Streit um Namen für Exoplaneten
von Stefan Deiters astronews.com
15. April 2013
Eine Pressemitteilung der Internationalen Astronomischen
Union (IAU) sorgt für Streit unter Astronomen. Die IAU kritisiert darin ein
Startup-Unternehmen, das nach einem Namen für den unlängst entdeckten Planeten
um Alpha Centauri B sucht - für Namensvorschläge und zur Teilnahme an der
Abstimmung muss man allerdings zahlen. Hinter dem Unternehmen stehen bekannte
Astronomen.

Ferne und fremde Welten: Um die Benennung von
extrasolaren Planeten gibt es jetzt Streit.
Bild: IAU / L.
Calçada |
Die Internationale Astronomische Union (IAU) macht nicht oft von sich reden.
Die Organisation ist ein weltweiter Zusammenschluss von professionellen
Astronomen und unter anderem zuständig für die einheitliche Benennung von Objekten des
Sonnensystems und Oberflächenstrukturen auf Planeten und Monden. Das letzte Mal
geriet die IAU in die Schlagzeilen, als auf einer Generalversammlung entschieden
wurde, Pluto den Status als Planet abzuerkennen.
Die Arbeit der IAU spielt sich also weitgehend im Verborgenen ab und
entsprechend selten sind offizielle Pressemitteilungen. Am Freitag jedoch
gab es eine Pressemitteilung - die erste in diesem Jahr. Ihre Überschrift lautet: "Kann man sich das Recht kaufen, einen Planeten zu benennen?"
Die Antwort, die die IAU auf diese Frage gibt, dürfte niemanden überraschen, der
sich selbst einmal auf der Webseite der IAU umgeschaut hat. Hier äußert sich
die Organisation nämlich eindeutig zu Unternehmen, die
beispielsweise Sternnamen oder Grundstücke auf Planeten im Internet zum Kauf anbieten.
"Angesichts jüngster Ereignisse, bei denen mit der Möglichkeit, sich das
Recht zur Benennung eines extrasolaren Planeten zu kaufen, Werbung gemacht
wurde, möchte die Internationale Astronomische Union die Öffentlichkeit darüber
informieren, dass solche Verfahren bei der offiziellen Benennung keinerlei
Rolle spielen", lautet der erste Satz der Pressemitteilung. Anschließend begrüßt
die IAU das Interesse der Öffentlichkeit an der Exoplanetenforschung und betont
die Bedeutung eines einheitlichen Benennungsverfahren.
Wer sich nicht mit der Materie befasst, mag vielleicht denken, dass die IAU
es hier auf eine neue Masche abgesehen hat, mit der findige Unternehmer gutgläubigen Menschen nicht nur Grundstücke auf dem Mond oder Namensrechte an
einem Stern verkaufen, sondern auch die Flut von neuentdeckten Planeten
um andere Sonnen als Geldquelle nutzen wollen.
Tatsächlich gibt es ein Unternehmen, das derzeit einen Namen für den unlängst
entdeckten Planeten um Alpha Centauri B sucht. Die offizielle Bezeichnung dieser
Welt um einen der sonnennächsten Sterne ist in der Tat ein wenig unhandlich: Der
Planet heißt nämlich IAU-konform Alpha Centauri Bb. Wer also einen besseren
Namen vorschlagen möchte, ist auf der Webseite von Uwingu eingeladen,
dies zu tun. Umsonst lässt das
Startup-Unternehmen die Besucher jedoch nicht abstimmen:
Für einen Namensvorschlag kassiert Uwingu 4,99 US-Dollar, wer abstimmen möchte,
muss 0,99 US-Dollar zahlen.
