Europas
Start zum Mond steht bevor
Redaktion
astronews.com
6.
August 2003
Nach dem erfolgreichen Start der Mars-Sonde Mars Express schickt
sich die europäische Weltraumagentur ESA noch in diesem Monat an, eine
zweite Raumsonde zu starten - diesmal zum Mond. SMART-1 gehört zu
einer Reihe kleinerer Technologieforschungs-Missionen und soll
gleichzeitig wichtige Daten über den Erdtrabanten liefern.

SMART-1 wird Ende August zum Mond starten. Bild: ESA |
Die Mission mit dem Namen SMART-1 - die erste einer Reihe kleiner
Missionen für fortschrittliche Technologieforschung (Small Missions for
Advanced Research in Technology) - dient sowohl technologischen als auch
wissenschaftlichen Zwecken. Zum einen wird SMART-1 neue, hochmoderne
Instrumente und Techniken erproben, die ausschlaggebend sind für anspruchsvolle
künftige interplanetare Missionen, darunter vor allem ein solarelektrisches
Hauptantriebssystem. Zum anderen soll die Mission aber auch offene
wissenschaftliche Fragen beantworten helfen, zum Beispiel in Bezug auf die
Entstehung des Mondes, seine genaue mineralogische Zusammensetzung und das
Vorhandensein von Wasser. Diese Daten werden das Verständnis der Wissenschaftler
über das Erde-Mond-System und über erdähnliche Planeten erweitern und außerdem
unschätzbare Informationen im Hinblick auf eine langfristige menschliche Präsenz
auf dem Mond liefern.
Am 15. Juli wurde SMART-1 zu Europas Raumflughafen in Kourou
(Französisch-Guayana) transportiert, wo die Sonde auf ihren Start vorbereitet
wird. Am 29. August wird sie mit einer Ariane-5 ins All befördert. SMART-1
wird erstmals den Schub eines solarelektrischen Antriebssystems - welches Europa
noch nie als Hauptantriebssystem eingesetzt hat - mit dem Schwerefeld des Mondes
kombinieren. Die Sonde wird die 400.000 km zwischen Erde und Mond nicht auf
direktem Wege zurücklegen, sondern aus der elliptischen Erdumlaufbahn, auf die
die Ariane-5 sie bringt, schrittweise in eine spiralförmige Bahn übergehen und
sich zum Mond "emporschrauben". Im Dezember 2004 schließlich wird das
Schwerefeld des Mondes die Sonde erfassen und sie auf seine Umlaufbahn lenken.
SMART-1 wird nicht auf dem Mond landen, sondern ihre Beobachtungen von
dieser Umlaufbahn aus anstellen, um so ein Gesamtbild zu gewinnen. Sobald sie
auf der Mondumlaufbahn angelangt ist, soll sie mindestens sechs Monate,
möglicherweise auch ein ganzes Jahr lang Messungen durchführen.
Doch warum will man in Europa ausgerechnet zum Mnd? "Unser Wissen über den
Mond ist erstaunlich lückenhaft", erläutert Bernard Foing, der SMART-1-Projektwissenschaftler
der ESA. "Wir möchten nach wie vor in Erfahrung bringen, wie das
Erde-Mond-System entstanden ist und sich weiterentwickelt hat und welchen
Einfluss geophysikalische Prozesse wie Vulkanismus, Tektonik, Kraterbildung oder
Erosion auf die Entstehung des Mondes hatten. Und natürlich müssen wir zur
Vorbereitung künftiger Explorationsmissionen zum Mond und anderen Planeten
Ressourcen finden und Landegebiete auskundschaften."
Der Mond birgt also noch immer zahlreiche Geheimnisse, obwohl sechs Apollo-Missionen
der NASA und drei unbemannte sowjetische Raumfahrzeuge auf ihm gelandet sind und
Gesteinsproben zur Erde zurückgebracht haben. Die erdabgewandte Seite des Mondes
- die man von der Erde aus nie sieht - und seine Polregionen sind weitgehend
unerforscht. Auch konnte das Vorhandensein von Wasser auf dem Mond nie bestätigt
werden, obwohl in den 90er Jahren zwei Orbiter indirekte Anzeichen hierfür
gefunden haben. Wir wissen nicht einmal mit Sicherheit, wie der Mond überhaupt
entstanden ist. Nach der am weitesten verbreiteten Theorie kollidierte vor 4,5
Milliarden Jahren ein Asteroid von der Größe des Mars mit der Erde, worauf die
verdunsteten Trümmer dieser Kollision im Weltraum kondensierten und schließlich
den Mond bildeten.
SMART-1 wird eine Karte der Topographie des Mondes und der Verteilung
von Mineralen wie Pyroxene, Olivine und Feldspate auf seiner Oberfläche
erstellen. Ein Röntgendetektor wird die chemischen Hauptbestandteile der
Mondoberfläche bestimmen. Anhand dieser Daten werden die Wissenschaftler die
geologische Entwicklung des Mondes rekonstruieren und nach Spuren der Kollision
mit dem riesigen Asteroiden suchen können. Wenn die Kollisionstheorie zutrifft,
müsste es auf dem Mond im Verhältnis zu leichteren Elementen wie Magnesium und
Aluminium weniger Eisen als auf der Erde geben. Mit der ersten umfassenden
Mengenanalyse der chemischen Elemente wird SMART-1 einen bedeutenden
Beitrag zur Lösung dieser Frage leisten können.
