Der chaotische Tanz der Plutomonde
von Stefan Deiters astronews.com
4. Juni 2015
Mindestens zwei Monde von Pluto scheinen chaotisch auf ihrer
Umlaufbahn zu taumeln. Dies ergab jetzt eine Auswertung von zahlreichen
Beobachtungen der Monde des Zwergplaneten mithilfe des Weltraumteleskops
Hubble. Außerdem scheint der Mond Kerberos ungewöhnlich dunkel zu sein.
Bislang hatte man erwartet, dass die Monde alle eine sehr ähnliche Helligkeit
aufweisen.

Die Monde des Zwergplaneten Pluto in einer
künstlerischen Darstellung.
Bild: NASA, ESA, A. Field (STScI)
[Großansicht] |
Die meisten Monde im Sonnensystem weisen beim Umlauf um ihren Planeten eine
besondere Eigenschaft auf: Sie drehen sich während einer Umrundung auch genau
einmal um die eigene Achse. Bei unserem Erdmond sehen wir dadurch praktisch
immer nur eine Seite des Mondes. Eine Auswertung von Beobachtungen des Plutosystems aus den Jahren 2005 bis 2012 mithilfe des Weltraumteleskops
Hubble
deutet nun darauf hin, dass dies bei mindestens zwei Monden des
Zwergplaneten deutlich anders ist.
Die beiden Plutomonde Nix und Hydra scheinen auf ihrer Umlaufbahn eine in Art Taumelbewegung
zu zeigen, was dazu führt, dass ein
Beobachter auf Pluto in jeder Nacht einen anderen Teil der jeweiligen
Mondoberfläche zu Gesicht bekommen würde. Für einen Bewohner von Nix und Hydra
dürfte es sogar immer unterschiedlich lange Tage geben. Vermutlich zeigen auch
Kerberos und Styx ein ganz ähnliches chaotisches Verhalten, nur ließ sich dies
aus den vorliegenden Beobachtungsdaten nicht ableiten.
"Vor den Beobachtungen mit Hubble hat niemand mit dieser komplexen Dynamik im Plutosystem gerechnet", so Mark Showalter vom
SETI Institute in Kalifornien.
Ursache dafür dürften die beiden größten Objekte des Systems sein: Pluto selbst
und sein Mond Charon.
"Diese beiden Körper umkreisen einander mit großer Geschwindigkeit und sorgen
so für sich ständig verändernde gravitative Anziehungskräfte auf die kleineren
Monde in der Nähe", erklärt Doug Hamilton von der University of
Maryland. "Diese sich ständig verändernden Anziehungskräfte machen die Rotation
der Plutomonde unvorhersagbar. Das chaotische Rotationsverhalten wird dabei
noch durch die Tatsache verstärkt, dass die Monde nicht kugelförmig sind,
sondern mehr einem amerikanischen Fußball gleichen."
Charon hat im Vergleich zu Pluto eine so große Masse, dass sich der gemeinsame
Schwerpunkt, um den beide Objekte kreisen, außerhalb von Pluto befindet. Charon
hat etwa ein Achtel der Masse von Pluto. Unser Mond hingegen hat nur rund ein
Achtzigstel der Erdmasse. Der Schwerpunkt des Systems Erde-Mond liegt deutlich
innerhalb der Erde.
Die Bewegung der Monde im System Pluto-Charon könnte den Wissenschaftlern
daher auch interessante Hinweise darauf geben, wie sich Planeten rund um
Doppelsterne bewegen. "Wir lernen, dass Chaos in Doppelsystemen eventuell weit verbreitet
ist", so Hamilton. "Das könnte sogar Konsequenzen für die Entwicklung
von Leben auf Planeten um Doppelsterne haben."
Die Hinweise auf das chaotische Umlaufverhalten der beiden Plutomonde
lieferte die Auswertung von Helligkeitsschwankungen der Trabanten. Diese
erwiesen sich als nicht vorausberechenbar, was sich nur durch eine chaotische
Bewegung erklären lässt.
Bei der Auswertung der Hubble-Beobachtungen fiel auch auf, dass der Mond
Kerberos offenbar erstaunlich dunkel ist und sich damit deutlich von den sehr
hellen anderen Monden unterscheidet. Man hatte erwartet, dass alle
Monde recht gleichmäßig von Staub überzogen sind, der durch Einschläge von
Meteoriten entsteht. Sie hätten daher eigentlich ein recht einheitliches
Erscheinungsbild haben müssen.
Die Wissenschaftler stellten auch fest, dass es eine Verbindung zwischen den
Umlaufbahnen von Nix, Styx und Hydra gibt: "Ihre Bewegung steht in einer ganz
ähnlichen Abhängigkeit voneinander, wie die der drei großen Monde des Jupiter",
erklärt Hamilton. "Wenn man sich auf Nix befinden würde, könnte man verfolgen,
wie Styx Pluto zweimal in der Zeit umrundet, in der Hydra den Planeten
drei Mal umkreist."
Die chaotische Bewegung bedeutet nicht unbedingt, dass das Plutosystem
instabil ist. Aussagen über die ferne Zukunft von Pluto und seinen Monden lassen
sich allerdings auf Grundlage der bislang verfügbaren Daten nicht machen. Mehr
Informationen werden vermutlich schon in Kürze vorliegen: Die Sonde New Horizons wird in
rund sechs Wochen an dem System vorüberfliegen. Die aktuellen Befunde sollten
die vorgesehene Passage für die Sonde nicht gefährlicher machen.
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der
heute in der Wissenschaftszeitschrift Nature erschienen ist.
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