Ein typischer Fall von einer neuen Geschäftemacherei im Internet also,
der die IAU mit ihrer Presseerklärung hier einen Riegel vorschieben will? So
leicht ist die Sache nicht, denn hinter Uwingu stecken eine Reihe von
Astronomen, die mit dem Projekt Geld für wissenschaftliche Projekte sammeln
wollen. Geleitet wird Uwingu von Dr. Alan Stern, dem verantwortlichen
Wissenschaftler der Pluto-Mission New Horizons. Zu den Unterstützern
zählt unter anderem auch der Planetenjäger Dr. Geoff Marcy.
Obwohl der Name Uwingu in der IAU-Presseerklärung nicht genannt wird,
bestand bei niemandem auch nur der geringste Zweifel darüber, gegen wen sich diese
IAU-Klarstellung richtete: "Es ist schon etwas schwach, dass die IAU offenbar
weiterhin davon ausgeht, dass ihr das Universum gehört", sagte
Stern der Webseite Universe Today. "Das ähnelt schon einem europäischen
akademischen Club aus dem 15. Jahrhundert, der nach der Entdeckung Amerikas
durch Columbus glaubte, dass ihm nun überall das Recht zur Namensgebung zusteht."
Die IAU weist in ihrer Erklärung darauf hin, dass im Rahmen der Aktion auf der Webseite versprochene Zertifikate über die
Gültigkeit des Namensvorschlags irreführend seien und die Abstimmung auch nicht zu einem offiziell
anerkannten Namen führen wird- egal wie viele Stimmen abgegeben wurden.
Gleichzeitig räumt die IAU ein, dass die bisherigen Namen für extrasolare
Planeten etwas unhandlich sind. Die zuständige IAU-Kommission soll sich deswegen
bald mit der Frage beschäftigten, ob populäre Namen für extrasolare Planeten ein
Weg wären, um dem großen öffentlichen Interesse an dem Thema gerecht zu werden.
Heute reagierte auch Uwingu offiziell auf die IAU-Pressemitteilung. Darin
wird die Zuständigkeit der IAU für die Namensgebung in der Astronomie bestätigt.
Allerdings würde dies nicht bedeuten, dass die IAU auch populäre Namen
kontrollieren könne. Schließlich würde es schon heute Beispiele dafür geben,
dass Objekte nicht unter ihrem astronomisch korrekten Namen, sondern unter einem
populären Namen bekannt sind, etwa der Polarstern.
Gleichzeitig macht sich Uwingu die neue öffentliche Aufmerksamkeit zu Nutze: Eigentlich sollten
Namensvorschläge für Alpha Centauri Bb nur noch bis heute angenommen werden.
Jetzt aber wurde die Frist dafür um eine Woche verlängert. Gegenwärtig liegt der
Namensvorschlag "Rakhat" vorn. Er stammt aus dem Science-Fiction-Roman "The
Sparrow" (auf Deutsch "Sperling") von Mary Doria Russell.
Wer also noch einen eigenen Vorschlag hat oder einen Namensvorschlag
unterstützen möchte, hat dazu noch immer Gelegenheit - wenn er zuvor zahlt. Und
genau da dürfte vermutlich das Problem mit der IAU liegen: "Als internationale Wissenschaftsorganisation distanziert sich die IAU von
allen kommerziellen Unternehmungen, in deren Rahmen Namen für Planeten, Sterne
oder gar Grundstücke auf anderen Planeten oder Monden verkauft werden", schreibt
die IAU in ihrer Presseerklärung. Und Uwingu ist ein kommerzielles
Unternehmen.
Auf der einen Seite steht hier also ein gutgemeintes Startup, das mit einer
publikumswirksamen Idee Gelder für wissenschaftliche Projekte sammeln will
und auf der anderen Seite eine internationale Organisation, die sich immer
wieder gegen Geschäftspraktiken ausgesprochen hat, die denen sehr ähnlich sind, mit denen
Uwingu nun Gelder sammelt. Unangreifbar bleibt da nur, so dürfte sich
die IAU gedacht haben, wer sich konsequent gegen jede Form dieser Geschäftemacherei ausspricht - auch wenn es, wie
in diesem Fall, die eigenen Kollegen trifft.
|