Crash beendete europäische Mond-Mission
Redaktion / ESA
astronews.com
4. September 2006
Die erste europäische Mondmission ist am Sonntagmorgen wie
vorgesehen durch einen Crash der Sonde SMART-1 auf dem Mond zu Ende
gegangen. Ein kleiner Blitz, den Teleskope von der Erde aus beobachten konnten,
zeugte vom Ende der Mission, bei der sowohl fortschrittliche Technologien
getestet als auch neue Daten über den Erdtrabenten gesammelt wurden.

Das Canada-France-Hawaii Telescope auf Hawaii beobachtete am
Sonntagmorgen einen nur einen Millisekunden langen Blitz
(mittleres Bild): das Ende der Smart-1-Mission. Fotos:
Canada-France-Hawaii Telescope Corporation
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Ein kleiner Blitz erleuchtete am Sonntagmorgen die Mondoberfläche, als die Sonde
SMART-1 der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) in dem Gebiet "Lake
of Excellence" des Mondes aufschlug. Dieser geplante Aufprall bildet den
Abschluss einer erfolgreichen Mission, bei der rund eineinhalb Jahre lang sowohl
innovative Raumfahrttechnologien getestet als auch eingehende wissenschaftliche
Untersuchungen des Mondes durchgeführt wurden.
SMART-1-Wissenschaftler, Ingenieure und Raumflugexperten wohnten der
letzten Phase der Mission in der Nacht von Samstag, den 2. auf Sonntag, den 3.
September im Europäischen Raumflugkontrollzentrum (ESOC) der ESA in Darmstadt
bei. Die Bestätigung des Aufpralls erreichte das ESOC um 07.42.22 Uhr MESZ, als
die ESA-Bodenstation in New Norcia, Australien, plötzlich den Funkkontakt mit
der Sonde verlor. SMART-1 beendete ihre Reise im Gebiet "Lake of
Excellence" bei 34,4 Grad südlicher Breite und 46,2 Grad westlicher Länge.
Der Aufprall fand auf der der Erde zugewandten Seite des Mondes in einem
unbeleuchteten Gebiet direkt neben dem Terminator (der Trennlinie zwischen der
Tag- und der Nachtseite) mit einem streifenden Winkel von etwa einem Grad und
einer Geschwindigkeit von rund zwei Kilometern pro Sekunde statt. Der Zeitpunkt
und der Ort des Aufschlagens der Sonde waren genau geplant worden, um eine
Beobachtung mit Teleskopen auf der Erde zu ermöglichen. Hierzu war eine Reihe
von orbitalen Manövern und Bahnkorrekturen im Laufe des Sommers erforderlich,
wovon die letzte am 1. September durchgeführt wurde (astronews.com berichtete).
Berufs- und Amateurastronomen in der ganzen Welt - von Südafrika bis zu den
kanarischen Inseln, in Südamerika, den USA, Hawaii und an vielen anderen Orten -
haben den Mond vor und während des Aufschlagens der kleinen Sonde ins Visier
genommen in der Hoffnung, den schwachen Blitz zu erhaschen und etwas über die
Dynamik des Aufpralls und den dadurch in der Mondoberfläche entstandenen Krater
zu erfahren. Die Qualität der von den bodengestützten Observatorien erfassten
Daten und Bilder - ein Zeichen der Anerkennung des Endes der Mission SMART-1
und ein möglicher zusätzlicher Beitrag zur Mondforschung - wird in den nächsten
Tagen bewertet.
SMART-1 hatte in den vergangenen 16 Monaten und bis zu ihren letzten
Umläufen den Mond erforscht und dabei Daten über die Morphologie und die
mineralische Zusammensetzung der Oberfläche im sichtbaren, Infrarot- und
Röntgenbereich gesammelt. "Das durch die große Fülle von in den nächsten Monaten
und Jahren zu analysierenden SMART-1-Daten hinterlassene Erbe ist ein
wertvoller Beitrag zur Mondforschung zu einem Zeitpunkt, an dem die Welt wieder
Interesse an der Exploration des Mondes zeigt", erklärte Bernard Foing,
SMART-1-Projektwissenschaftler der ESA und fügte hinzu: "Die mit SMART-1
angestellten Messungen stellen die Theorien des gewaltsamen Entstehens des
Mondes und seiner Entwicklung in Frage." Der Mond könnte vor 4,5 Milliarden
Jahren durch den Einschlag eines Asteroiden von der Größe des Mars auf der Erde
entstanden sein. "SMART-1 hat große und kleine Einschlagkrater kartiert,
die vulkanischen und tektonischen Prozesse, die den Mond geformt haben,
analysiert, die geheimnisvollen Pole untersucht und Gebiete für künftige
Explorationen erforscht", sagte Foing abschließend.
