Genauer Blick auf die Lunge der Erde
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. astronews.com
24. April 2025
Am 29. April 2025 soll an Bord einer Vega-C-Rakete die
ESA-Mission Biomass starten und erstmals eine präzise Bestimmung der
Biomasse unserer Wälder ermöglichen. Deutschland ist mit über 20 Prozent an der
Mission beteiligt und stellt das Hauptinstrument. Die Mission soll wichtige
Daten über den Zustand der Wälder liefern, was unter anderem für Klimamodelle wichtig
ist.

Am 29. April 2025 soll
die ESA-Mission Biomass starten und erstmals eine
präzise Bestimmung der Biomasse unserer Wälder
ermöglichen.
Bild: DLR (CC
BY-NC-ND 3.0) [Großansicht] |
Wälder bedecken mit 40,6 Millionen Quadratkilometern knapp ein Drittel der
eisfreien Landfläche unserer Erde. Sie versorgen die Atmosphäre mit frischem
Sauerstoff und werden daher auch die "grüne Lunge" unseres Planeten genannt. Wie
gesund ist aber dieses überlebenswichtige "Organ" unserer Erde? Kann es uns weiterhin
ausreichend mit frischer Luft versorgen, so dass das Ökosystem Erde
funktionsfähig bleibt? Um diese Fragen zu beantworten, muss vor allem bestimmt
werden, wie groß das "Lungenvolumen" unserer Wälder ist. Diese Aufgabe wird die
Mission Biomass übernehmen, die am 29. April 2025 mit einer Vega-C-Rakete vom
europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana starten soll.
"Wälder
sind die grüne Lunge unseres Planeten. Bislang gibt es allerdings nur
Schätzungen, wie viel Waldbiomasse weltweit vorhanden ist. Die europäische
Mission Biomass wird erstmals das Volumen dieses wichtigen Kohlenstoffspeichers
hochgenau bestimmen und damit auch ein detailliertes Bild über den
Gesundheitszustand unserer Wälder liefern – ein elementarer Beitrag, um die
globale Erwärmung genau zu berechnen, die Folgen des Klimawandels vorherzusagen
und geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Das Herzstück dieser Mission ist ein
in Deutschland entwickeltes und gefertigtes Radarinstrument – ein weiterer
Beweis dafür, dass Deutschland im Bereich der Radartechnologie eine weltweit
führende Rolle einnimmt", betont Dr. Walther Pelzer, DLR-Vorstand und
Generaldirektor der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft-
und Raumfahrt (DLR).
Biomass ist die siebte Earth-Explorer-Mission im sogenannten FutureEO-Programm der Europäischen Weltraumorganisation ESA, das vor allem neuen
Technologien den Weg in die operationelle Erdbeobachtung ebnen soll. Deutschland
ist mit rund 20 Prozent an der Mission beteiligt. Die Beiträge werden von der
Deutschen Raumfahrtagentur im DLR koordiniert. Das "Herzstück" der Mission ist
das in Deutschland entwickelte P-Band-Synthetic-Aperture-Radar (SAR)-Instrument,
das das Volumen der Wald-Biomasse sowie den darin enthaltenen Kohlenstoff und
dessen Verteilung hochgenau erfassen soll. Das Instrument wird dafür sorgen,
dass Biomass alle sieben Monate globale Karten der Waldbiomasse und der
Baumhöhen bereitstellen kann. Sie sind essentiell für internationale
Klimavereinbarungen. Damit erfüllt diese Mission ein wichtiges Ziel der
Deutschen Raumfahrtstrategie im Kontext der Agenda 2030 der Vereinten Nationen,
des Green Deals der Europäischen Union, des Pariser Klimaabkommens und weiterer
internationaler Verpflichtungen. Entwickelt wurde dieser "Lungenvolumen-Detektor" von
Airbus Defence and Space in Friedrichshafen. Das DLR-Institut für
Hochfrequenztechnik und Radarsysteme in Oberpfaffenhofen führte vorbereitende
Flugzeugkampagnen durch, entwickelte den Prototypen des Radardaten-Prozessors
und wird nach dem Start die Kalibrierungs- und Validierungsphase der Mission
unterstützen.
