Kosmisches Auge ins junge Universum
von Stefan Deiters astronews.com
9. Oktober 2008
Astronomen ist es gelungen, mithilfe einer
Gravitationslinse, die ein wenig an ein gewaltiges kosmisches Auge erinnert,
eine Galaxie im jungen Universum detailliert zu beobachten. In dem fernen System
entstehen - zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall - gerade neue Sterne. Die
Beobachtungen liefern so einen einmaligen Einblick in die Frühphase der
Galaxienentwicklung.
Das kosmische
Auge besteht aus einer Galaxie im Vordergrund
(gelb) und dem verzerrten Bild einer fernen
Galaxie in elf Milliarden Lichtjahren Entfernung
(blau).
Bild: Mark Swinbank / Durham University |
Das "kosmische Auge" hat seinen Namen wegen seines besonderen
Aussehens erhalten: Es besteht aus einer Galaxie in rund 2,2 Milliarden
Lichtjahren Entfernung von der Erde im Zentrum und den Beugungsbildern einer
weit entfernten Galaxie, die dem ganzen die Gestalt eines menschlichen Auges
gibt. Die entfernte Galaxie ist rund elf Milliarden Lichtjahre von der Erde
entfernt und wurde ursprünglich mit dem Weltraumteleskop Hubble
identifiziert.
Der diesem Phänomen zu Grunde liegenden Gravitationslinseneffekt wurde von
Albert Einstein vorhergesagt. Nach der Relativitätstheorie können gewaltige
Massenansammlungen das Licht ablenken. Im Falle des kosmischen Auges stehen
Vordergrund- und Hintergrundgalaxie fast exakt hintereinander, so dass durch den
Gravitationslinseneffekt das Licht der Hintergrundgalaxie verstärkt, es
allerdings auch ringförmig verzerrt wird.
Ein Team von Astronomen des California Institute of Technology (Caltech)
und der Universität im britischen Durham haben nun die ferne Galaxie mit Hilfe
des Keck-Teleskops auf Hawaii im Detail studiert. Zu Hilfe kam den
Wissenschaftlern - außer der Gravitationslinse - auch die adaptive Optik des
Teleskops, die die Unruhe der Atmosphäre aus den Bildern herausfilterte.
Auf diese Weise war es den Astronomen möglich, die Geschwindigkeitsstruktur
der fernen Galaxie zu studieren und diese mit der von älteren Galaxien wie der
Milchstraße zu vergleichen. "Dies ist die detaillierteste Untersuchung, die je
von einer so jungen Galaxie gemacht wurde", so Mark Swinbank vom Institute
for Computational Cosmology der Durham University. "Man schaut
hier wirklich zurück in die Frühphase des Universums. Diese
Gravitationslinsen-Technik gibt uns einen Eindruck davon, was allgemein möglich
sein wird, wenn die nächste Generation von Teleskopen in vielleicht einem
Jahrzehnt in Betrieb geht."
"Die Gravitation hat uns hier ein zusätzliches Vergrößerungsglas zur
Verfügung gestellt, das es uns erlaubt, diese ferne Galaxie auf Skalen von nur
wenigen Hundert Lichtjahren zu studieren", ergänzt Dan Stark vom Caltech,
der die Studie leitete. "Dies ist um den Faktor Zehn detailreicher als frühere
Untersuchungen. Deswegen können wir hier zum ersten Mal erkennen, dass sich
diese typische junge Galaxie dreht und sich zu einer Spiralgalaxie wie unsere
Milchstraße entwickelt."
Die Beobachtungen des Keck-Teleskops wurden ergänzt durch
Untersuchungen im Millimeter-Bereich vom Plateau de Bure-Interferometer
in den französischen Alpen. "Es ist schon bemerkenswert, dass das kalte Gas, das
wir mit unseren Millimeter-Beobachtungen entdeckt haben, die gleiche Rotation
zeigt, wie die jungen Sterne, die wir mit Keck gesehen haben", so
Swinbank. "Die Verteilung des Gases deutet drauf hin, dass hier gerade eine
Spiralgalaxie mit einem zentralen Kern entsteht."
Die Astronomen berichten über ihre Ergebnisse in der heute erscheinenden
Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Nature.
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