Weniger erdnahe Asteroiden als gedacht
von Stefan Deiters astronews.com
30. September 2011
Es gibt offenbar deutlich weniger erdnahe Asteroiden als
bislang angenommen. Das ergab eine jetzt vorgestellte Auswertung von
Beobachtungsdaten des NASA-Infrarotteleskops WISE. Die Daten sprechen für eine
geringere Zahl mittelgroßer erdnaher Asteroiden, wobei man die meisten davon
allerdings noch nicht entdeckt hat. Besser sieht es da bei den noch größeren
Brocken aus.

WISE-Beobachtungen deuten auf eine deutlich
geringere Zahl von mittelgroßen erdnahen
Asteroiden hin, die meisten sind allerdings noch
immer unentdeckt.
Bild: NSSDC / NASA / Montage: astronews.com |
Das NASA-Weltraumteleskop Wide-field Infrared Survey
Explorer (WISE) hat im vergangenen Jahr im Rahmen einer großangelegten
Himmelsdurchmusterung im Infraroten auch die bislang gründlichste Suche nach
erdnahen Asteroiden durchgeführt. Diese Asteroiden umrunden die Sonne in einem
ähnlichen Abstand wie die Erde und können unserem Heimatplaneten daher
regelmäßig recht nahe kommen. Schwerpunkt dieses NEOWISE genannten Projektes
waren dabei - bedingt durch die Beobachtungsmöglichkeiten von WISE -
mittelgroße Asteroiden, also Brocken mit einem Durchmesser zwischen rund 100 und
1.000 Metern sowie noch größere Objekte.
"NEOWISE hat es uns ermöglicht, eine repräsentativere Auswahl der erdnahen
Asteroiden zu untersuchen und damit bessere Abschätzungen über ihre Gesamtzahl
zu machen", erläutert Amy Mainzer, verantwortliche Wissenschaftlerin für das
NEOWISE-Projekt am Jet Propulsion Laboratory der NASA und Erstautorin
eines Fachartikels über die Studie, die in der Zeitschrift Astrophysical
Journal erscheinen wird. "Es ist wie bei einem Bevölkerungszensus, bei dem
man eine kleine Gruppe von Menschen befragt, um etwas über die Einwohnerschaft
eines ganzen Landes zu erfahren."
Die Astronomen schätzen die Anzahl der mittelgroßen Asteroiden nun auf
ungefähr 19.500 Exemplare. Zuvor war man noch von 35.000 Brocken in diesem
Größenbereich ausgegangen. Dies könnte nach Ansicht der Forscher auch auf eine
etwas geringere Gefährdung der Erde durch Einschläge aus dem All hindeuten.
Allerdings, so warnen sie gleichzeitig, hätte man die Mehrzahl dieser
mittelgroßen Brocken bislang noch nicht entdeckt und es sei zudem unklar, ob die
geringere Anzahl von mittelgroßen Brocken gleichzeitig bedeuten würde, dass auch
die Gruppe der "potentiell gefährlichen Asteroiden" kleiner geworden ist. Bei
diesen handelt es sich um Objekte, die der Erde besonders nahe kommen.
WISE hat zwischen Januar 2010 und Februar 2011 den gesamten Himmel zwei Mal
im Infraroten erfasst (astronews.com berichtete) und dabei mehr als 100.000
Asteroiden im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter und mindestens 585
erdnahe Brocken aufgenommen. Der Vorteil der Suche mit WISE war, dass sich mit
dem Infrarotteleskop auch Objekte erkennen ließen, die im sichtbaren Bereich des
Lichtes nur sehr wenig Licht abstrahlen, weil sie beispielsweise eine dunklere
Oberfläche haben. Die Infrarotstrahlung eines Asteroiden hängt hingegen von
seiner Größe und nicht von seinem Reflexionsvermögen ab.
Bei den größten erdnahen Asteroiden mit einem Durchmesser von mehr als einem
Kilometer ergab die WISE-Untersuchung nur eine geringe Reduzierung der
geschätzten Gesamtzahl - man geht jetzt von 981 statt von 1.000 Objekten aus. Da
man inzwischen 911 Brocken dieser Art kennt, sind inzwischen 93 Prozent der
vermutlich vorhandenen Asteroiden der Klasse gefunden. Damit ist die Grenze von
90 Prozent überschritten, auf die man sich 1998 mit dem US-Kongress im Rahmen
der Spaceguard-Initiative geeinigt hatte.
Der Einschlag eines Asteroiden dieser Größenklasse würde zu einer globalen
Katastrophe führen. Unter den 911 bekannten Objekten befindet sich keins, was in
den kommenden Jahrhunderten eine Gefahr für die Erde darstellt. "Das Risiko,
dass ein wirklich großer Asteroid auf der Erde einschlägt, bevor wir ihn
entdecken und entsprechend warnen können, hat sich deutlich verringert", urteilt
auch Tim Spahr, der Direktor des Minor Planet Center am Harvard
Smithsonian Center for Astrophysics.
Das gilt allerdings nicht für die mittelgroßen Brocken, deren Einschlag
immerhin noch für beträchtliche regionale Verwüstungen sorgen könnte. Zwar hat
sich durch die WISE-Beobachtungen ihre geschätzte Gesamtzahl reduziert, doch
verfolgt Spaceguard inzwischen gerade einmal etwas mehr als 5.200
erdnahe Asteroiden, die größer sind als 100 Meter. Rund 15.000 mittelgroße
Brocken gilt es also auch nach den neuen Zahlen noch zu entdecken. Hinzu kommen
schätzungsweise über eine Millionen kleinere Asteroiden, die bei einem Einschlag
zumindest lokale Schäden verursachen würden.
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