"Die Wälder der Erde sind entscheidend für das Klima, die
Artenvielfalt und nicht zuletzt für die Zukunft der Menschheit. Deshalb ist es
von großer Bedeutung, nicht nur ihren gegenwärtigen Zustand zu erfassen, sondern
diesen auch in die Zukunft zu projizieren. Das ist nicht einfach, denn die
Wälder stehen heute unter enormem Druck, beispielsweisedurch Abholzung, Brände
und den Klimawandel. Dieser wirkt sich dramatisch auf deren Funktion als
Ökosystem und Kohlenstoffspeicher aus und hat verheerende Folgen für ihre
biologische Vielfalt", erklärt Konstantinos Papathanassiou vom DLR-Institut für
Hochfrequenztechnik und Radarsysteme. "Die Mission Biomass ermöglicht es
erstmals, die 3D-Struktur von Wäldern und damit die räumliche Verteilung ihrer
Biomasse zu bestimmen sowie auch ihre räumliche Komplexität und Vielfalt zu
erfassen. Damit ist es möglich, nicht nur den aktuellen Zustand der Wälder zu
bewerten, sondern auch Vorhersagen über ihre zukünftige Entwicklung zu treffen.
Die Methoden dazu wurden von europäischen Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern unter maßgeblicher Beteiligung des DLR entwickelt."
Als erste
satellitengestützte Mission, die im P-Band operiert, musste Biomass
wissenschaftliche und technische Herausforderungen meistern. Das DLR-Institut
für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme war dabei von Beginn an beteiligt und
hat mit seiner umfänglichen Expertise in der SAR-Technologie in allen Missions-
und Auswahlphasen unterstützt. Wissenschaftlich verantwortet es die Definition,
Generierung und Validierung der Waldhöhen- und Waldveränderungsprodukte. Für die
Entwicklung und Validierung der Algorithmen, die zur Erzeugung der
geophysikalischen Produkte verwendet werden, waren Kampagnen mit dem
Flugzeug-Radarsystem des DLR zur wissenschaftlichen Vorbereitung der Mission
Biomass entscheidend – unter anderem zwei Befliegungen in Gabun. Bei diesen
Messkampagnen wurden tomographische Datensätze erstellt. Für die Messflüge war
das DLR-Forschungsflugzeug Dornier DO 228-212 im Einsatz, das von der
Einrichtung Flugexperimente in Oberpfaffenhofen betrieben wird. Die Kampagnen
wurden vom DLR geleitet und erfolgten in Zusammenarbeit mit der ESA.
Bäume speichern große Mengen Kohlenstoff,
indem sie bei der Photosynthese Kohlenstoffdioxid (CO₂) aufnehmen und daraus
Holz bilden. Auch Böden intakter und naturnaher Wälder, Moore und Feuchtgebiete
speichern viel Kohlenstoff. Besonders Regenwälder zählen zu den größten
CO₂-Speichern. Laut wissenschaftlichen Schätzungen existieren weltweit noch etwa
18 Millionen Quadratkilometer Regenwald – das ist über das 50-Fache der Fläche
Deutschlands. Davon entfallen etwa 13,4 Millionen Quadratkilometer auf tropische
Regenwälder. Der größte davon ist mit sieben bis acht Millionen
Quadratkilometern der Amazonas-Regenwald. Zum Vergleich: Die Fläche der EU ist
mit 4,2 Millionen Quadratkilometern nur etwa halb so groß. Wenn CO₂ infolge von
Abholzung oder Bränden plötzlich in großen Mengen freigesetzt wird, hat dies
dramatische Auswirkungen auf das Klima.
Die Biomass-Mission wird hier wichtige
Informationen zu Waldressourcen, Ökosystemleistungen, biologischer Vielfalt und
Naturschutz über Regenwälder und darüber hinaus auch zu den borealen Wäldern auf
der Nordhalbkugel bereitstellen. Die Nutzung der gesammelten Daten geht
allerdings weit über die Beobachtung der Wälder hinaus. Der gehobene Datenschatz
wird außerdem der Überwachung der Ionosphäre – dem oberen Bereich der
Erdatmosphäre –, der Gletscher und Eiskappen ermöglichen. Zudem können
unterirdische geologische Strukturen in Wüstengebieten sowie die Topografie von
Gebieten mit dichter Vegetation erfasst werden.
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