"Die Entscheidung der ESA, den wissenschaftlichen Teil der Mission SMART-1
um ein Jahr zu verlängern (ursprünglich sollte die Sonde nur sechs Monate lang
den Mond umkreisen), hat es den Instrumentenwissenschaftlern ermöglicht,
ausführlich eine Reihe innovativer Beobachtungsmodi am Mond zu verwenden", fügte
Gerhard Schwehm, der SMART-1-Missionsleiter der ESA hinzu. Neben
einfachen Nadir-Beobachtungen (bei denen man vertikal nach unten auf den Mond
blickt) wurden Zielpunktobservationen, Spot-pointing und Beobachtungen im
Pushbroom-Modus (eine von SMART-1 verwendete Technik, um Farbbilder zu
erhalten) durchgeführt. "Das war harte Arbeit für die Missionsplaner, aber das
Monddatenarchiv, das wir nur aufbauen, ist wirklich beeindruckend."
"SMART-1 war auch aus technologischer Sicht ein riesiger Erfolg", sagte
der ESA-Projektleiter für SMART-1, Guiseppe Racca. Hauptziel der Mission war die
erstmalige Erprobung eines Ionentriebwerks (solarelektrischer Antrieb) im
Weltraum für einen interplanetaren Flug und die Einbringung in die Umlaufbahn um
einen anderen Himmelskörper in Kombination mit Manövern zur Nutzung des
Gravitationsbeschleunigungseffekts.
Mit SMART-1 wurden auch künftige interplanetare Kommunikationstechniken
für Raumfahrzeuge, Techniken zu deren selbständiger Navigation und
miniaturisierte wissenschaftliche Instrumente getestet, die bei der Untersuchung
des Mondes erstmals eingesetzt wurden. "Es ist eine große Genugtuung,
festzustellen, in welchem Maße die technologischen Ziele der Mission erreicht
wurden und gleichzeitig Mondwissenschaft auf hohem Niveau betrieben werden
konnte", fügte Racca hinzu.
"Der Betrieb von SMART-1 war eine sehr komplexe, aber lohnenswerte
Aufgabe", erklärte Octavio Camino-Ramos, der Betriebsleiter der ESA für
SMART-1. "Die lange spiralförmige Flugbahn um die Erde zur Erprobung des
solarelektrischen Antriebs (mit geringem Schub), die lange Strahlungseinwirkung,
die von den Schwerefeldern des Erde-Mond-Systems verursachten starken Störungen
und schließlich die Einbringung in eine für wissenschaftliche Untersuchungen
ideale Mondumlaufbahn haben uns wertvolle Erfahrungen auf dem Gebiet der
Navigationstechniken für Schwachschubantriebe sowie innovativer Betriebskonzepte
beschert: Telemetrieverteilung und -warnungen über das Internet und ein hohes
Maß an Automatisierung der Betriebsabläufe am Boden - ein bemerkenswerter
Maßstab für die Zukunft."
"Für das Wissenschaftliche Programm der ESA stellt SMART-1 einen großen
Erfolg und einen sehr guten Investitionsertrag dar, sowohl aus technologischer
als auch aus wissenschaftlicher Sicht", meinte Prof. David Southwood,
Wissenschaftsdirektor der ESA. "Im Moment scheint die ganze Welt Mondflüge zu
planen. Künftige wissenschaftliche Missionen werden in hohem Maße von den mit
dieser kleinen Sonde gewonnenen technologischen und betrieblichen Erfahrungen
profitieren; gleichzeitig wird unser derzeitiges Bild vom Mond dank der von
SMART-1 gesammelten Daten bereits aktualisiert."
SMART-1 (Small Mission for Advanced Research and Technology,
kleine Mission für technologische Forschung) ist Europas erste Mission zum Mond.
Die Sonde wurde am 27. September 2003 an Bord einer Ariane-5 von Europas
Raumflughafen (CSG) in Kourou, Französisch-Guayana, gestartet und erreichte nach
einem langen, spiralförmigen Flug um die Erde im November 2004 ihr Ziel.
In dieser Phase wurden die von der Sonde mitgeführten fortschrittlichen
Technologien erstmals erfolgreich im Weltraum erprobt. Der
Technologiedemonstrationsteil der Mission wurde für erfolgreich beendet erklärt,
als SMART-1 Mitte November 2004 den Mond erreichte und von seinem
Schwerefeld erfasst wurde.
SMART-1 nahm im März 2005 ihre wissenschaftlichen Beobachtungen des
Mondes von einer elliptischen polaren Umlaufbahn in Höhe von 500 bis 3.000
Kilometer auf. Die Bordinstrumente umfassten die Miniaturkamera AMIE, das
Röntgenstrahlenteleskop D-CIXS zur Bestimmung der wichtigsten chemischen
Elemente der Mondoberfläche, das Infrarotspektrometer SIR zur Kartierung der
Mineralien des Mondes und den Röntgensolarmonitor XSM zur Ergänzung der mit dem
D-CIXS durchgeführten Messungen und zur Untersuchung der Variabilität der
Sonnenaktivität.
SMART-1, eine kleine, unbemannte Sonde, wog beim Start 366 Kilogramm und
hätte ohne ihre 14 Meter langen Solarzellenflügel etwa in einen ein Kubikmeter
großen Würfel gepasst. Gebaut wurde sie von der Swedish Space Corporation,
Solna, die an der Spitze eines Konsortiums aus mehr als 20 europäischen
Industrieunternehmen stand.
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