Was Wasser betrifft, so kann es, wenn überhaupt, nur in gefrorener Form an
Stellen vorhanden sein, die nie ein Sonnenstrahl erreicht; dort steigt die
Temperatur nie über -170 Grad Celsius. Solche dunklen Stellen könnte es auf dem
Grund von kleinen Kratern in den Polregionen geben. Die Erkundung dieser Krater
ist möglicherweise die kniffligste Aufgabe, die sich die SMART-1-Wissenschaftler
gestellt haben. Sie werden nach der Infrarot-Signatur von Wassereis suchen. Dies
wird schwierig sein, da auf die betreffenden Stellen kein direktes Licht fällt;
jedoch könnten Lichtstrahlen von nahen Kraterrändern, auf die Sonnenlicht fällt,
gerade so viel Licht auf das Eis werfen, dass die SMART-1-Instrumente es
erfassen können.
Künftige wissenschaftliche Missionen dürften immensen Nutzen aus den im
Verlauf der Mission SMART-1 zu erprobenden Technologien ziehen. Der
solarelektrische Hauptantrieb ist eine neue, auf so genannten Ionentriebwerken
beruhende Antriebstechnik; der von diesen Triebwerken benötigte elektrische
Strom wird von Solarzellenflügeln erzeugt. Diese Technik wurde bisher erst
einmal verwendet. Ionentriebwerke erzeugen einen vergleichsweise bescheidenen
Schub, funktionieren jedoch mehrere Jahre, während die mit chemischem Treibstoff
arbeitenden Triebwerke herkömmlicher Raketen zwar leistungsfähiger sind, jedoch
bereits nach wenigen Minuten ausgedient haben.
Ionentriebwerke sind in mehrfacher Hinsicht von großem Vorteil. Sie benötigen
erheblich weniger Treibstoff als chemische Antriebssysteme, was bedeutet, dass
beim Start mehr Masse für wissenschaftliche Instrumente und Nutzlasten zur
Verfügung steht. Diese Triebwerke machen den Weg frei für die Erkundung der
wahrhaften Tiefen des Sonnensystems. Dadurch, dass sie jahrelang funktionieren
können, verkürzen sie trotz ihrer geringeren Schubkraft die Zeit für
interplanetare Flüge um ein Vielfaches. Darüber hinaus ermöglicht der sanfte
Schub elektrischer Antriebssysteme eine sehr präzise Lageregelung, was sich bei
wissenschaftlichen Missionen, die eine hochgenaue und unbeeinträchtigte
Ausrichtung von Raumfahrzeugen erfordern, als höchst nützlich erweisen wird.
Ionentriebwerke sollen künftig auch bei anderen ESA-Missionen zum Einsatz
kommen.
Des weiteren wird SMART-1 neue platz- und gewichtssparende
Miniaturisierungstechniken erproben. In der Raumfahrt bedeutet weniger Masse pro
Instrument mehr Instrumente pro Nutzlast und damit mehr Wissenschaft. Die
SMART-1-Nutzlast sieht ein Dutzend technischer und wissenschaftlicher
Untersuchungen mit sieben Instrumenten vor, die insgesamt nur 19 kg auf die
Waage bringen. Das würfelförmige Röntgenteleskop D-CIXS beispielsweise ist nur
15 cm breit und wiegt weniger als 5 kg. Die ultrakompakte elektronische Kamera
AMIE ist so leicht wie ein Hobby-Camcorder.
Auch neue Navigations- und Weltraumkommunikationstechnologien sollen getestet
werden. Das auf den Bildern der Miniaturkamera AMIE und der Sternrichtungsgeber
beruhende Experiment OBAN ist der erste Schritt hin zu künftigen "selbständigen"
Raumfahrzeugen. In nicht allzu ferner Zukunft werden wissenschaftliche Sonden in
der Lage sein, ihren vorausberechneten Weg mit einem Mindestaufwand an
Bodenkontrolle zu finden und sich hauptsächlich an Sternen und anderen
Himmelskörpern zu orientieren.
Was die Kommunikation betrifft, so müssen die Ingenieure neue, effiziente
Verbindungsmöglichkeiten zwischen der Erde und den Tiefen des Weltraums für
interplanetare Missionen entwickeln, die lange dauern bzw. weit von der Erde
wegführen. SMART-1 wird zum einen mit dem Instrument KaTE die
Kommunikation mittels sehr kurzer Funkwellen (im Ka-Band) erproben und zum
anderen ein Laserexperiment durchführen, bei dem die Sonde die Verbindung mit
der Erde mit Hilfe eines Laserstrahls anstatt herkömmlicher Funkwellen
herstellt. Von einer optischen Bodenstation auf Teneriffa aus kommuniziert die
ESA bereits über Laserverbindungen mit Fernmeldesatelliten. Die Ausrichtung des
Laserstrahls ist sehr viel schwieriger, wenn - wie im Fall von SMART-1 -
das Raumfahrzeug weit entfernt ist und sich überdies rasch bewegt. Die
Wissenschaftler hoffen, dass die Bordkamera AMIE in der Lage sein wird, den
Laserstrahl auf Teneriffa zu erfassen.
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