut für Radioastronomie
entwickelten hochempfindlichen Wärmesensor MAMBO (Max-Planck-Millimeter
Bolometer) und am VLA (Very Large Array) in Socorro/New Mexico
durchgeführt.
Quasare (Kurzform für quasistellare Objekte) sind die leuchtkräftigsten Objekte
am Rand des bekannten Universums. Ihre Helligkeit kann Billiarden mal heller
sein als die Sonne. Sie strahlen ungeheure Mengen an Energie ab, die dadurch
entsteht, dass Materie in die supermassereichen Schwarzen Löcher im Zentrum
dieser frühen Galaxien fällt. Das dabei hell aufleuchtende Gas macht die Quasare
zu kosmischen Leuchtfeuern, die es ermöglichen, mit Hilfe von Teleskopen tief in
die Vergangenheit und damit in die Anfangszeit des Universums zurück zu blicken.
Astrophysiker interessieren sich heute jedoch besonders für die Wärmestrahlung
der Quasare. "Die Wärmestrahlung ist ein starkes Indiz dafür, dass dort extrem
viele Sterne entstehen. Die Messungen deuten darauf hin, dass die
Sternentstehungsrate in Quasaren tausendmal höher ist als in normalen Galaxien
wie unserer Milchstrasse" erläutert Frank Bertoldi, Wissenschaftler am
Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, der die Beobachtung der
Rekord-Quasare geleitet hat. Doch ein direkter Beweis für die Sternentstehung in
den frühesten Epochen des Universums fehlte bisher.
Mit Hilfe eines "kosmischen Vergrößerungsglases" ist es der internationalen
Forschergruppe nun gelungen, einen genaueren Blick in das Innenleben des extrem
weit entfernten Quasars PSS J2322 zu werfen. Eine zufällig auf der Sichtlinie
von der Erde zu diesem Quasar liegende Linse bündelt durch ihre Gravitation die
Wärmestrahlung des Quasars zu einem so genannten "Einstein-Ring", ein
Gravitationseffekt, der von Albert Einstein 1936 als Konsequenz seiner
Allgemeinen Relativitätstheorie vorausgesagt, aber für sehr unwahrscheinlich
gehalten wurde. Dabei verbiegt die Schwerkraft einer Galaxie das Licht eines
Objekts, das sich genau hinter ihr befindet. Der Beobachter sieht dann das
Objekt mehrfach, weil die Lichtstrahlen unterschiedliche Wege nehmen. Befinden
sich das Objekt, die Gravitationslinse und der Beobachter sogar exakt auf einer
Linie, werden die Lichtstrahlen des hinteren Objekts zu einem perfekten Ring,
einem Einstein-Ring, um die Galaxis abgelenkt. Die erste Gravitationslinse
entdeckte man im Jahre 1979, den ersten Einstein-Ring 1987. Mit PSS J2322 wurde
der bisher am weitesten entfernte Einstein-Ring nachgewiesen.
"Solche starken Gravitationslinsen sind äußerst selten," meint Chris Carilli vom
National Radio Astronomical Observatory, der die hochauflösenden
Beobachtungen des Einstein-Rings am Very Large Array in der Wüste
New-Mexikos durchführte. "Schon nach den ersten Bolometer-Messungen mit dem
30-Meter-Teleskop von IRAM, bei denen das Objekt ungewöhnlich hell erschien,
hatten wir eine Gravitationslinse vor diesem Quasar vermutet. Dass aber die
Linse direkt vor dem Quasar sitzt und dadurch die Strahlung in einen schönen
Einstein-Ring auffächert, übertraf dann doch bei weitem unsere Erwartungen."
Da der Quasar zu weit entfernt ist, kann die Verteilung des Gases nicht durch
direkte Beobachtung bestimmt werden. Erst die bündelnde Gravitationskraft eines
bislang noch nicht identifizierten davor liegenden Objekts erlaubte es den
Forschern, im Fall des Quasars PSS J2322 die relative Position des Schwarzen
Lochs und der umgebenden Gaswolken zu bestimmen. Die Wissenschaftler
ermittelten, dass Staub und Gas auf eine ausgedehnte und wahrscheinlich
abgeflachte Scheibe mit einem Durchmesser von etwa 12.000 Lichtjahren verteilt
sind. Hingegen konzentriert sich das Schwarze Loch mit seinem umgebenden heiß
leuchtenden Gas auf eine Region von wenigen Lichttagen.
Somit sehen sich Frank Bertoldi und seine Kollegen bestätigt: "Dieser Glücksfall
eines durch eine Gravitationslinse verstärkten Quasars hat unsere Vermutung
untermauert, dass in den staubigen Molekülwolken der Quasare in großer Zahl neue
Sterne entstehen. Denn die Strahlungsintensität der Wolken ist so groß, dass sie
bei einem so großen Abstand zum Schwarzen Loch nicht mehr durch dieses selbst
verursacht werden kann."
Die Entdeckung des Einstein-Rings und der Staubemission in den entferntesten
Quasaren ist die Krönung einer mehrjährigen Kooperation zwischen den Forschern
aus Deutschland, Frankreich und den USA. Systematisch hat die Gruppe in den
letzten vier Jahren mit der MAMBO-Kamera am 30-Meter-Teleskop von IRAM etwa 150
Quasare auf Wärmestrahlung untersucht. Viele dieser Quasare wurden vorab unter
anderen von X. Fan und M. Strauss von der Princeton Universität und von G.
Djorgovski vom California Institute of Technology in optischen
Himmelskartierungen entdeckt.
"Dass solch gewaltige Mengen an Staub und schweren Elementen schon so früh nach
dem Urknall in den ersten uns sichtbaren Galaxien existiert haben, hätte vor 10
Jahren noch niemand vermutet," erinnert Frank Bertoldi. "Die schweren Atome, aus
denen der Staub und das Kohlenmonoxid-Gas bestehen, wurden durch Kernreaktionen
im Inneren von Sternen erzeugt. In der ursprünglichen kosmischen Materie gab es
nur Wasserstoff, Helium und ein wenig Lithium, aber weder Sauerstoff noch
Kohlenstoff. Nun scheint es sicher, dass die ersten massereichen Sterne am Ende
ihres kurzen kosmischen Lebens mit gewaltigen Explosionen oder starken Winde
viele schwere Atome in das umliegende Gas gemischt haben. Somit gab es in diesen
Gebieten bereits nach wenigen hundert Millionen Jahren ähnliche Anreicherungen
von Kohlenmonoxid und Staub, wie wir sie heute, 13,6 Milliarden Jahre später, im
interstellaren Gas benachbarter Galaxien noch immer vorfinden."
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